Produktion

Potenziale der Nanotechnologie: Die Zukunft? Schon da!

Die Nanotechnologie ist längst den Kinderschuhen entwachsen. Als Querschnittstechnologie verändert sie etliche Bereiche des Lebens.

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von Regiomanager 01.07.2018
Das Rastertunnelmikroskop ermöglicht den Blick in die Nano-Welt

In den Jahren um die Jahrtausendwende war „Nanotechnologie“ in aller Munde, doch um die nutzbringende Anwendung feinster Teilchen und Strukturen ist es stiller geworden. Der „Lotuseffekt“ dürfte wohl noch den meisten zum Thema einfallen – ein extrem wasser- und schmutzabweisender Überzug auf Glas, Leder oder Textilien, der wachsüberzogene Papillen auf den Blättern mancher Pflanzen nachahmt. Die Nanotechnologie umfasst – grob vereinfacht – Phänomene, Prozesse und Materialien, die sich in einer Größenordnung von einem bis 100 Nanometern abspielen. Ein Nanometer ist ein milliardstel Meter und damit etwa 50.000-mal kleiner als der Durchmesser eines dünnen Menschenhaares. Dass die Nanotechnologie nicht mehr so stark im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht, hat noch einen anderen Grund, glaubt Dr. Heinz-Georg Nothofer, Projektmanager im Landescluster NanoMikroWerkstoffePhotonik.NRW (NMWP.NRW, Internet: nmwp.nrw.de). Da die Nanotechnologie als Querschnittstechnologie in ganz unterschiedliche technologische Bereiche hineingreift, würden auch ganz unterschiedliche Anwendungsfelder unter diesen einen Begriff subsumiert. Dabei bietet sie für zahlreiche Produkte und Prozesse einen signifikanten Mehrwert oder ist im Begriff, dies zu tun.

Etablierte Verfahren

„Die Nanotechnologie ist heute auf einem Niveau angelangt, welches es erlaubt, ihre Verfahren nahtlos in den Produktionsprozess zu integrieren“, sagt Nothofer. „Sie hat sich in vielen Bereichen etabliert und Einzug in den Alltag gehalten. Nanotechnologie findet sich bereits auf oder in vielen Produkten, ohne dass dies explizit Erwähnung findet; bei Kosmetika, Lebensmitteln und Medikamenten wird darauf hingewiesen.“ Vielleicht hat sich der Neuigkeitswert etwas abgenutzt, ähnlich wie vor 40 Jahren der Claim „Produkt der Raumfahrt“.

Nano-Sand

„Die Härte eines Autolackes von heute können Sie nicht mehr mit einem Lack von vor 20 Jahren vergleichen“, meint Nothofer. Dies liegt an nanopartikulärem Siliziumdioxid („Quarzsand“) oder Aluminiumoxid. In feinsten Partikeln macht er Lacke extrem kratzfest. Quarzbeimischungen verbessern heute das Abrollverhalten von Lkw-Reifen und helfen Sprit sparen bei gleichzeitig geringerem Abrieb. Ein Multitalent in der Nanowelt ist Titandioxid, das ein wesentlicher Bestandteil von Sonnenschutzmitteln ist und auch für Fassadenanstriche verwendet wird. Durch die UV-Strahlung der Sonne bilden sich auf einem solchen Anstrich sogenannte „Radikale“, die Verschmutzungen abbauen und antimikrobiell wirken. Algen haben auf einer solchen Fassade also keine Chance – der Anstrich bleibt sauber (photokatalytische Selbstreinigung). Zusätzlich ist eine solche Titandioxid-Nano-Oberfläche „superhydrophil“: Wasser bildet keine Tröpfchen, sondern einen Film. In Japan werden so bereits beschlagfreie Autorückspiegel hergestellt.

Nano in der Medizin

Medizintechnikfirmen mit Nanobezug sind in NRW ebenfalls stark vertreten. Etwa die Firma Hemoteq, die auf Oberflächenbeschichtungen von Implantaten spezialisiert ist oder die Firma Phenox, ein Hersteller von Medizinprodukten zur Behandlung neurovaskulärer Erkrankungen, also etwa von Schlaganfällen. Die Oberfläche solcher Implantate muss extrem bioverträglich sein, die Thrombosegefahr muss möglichst minimiert werden. In Aachen ansässig ist Medical Magnesium. Das Start-up hat ein großes Problem beim Einsatz von Magnesium zur Versorgung von Knochenbrüchen – zum Beispiel in Form von Knochenschrauben – gelöst: Magnesium wird vom Körper abgebaut, sodass das eingesetzte Teil nicht wieder herausoperiert werden muss. Der beim Abbau entstehende Wasserstoff stellte jedoch ein Problem dar. Eine Werkstoffmodifizierung konnte die Wasserstoffbildung nun vermindern. „Ein Herz für NRW“ heißt ein NRW-Projekt, bei dem ein biohybrides Herz als vollwertiger Organersatzentwickelt werden soll – durch die Kombination aus Biomaterialien und körpereigenen Substanzen. Mittlerweile existieren erfolgversprechende Ansätze für den gezielten Transport von Wirkstoffen im Körper auf Basis synthetischer und biohybrider Nanopartikel, etwa zur Überwindung von Zellbarrieren. Als etabliertes Verfahren gilt inzwischen die Nutzung von Eisenoxid-Nanopartikeln bei bestimmten Hirntumoren zur Zerstörung kranken Gewebes. Der Kopf des Patienten wird dazu in ein magnetisches Wechselfeld gebracht. Dadurch erhitzen sich die Eisenoxid-Partikel und bringen die Tumorzellen zum Absterben.

Internet der Dinge

Die Nanotechnologie eröffnet auch neue Perspektiven für Photonik, Sensorik, Nanoelektronik und das Internet der Dinge. Die in Aachen ansässige AMO GmbH füllt hier die Lücke zwischen Grundlagenforschung und Innovation. Nanoelektronik ist der Forschungszweig, der die Miniaturisierung elektronischer Komponenten immer weiter vorantreibt und so auch ihren bedrohlich wachsenden Energiehunger deutlich senkt. Die Firma „Deutsche Nanoschicht“ (Rheinbach) stellt u. a. Supraleiter für die widerstandslose Durchleitung von Strom unter Kühlung mit flüssigem Stickstoff her. An zahlreichen Technologiefragen wird mit Hilfe der Nanotechnologie geforscht. So, wie die Entdeckung des Riesenmagneto-Widerstands in den 80er-Jahren heute den Bau von Datenspeichern ermöglicht, die damals für illusorisch gehalten wurden, so wurden und werden derzeit zahlreiche technologische Aufgaben der Zukunft auf Nano-Ebene gelöst: etwa die Optimierung der Batterie- und Brennstoffzellentechnik oder der effizientere Umgang mit Energie durch LED- und OLED-Technik.

Nano ist nicht neu

Vieles, was heute „Nanotechnologie“ heißt, ist nicht neu: „Als Chemiker habe ich mich schon immer in ‚Nano-Dimensionen‘ bewegt“, sagt der promovierte Chemiker Nothofer. Auch Quanteneffekte, also den Umstand, dass Stoffe ihre Eigenschaften als besonders kleine Partikeln mitunter verändern, nutzen Menschen schon lange. Kohlenstoff machte schon vor über 2000 Jahren Damaszenerschwerter zäh und hart. Die „Kohlenstoffnanoröhren“, die das bewirken, konnten vor wenigen Jahren elektronenmikroskopisch nachgewiesen werden. Heute werden diese Kohlenstoffstrukturen im Nanobereich industriell hergestellt, um Werkstoffe zu optimieren. Schon vor langer Zeit wusste man, dass ein Silberlöffel in Milch diese haltbarer macht. Heute weiß man auch, warum: Cluster von Silberionen gehen über in die Milch. Sie greifen Zellen an und wirken so antibakteriell. Heute macht man sich das zunutze, indem Funktionskleidung, OP-Bekleidung oder Socken mit Nanosilber ausgerüstet werden, um Keim- und insbesondere Geruchsbildung zu verhindern.

Nahe Zukunft

Eine seit wenigen Jahren existierende Nano-Anwendung sind Quantenpunkt-Leuchtdioden (QLEDs) als weiße Hintergrundbeleuchtung in klassischen LCD-Fernsehern. Sie basieren auf dem Phänomen, dass nanoskalige Halbleiterkristalle (Quantenpunkte, englisch: Quantum Dots, „QD“) abhängig vom Material und ihrer Größe Licht mittels Fotoanregung in unterschiedlichen Farben emittieren. Ziel der Entwicklung wird es sein, jeden Quantenpunkt einzeln in einer gewünschten Farbe des sichtbaren Spektrums kontrolliert durch elektrische Anregung leuchten zu lassen. Eine Revolution in der Fernsehtechnik, die die Farbwiedergabe, das heißt Kontrast und Farbbrillanz, erheblich verbessert – bei stark vermindertem Stromverbrauch. Was sich Heinz-Georg Nothofer für NRW wünscht, ist eine stärkere Gründer-Aktivität durch Hochschulabsolventen und stärkere Aktivitäten bei der Sicherung intellektuellen Eigentums – also beim Patentschutz. Da der Cluster NMWP.NRW sich in diesem Bereich aktuell stark engagiert, sieht er die Nano-Landschaft in NRW gut gerüstet für die  Zukunft. Claas Möller | redaktion@regiomanager.de

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