Büro & Arbeitswelt

Ukraine-Geflüchtete: Wie Sie Geflüchtete rechtssicher beschäftigen

Auf dem deutschen Arbeitsmarkt werden Geflüchtete aus der Ukraine mit offenen Armen empfangen. Aber was gilt es zu beachten?

Avatar
von Regiomanager 01.08.2022
© ­­­pronoia − stock.adobe.com

In den vergangenen Monaten sind viele gut qualifizierte Ukrainerinnen und Ukrainer nach Deutschland gekommen. „Groß ist der Zufluss von Geflüchteten unter anderem in die Region Rhein-Ruhr, vor allem in die Landeshauptstadt Düsseldorf und den angrenzenden Kreis Mettmann“, erklärt Svitlana Bayer. Sie stammt selbst aus der Ukraine und leitet den Expat Service Desk ME & DUS, eine offizielle Beratungsstelle für Unternehmen und deren internationale Angestellte. „Die Menschen können ein Potenzial sein, den Fachkräftemangel ein Stück weiter zu lindern“, sagt Svitlana Bayer. Die Ausländerbehörde Münster – um eine weitere Region in NRW zu nennen – hat die Erfahrung gemacht, „dass viele Vertriebene aus der Ukraine, die überwiegend Frauen sind, gerne einer Erwerbstätigkeit nachgehen möchten“, wie Annika Hagedorn, Fachstellenleiterin des Rechts- und Ausländeramtes, erläutert. Was aber müssen die Geflüchteten und die hiesigen Unternehmen diesbezüglich beachten? „Rechtssicher ist die Beschäftigung von Vertriebenen aus der Ukraine immer, wenn bereits eine Aufenthaltserlaubnis vorliegt“, sagt Annika Hagedorn. Diese kann in Form einer Karte – ähnlich dem deutschen Personalausweis – oder auch als Etikett in den Pass eingeklebt sein. „Das Klebeetikett hat den großen Vorteil, dass die Ausstellung direkt erfolgen kann und es keine Wartezeiten – wie für die Produktion der elektronischen Karte – gibt. Zur Ausstellung des Klebeetikettes muss in der Regel allerdings ein gültiger Nationalpass vorliegen.“


Erlaubnis oder Bescheinigung

Es handelt sich sowohl bei der Karte als auch bei dem Klebeetikett um eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). „Beides erlaubt uneingeschränkt die Erwerbstätigkeit.“ Also auch die Absolvierung einer Berufsausbildung oder eines (dualen) Studiums. Sollte eine Aufenthaltserlaubnis noch nicht vorliegen, jedoch eine sogenannte Fiktionsbescheinigung (Faltblatt), dann ist ebenfalls die Erwerbstätigkeit bereits erlaubt und die Person kann beschäftigt werden. „Die Fiktionsbescheinigung kann von der Ausländerbehörde vorübergehend bis zur tatsächlichen Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ausgestellt werden, um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu ermöglichen“, so die Fachfrau aus Münster. Sollte weder eine Aufenthaltserlaubnis noch eine Fiktionsbescheinigung vorliegen, sollte die aus der Ukraine vertriebene Person bei der zuständigen Ausländerbehörde um kurzfristige Ausstellung des einen oder anderen Dokuments bitten. „Die Einstellung ist erst rechtssicher möglich, wenn eine Fiktionsbescheinigung oder eine Aufenthaltserlaubnis vorliegt“, betont Hagedorn.
Zudem ist es möglich, dass Vertriebene einer Wohnsitzverpflichtung für ein Bundesland oder sogar für eine bestimmte Kommune unterliegen. „Wenn durch die Aufnahme einer Tätigkeit ein Umzug erforderlich wird, so ist dies zunächst bei der Ausländerbehörde am bisherigen Wohnsitz zu beantragen.“ Dem Zuzug muss zunächst durch die Ausländerbehörde am „begehrten Wohnort“ zugestimmt werden. „Wenn durch die Aufnahme der Erwerbstätigkeit der Lebensunterhalt gesichert wird, wird die Ausländerbehörde in der Regel dem Umzug zustimmen.“ Soweit der Lebensunterhalt nicht selbst sichergestellt werden kann, sollte Kontakt zum Sozialamt aufgenommen werden. Im anderen Fall ist das Bürgeramt erste Anlaufstelle. „Erst nach der Unterbringung durch das Sozialamt oder die Anmeldung beim Bürgerservice kann bei der Ausländerbehörde die Aufenthaltserlaubnis beantragt werden“, sagt Annika Hagedorn.


Formelle Anerkennungen

Grundsätzlich dürfen Menschen aus der Ukraine jede Art der beruflichen Tätigkeit aufnehmen. „Es bestehen jedoch in einigen Berufen gewisse Zugangsbeschränkungen“, sagt Bayer. Zu solchen gehören die sogenannten reglementierten Berufe und Branchen, etwa Medizin, Bildung und Rechtswissenschaften. „Die Bildungsabschlüsse in diesen beruflichen Bereichen erfordern eine formelle Anerkennung.“ In anderen (nicht-reglementierten) Berufen ist es dagegen möglich, direkt die Arbeit aufzunehmen. „Dabei gibt es grundsätzlich keine staatlichen Vorschriften bei der Berufszulassung.“ Die Expat-Expertin empfiehlt jedoch eine Gleichwertigkeitsprüfung, z.B. durch die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) oder die IHK FOSA (Foreign Skills Approval).
Der Großteil der Geflüchteten aus der Ukraine sind Frauen. Die meisten von ihnen sind zusammen mit ihren Kindern gekommen. „Das bedeutet, dass Schulzugang und Kinderbetreuung wichtige Grundvoraussetzungen für die Arbeitsintegration der Eltern sind“, so Svitlana Bayer. Dies sollte von Unternehmen ebenfalls beachtet und unterstützt werden. „Dazu befinden sich viele Geflüchtete in einer schwierigen psychologischen Situation oder haben Traumata durch die Flucht erlitten. Dieser Aspekt ist von den Arbeitgebern nicht zu unterschätzen.“ Ansonsten sollten Unternehmen bei der Anstellung von ukrainischen Fachkräften lediglich die üblichen sozialversicherungsrechtlichen Aspekte beachten und die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen im Vorfeld besprechen, um insbesondere Missverständnisse aufgrund der fehlenden Sprachkenntnisse zu vermeiden.
Generell hätten die Ukrainerinnen und Ukrainer eher geringeren Integrationsbedarf. „Sie verfügen oft über eine gute akademische oder professionelle Ausbildung, haben Arbeitserfahrung und sind lernwillig. Jedoch gehören zumindest grundlegende Deutschkenntnisse zu den wichtigsten Aspekten, um eine berufliche Tätigkeit in Deutschland aufnehmen zu können.“ Neben den offiziellen Sprachkursen könnte auch aus dem Kollegenkreis Unterstützung bei der Sprachvermittlung kommen und so bei der Integration helfen. „Denkbar und empfehlenswert wäre die Organisation von Tandem-Programmen, bei denen Teilnehmer einander die Sprache beibringen oder beim Lernen unterstützen. Solche unternehmerischen Maßnahmen können sowohl die Integration von ukrainischen Fachkräften in den deutschen Arbeitsmarkt als auch den Onboarding-Prozess fördern“, meint Bayer.
Daniel Boss | redaktion@regiomanager.de

Teilen:

Newsletter abonnieren

Newsletter abonnieren und Brancheninfos erhalten

Datenschutz*