Produktion

Beziehungsstatus offen

Bereits 2020 hat China Deutschland als Exportweltmeister im Maschinenbau abgelöst. Inzwischen lautet die neue Industriestrategie aus dem Reich der Mitte „Made in China 2025“. Was bedeutet das für den deutschen Maschinenbau?

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von Thomas Feldhaus 15.01.2024
(© ­­­Lustre − stock.adobe.com)

Anfang November 2023 traf sich die Branche der Maschinenbauer zum großen Gipfel in Berlin. Auf der Tagesordnung standen aktuelle Themen wie Nachhaltigkeit, Fachkräftemangel und Digitalisierung, aber auch die zunehmend schwieriger werdende Rolle des europäischen Maschinenbaus im internationalen Wettbewerb. Dabei steht insbesondere China und die chinesische Maschinenbauindustrie im Fokus. „Wenn China schwächelt, dann trifft das Europa und insbesondere die Exportnation Deutschland sehr stark“, umriss Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die Situation. Aber die Probleme erschöpfen sich nicht in einem schwächeren chinesischen Wirtschaftswachstum, Sorgen bereiten vor allem die Konkurrenzunternehmen aus China, die Deutschland längst als Exportweltmeister verdrängt haben.
Ein Blick auf die Zahlen macht die Herausforderung deutlich. 2020, inmitten der Corona-Pandemie, sind die chinesischen Maschinenbauer erstmals an Deutschland vorbeigezogen. Mit einem Vorsprung von rund 6 Milliarden US-Dollar fielen die Exporte allerdings noch gemäßigt aus. Aktuell macht der Unterschied nach Zahlen des Branchenverbands VDMA etwa 47 Milliarden US-Dollar aus. Nach Einschätzung der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Germany Trade & Invest (GTAI) mit weiter steigender Tendenz. Für dieses Jahr rechnen die GTAI-Analysten mit Wachstum in beiden Ländern. Für rund 249 Milliarden US-Dollar exportiert der deutsche Maschinenbau seine Produkte, für etwa 296 Milliarden US-Dollar die Konkurrenz aus China.
Vergleicht man die Ausfuhren beider Länder über einen Zeitraum bis 2010, wird die Verschiebung der Kräfte noch deutlicher. Zwar konnten die deutschen Maschinenbauer ihre Exporte um etwa 8,7 Prozent steigern, China hat die Ausfuhr im gleichen Zeitraum verdoppelt. 

Immer mehr deutsche Maschinenbauer produzieren direkt in China

Der Maschinen- und Anlagenbau lässt sich in 28 Segmente aufteilen, von Werkzeugmaschinen – mit knapp 21 Milliarden Euro Umsatz der wichtigste Bereich im deutschen Maschinenbau – über Antriebs- und Fördertechnik bis hin zu Öfen und Textilmaschinen. In 16 Segmenten liegt China bereits vor Deutschland, insbesondere in Segmenten, in denen die deutschen Maschinenbauer viel exportieren. Ein ganz ähnliches Bild ergibt sich bei der Betrachtung auf europäischer Ebene. Deutschlands Maschinenbauer verlieren so langsam ihre Vormachtstellung durch die zunehmenden Importe aus China auch auf dem heimischen Markt. Allerdings produzieren inzwischen auch immer mehr deutsche Maschinenbauer direkt vor Ort in China oder in benachbarten asiatischen Märkten.
Der Maschinenbau in Deutschland ist eine mittelständisch geprägte Branche mit wenigen multinationalen Konzernen wie Siemens oder Bosch und einer Vielzahl kleinerer Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern. Entsprechend unterschiedlich sind die Strategien, mit denen die Unternehmen auf das schwierigere Marktumfeld und die zunehmend stärker werdende Konkurrenz aus China reagieren. Aus dem Partner ist auch ein Wettbewerber geworden und nimmt man die China-Strategie der Bundesregierung zur Hand, auch ein Systemrivale. Siemens beispielsweise hat sich für eine zweigleisige Strategie entschieden. Auf der einen Seite das Geschäft entflechten, beispielsweise durch den Bau einer Produktionsanlage in Singapur und damit vor geopolitischen Risiken schützen, auf der anderen Seite mit deutlichen Investitionen in China vom dortigen Wachstum profitieren. Insgesamt macht Siemens rund 13 Prozent seines Umsatzes in China und wäre damit selbst bei einem Totalausfall nicht in den Grundfesten erschüttert. Wachstum fördern, Innovationen vorantreiben und die eigene Resilienz erhöhen, nennt CEO Roland Busch dieses Vorgehen. Rund 140 Millionen Euro investiert Siemens in den Ausbau seiner digitalen Fabrik in Chengdu und hat gleichzeitig weitere Investitionen in ein F&E-Zentrum in Shenzhen angekündigt. 

Unternehmen überdenken ihre China-Strategie

Diese als „local for local“ bezeichnete Strategie setzt allerdings eine bestimmte Unternehmensgröße bzw. das notwendige Kapital voraus und ist deshalb nicht für jeden Mittelständler geeignet. Eine Alternative bietet die Diversifizierung von Lieferketten und die Ausweitung auf weitere lukrative Märkte. Maschinen aus Deutschland sind weltweit immer noch gefragt, insbesondere auch in aufstrebenden Volkswirtschaften Asiens und Lateinamerikas. Immer mehr Unternehmen bauen deshalb ihre Präsenz in diesen Märkten aus und machen sich damit ein Stück unabhängiger.
Dabei bewerten Deutschlands Maschinenbauer die Aussichten für die weitere Entwicklung mit China durchaus positiv. Nach einer aktuellen Umfrage des VDMA überdenkt etwa die Hälfte der Unternehmen ihre China-Strategie und immerhin 42 Prozent wollen ihre Aktivitäten in China weiter ausbauen. Dabei sind auch strategische Kooperationen mit chinesischen Unternehmen denkbar. „Bisher wollten die Maschinenbauer immer eigenständig in China agieren“, sagt Ulrich Ackermann, Abteilungsleiter Außenwirtschaft im VDMA. „Eine gezielte Beteiligung an chinesischen Unternehmen, durchaus auch als Minderheitsbeteiligung, kann den Zugang zum Innovationsökosystem in China eröffnen. Dadurch können sich die europäischen Maschinenbauer schnell neue lokale Technologien erschließen.“
Das sich die Unternehmen längst auf die neue geopolitische Lage eingestellt haben und ihre Strategien entsprechend anpassen, wird auch im aktuellen Maschinenbau-Barometer der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC deutlich. Die Investitionen der Unternehmen verlagern sich zunehmend in die USA und nach Europa, Asien hat immer öfter das Nachsehen. „Es kann sein, dass wir erste Anzeichen einer Entflechtung von Asien und insbesondere China sehen“, sagt Klaus-Peter Gushurst, Leiter des PwC-Bereichs Industrie und Innovation. Tatsächlich ist es derzeit kaum möglich, anhand valider Zahlen die Tätigkeit der Maschinenbauer in China und ihre vor Ort produzierten Maschinen zu erfassen.
Wie erfolgreich die „Made in China 2025“-Strategie letztlich wird, lässt sich kaum vorhersagen und ist immer auch von Unsicherheiten begleitet. Eine Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung hat versucht, die möglichen Auswirkungen auf den deutschen Maschinenbau anhand von fünf unterschiedlichen Szenarien zu prognostizieren. Nur beim Baseline-Szenario mit einer teilweisen Erfüllung der angestrebten Strategieziele würde sich eine Art Win-win-Situation ergeben, die allerdings stagnierende Exportquoten bedeutet. Kann China seine Ziele vollständig erreichen, müsste der deutsche Maschinenbau mit einem deutlichen Einbruch des Exportvolumens rechnen, insbesondere in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts. Nur bei einem Misserfolg der chinesischen Wachstumsstrategie könnte der deutsche und europäische Maschinenbau mit weiter steigenden Umsätzen profitieren.
Egal wie man die weiteren Aussichten betrachtet, die Zeit der hohen Wachstumsraten beim Maschinenbau-Export nach China sind erst mal vorbei. Und nicht nur dort. Denn auch das zeigt sich in den Szenarien, je erfolgreicher China seine Strategie umsetzt, umso mehr Maschinen werden auch in andere Teile der Welt verkauft und bedrohen auch dort die Wachstumschancen für die hiesigen Unternehmen. Vielleicht sollten Deutschlands Maschinenbauer auf Werner von Siemens vertrauen, der sagte: „Wer das Beste liefert, bleibt schließlich oben, und ich ziehe immer die Reklame durch Leistungen der durch Worte vor.“

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Fotostrecke

(Quelle: Fraunhofer ISI, 2020)

(© ­­­Lustre − stock.adobe.com)

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