Recht & Finanzen

Bürokratie, nein danke?!

Bürokratiekosten werden nicht nur subjektiv empfunden. Sie lassen sich objektiv messen.

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von Birgit Marx 17.01.2024
(© master1305 – stock.adobe.com)

Für viele Unternehmen bedeutet Bürokratie ein nicht unerhebliches Geschäftsrisiko. Und obwohl die aktuelle Bundesregierung bereits drei Bürokratieentlastungsgesetze auf den Weg gebracht hat, kommen immer noch mehr neue Vorschriften hinzu, als alte wegfallen.
Wenn man über den Abbau von Bürokratie schreiben will, kommt man an einem Begriff nicht vorbei, der schon fast metaphorisch klingt. Erfüllungsaufwand – das können sich nur Bürokraten ausgedacht haben. Er beschreibt alle Kosten, die den Bürgerinnen und Bürgern, der Wirtschaft und der Verwaltung durch die Befolgung von Gesetzen entstehen. Das Statistische Bundesamt hat noch weitere Begriffe im Repertoire, um Bürokratie zu messen. Die Kosten, die in Unternehmen durch den klassischen „Papierkram“ anfallen, werden wird im Bürokratiekostenindex dargestellt. Welche Bürokratiekosten den Unternehmen durch das Befolgen von Berichtspflichten an die amtliche Statistik entstehen, misst das Belastungsbarometer. Auch beim Erlass von neuen Gesetzen und Vorschriften soll Bürokratie auf ein Minimum begrenzt werden. Daher werden schon während des Entstehungsprozesses neuer Regelungen Kostenschätzungen durchgeführt – sogenannte Ex-ante-Schätzungen. Die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen mit den Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung wird regelmäßig in einer Lebenslagenbefragung ermittelt.

Umweltschutz vs. Bürokratieabbau?

Bleiben wir aber beim Erfüllungsaufwand. Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) hat in seinem Jahresbericht 2023 mit dem Titel: „Weniger, einfacher, digitaler. Bürokratie abbauen. Deutschland zukunftsfähig machen“ Bilanz gezogen. Der NKR wurde im Jahr 2006 als unabhängiges Expertengremium eingerichtet, um die Bundesregierung, den Deutschen Bundestag und den Bundesrat bei Bürokratieabbau und besserer Rechtsetzung zu beraten. Er besteht aus zehn ehrenamtlichen Mitgliedern und ist organisatorisch beim Bundesministerium der Justiz (BMJ) angesiedelt.
Der laufende Erfüllungsaufwand war laut Bericht noch nie so hoch wie heute. Gegenüber den Vorjahren sind die Belastungen von Unternehmen, Behörden und Bürgern um 9,3 Mrd. Euro pro Jahr und einmalig um 23,7 Mrd. Euro gestiegen. Spitzenreiter ist das Gebäudeenergiegesetz, das die Bürger mit einmaligem Erfüllungsaufwand von 127 Mio. Euro sowie jährlichem Erfüllungsaufwand von 5,1 Mrd. Euro belastet. Der Wirtschaft entsteht einmaliger Aufwand von 12,5 Mrd. Euro und jährlicher Erfüllungsaufwand von 3,6 Mrd. Euro. Die Verwaltung wird zwar weniger, aber immerhin noch mit Umstellungsaufwand in Höhe von 1,2 Mrd. Euro und laufendem Erfüllungsaufwand von 448 Mio. Euro belastet.
Merke: Was gut für die Umwelt ist, hilft noch lange nicht dem Bürokratieabbau. Denn sowohl bei der Wirtschaft als auch bei der Verwaltung entsteht hoher zusätzlicher jährlicher Erfüllungsaufwand. Für die Steigerung der Energieeffizienz zur Erreichung des EU-Klimaziels 2030 sind es 286 Mio. Euro bei der Wirtschaft und 339 Mio. Euro bei der Verwaltung.Aber es gibt auch gute Nachrichten: Die größte Aufwandssenkung bringt das Gesetz zur Modernisierung des Pass- und Ausweiswesens. Dabei können aus dem Pass oder Personalausweis erhobene Daten automatisiert in ein Datenverarbeitungssystem übertragen werden. Mit dem Gesetz werden Bürgerinnen und Bürger um 289 Mio. Euro und die Verwaltung um 491 Mio. Euro entlastet. Damit wird das Potenzial der Digitalisierung von Verfahren zur Aufwandsreduktion deutlich. Weitere Beispiele wie die gesetzliche Erleichterung der digitalen Fahrzeugzulassung (94 Mio.
Euro jährliche Entlastung Bürgerinnen und Bürger) oder des elektronischen Datenaustauschs im Beitrags­ und Melderecht (155 Mio. Euro jährliche Entlastung Wirtschaft und 142 Mio. Euro jährliche Entlastung Verwaltung) unterstreichen die Chance, die in einer konsequenten Verfahrensdigitalisierung liegt.

Umfrage mit Folgen

Mitte Januar hatte das Bundesjustizministerium mehr als 70 Verbände aufgefordert, das aus ihrer Sicht bestehende Entlastungspotenzial zu benennen und Maßnahmen vorzuschlagen. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) hat im Rahmen dieser Umfrage ihre Vorschläge vorgelegt, vom erleichterten Anmeldungsprozess für Photovoltaik-Anlagen bis zur Abschaffung von Schriftformerfordernissen in der beruflichen Ausbildung (s. Kasten)

Praxis-Checks

Auch das Bundeswirtschaftsministerium hat im Rahmen von Best-Practice-Aktivitäten, den sogenannten Praxis-Checks, geprüft, ob Gesetze und deren Umsetzung weniger bürokratisch sein könnten. Dafür wurden Experten aus der Praxis befragt, zum Beispiel betroffene Unternehmerinnen und Akteure in den Behörden. Die erste Runde beschäftigte sich um „Errichtung und Betrieb von PV-Anlagen im Einzelhandel“. In einem zweiten Schritt geht es aktuell um das Thema Windkraft.
In den Workshops wurden konkrete Fälle aus der Praxis untersucht, Lebenslagen oder ein Investitionsvorhaben. Das Ziel dabei waren praxis- und vollzugstaugliche Gesetze. Am Ende wurden „über 50 Hindernisse“ identifiziert und abgebaut, teilte das Ministerium mit. Und weiter: „Zu diesem Ergebnis wären wir nicht gekommen, hätten wir uns – wie bisher beim Bürokratieabbau üblich – vor allem auf den Erfüllungsaufwand einzelner Paragrafen konzentriert.“ Bleibt zu hoffen, dass das ein guter Anfang ist!

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Fotostrecke

Quelle: Jahresbericht 2023 des Nationalen Normenkontrollrats

(© master1305 – stock.adobe.com)

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