Büro & Arbeitswelt

Konstruktive Kritik: Ehrlich sagen, was ist!

Konstruktive Kritik zuzulassen ist für viele Führungskräfte nach wie vor eine Herausforderung. Um das Unternehmen jedoch fit für die Zukunft zu machen, sind Vertrauenskultur und Fehlertoleranz unerlässlich.

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von Regiomanager 08.04.2019
Eine Vertrauenskultur ist eine wichtige Grundlage für eine erfolgreiche Unternehmensentwicklung. (Foto: © contrastwerkstatt – stock.adobe.com ) | Michael Otterbein

„Autoritärer Führungsstil hat noch nie funktioniert. Doch heute kann er die Existenz eines Betriebes bedrohen“, so Unternehmensberater Klaus Steinseifer, der sich auf die Unterstützung von Handwerksbetrieben spezialisiert hat. Er selbst hatte als junger Mann seinen Bankjob gekündigt, weil ihn sein Geschäftsführer wegen der Bestellung von zwölf Papierscheren anbrüllte – und er tat das, obwohl der Arbeitsmarkt damals nicht so rosig aussah. „Heute, in Zeiten des Fachkräftemangels, fällt so eine Entscheidung sehr viel schneller“, ist sich Steinseifer sicher. „Autoritäre Führung kostet täglich Geld und führt letztlich zu Kündigungen“, erklärt er. Zum einen gehen Mitarbeiter, die nur funktionieren, aber keine „Widerworte“ geben sollen, schnell in die innere Kündigung, was sich negativ auf ihre Leistung auswirkt, zum anderen schadet ein solcher Führungsstil der Mitarbeiterbindung, führt zu einer höheren Fluktuation und bereitet dem Unternehmen Probleme, dauerhaft neue, gute Leute zu finden. Denn ein schlechtes Image spricht sich schnell herum.

Autoritäre Führung kann Firmen in die Pleite treiben

Eine Studie der Universität Mannheim geht sogar noch einen Schritt weiter und kommt zu dem Schluss, dass autoritäre und rigide Führung ein wichtiger Grund für viele Firmenpleiten ist – neben fehlendem Controlling, Finanzierungslücken und schlechtem Debitorenmanagement. Ein ausgeprägt autoritärer Führungsstil ist hierbei laut Autorin Alexandra Graßler oft auf ein übergroßes Kontrollbedürfnis der Chefs zurückzuführen . Man misstraut seinen Mitarbeitern, delegiert wenig und ist nur sehr begrenzt offen für interne Kritik, um das Image des „unfehlbaren“ Chefs nicht zu gefährden. Trifft so ein Chefverhalten auf eine hierarchiegläubige Unternehmenskultur, werden auch offensichtliche Fehlentwicklungen lange mit dem „Mäntelchen des Schweigens“ bedeckt, was für die betroffenen Unternehmen ernsthafte Konsequenzen haben kann.

Negativbeispiel VW-Abgasskandal

Genau dieses Problem, dass Mitarbeiter nicht den Mut hatten, schwerwiegende Probleme unternehmensintern anzusprechen, führte bei einem der größten deutschen Unternehmen, der Volkswagen AG, zu einer veritablen Katastrophe, dem medienbekannten Abgasskandal. „Niemand hat sich getraut, etwas über den Betrug zu sagen. Und das liegt natürlich auch daran, dass Feedback in beide Richtungen – nicht nur von oben nach unten, sondern auch von unten nach oben – bislang im Unternehmen nicht richtig funktioniert“, sagt Hiltrud Werner, die nach dem Skandal als Vorstand für „Recht und Integrität“ eingesetzt worden ist. „Eine der größten Katastrophen war, dass das Thema zehn Jahre unentdeckt geblieben ist“, so die Vorstandsfrau. Daher wurde sie nun mit der Aufgabe anvertraut, eine Feedbackkultur ins Leben zu rufen, die mit dafür sorgen soll, dass so etwas nicht wieder passiert. „Die Mannschaft muss einfach verstehen, es lohnt sich, mitzudenken, mitzudiskutieren und dem eigenen Bauchgefühl auch insoweit zu vertrauen, dass es wert ist, den Mund aufzumachen“, ist Werner überzeugt.

Schuldzuweisungen vermeiden

Feedbackkultur scheint ein wichtiges Stichwort für erfolgreiche Unternehmen zu sein – ebenso wie Vertrauenskultur. Denn „ohne Kritik können wir uns nicht weiterentwickeln. Wer erfolgreich sein will, ist auf Kritik angewiesen“, so Arbeitspsychologieprofessorin Judith Volmer. Und das gilt natürlich gleichermaßen für positive wie für negative Kritik. Unreflektiertes Lob ist genauso wenig hilfreich wie persönlich angreifende Aggressionen. Feedbackkultur heißt dabei aber nicht, Feedbackgespräche als wiederkehrende Routineveranstaltung zu betreiben. Chefs und Mitarbeiter sollten vielmehr grundsätzlich in der Lage sein, wichtige Themen umgehend anzusprechen, wobei – siehe Volkswagen – die Schere im Kopf der Mitarbeiter genauso schädlich ist wie mangelnde Kritikfähigkeit seitens der Vorgesetzten. Diese „Sofortkultur“ kann dann natürlich trotzdem durch Jahresgespräche oder Ähnliches flankiert werden. Um ein geplantes – oder ungeplantes – Feedbackgespräch zu einem erfolgreichen Ergebnis zu führen, ist es nach Meinung von Lisa Oenning von karriere.de erforderlich, Unangenehmes anzusprechen, dabei aber zugleich Emotionen zu drosseln und Schuldzuweisungen zu vermeiden. „Loszupoltern oder Drohungen auszustoßen zeugt von schlechtem Führungsstil. Mit Botschaften wie ‚du musst dich ändern‘, ersticken Führungskräfte die Motivation ihrer Mitarbeiter“, so Oenning.

Ein Thema für Startups und Konzerne

Dass Feedback nicht nur für alteingesessene Konzerne eine Herausforderung ist, zeigt das Beispiel des Startups Trivago, dessen Mitarbeiterzahl inzwischen allerdings in die Richtung großer Mittelständler geht. Auf Hierarchien und Titel wird bei der Hotelsuchmaschine weitgehend verzichtet, man trägt Jeans und Turnschuhe und arbeitet gemeinsam im Großraumbüro. Mitgründer und Co-CEO Rolf Schrömgens ist überzeugt, dass flache Hierarchien und der Verzicht von Statussymbolen, wie sie in seinem Unternehmen gepflegt werden, eine gute Grundlage für eine Vertrauenskultur sind. Dass dieses Modell attraktiv ist, zeigen die Zehntausenden von Bewerbungen, die Trivago jedes Jahr erhält, wobei Arbeiten bei Trivago für Menschen aus traditionelleren Organisationen wohl eher gewöhnungsbedürftig ist. So liegt der Altersschnitt des Unternehmens derzeit auch bei 29 Jahren.

Vertrauen ist die Grundlage

Ob mit Jeans und Turnschuhen oder Anzug und Krawatte – Vertrauen ist die Grundlage jeder förderlichen Unternehmenskultur. Vertrauen, dass Kritik an Vorgesetzten nicht als „Majestätsbeleidigung“ betrachtet wird und Vertrauen, dass Mitarbeiter Ihren Job grundsätzlich gut ausführen wollen. Wie groß das Vertrauen in das eigene Unternehmen ist, zeigt sich spätestens dann, wenn Fehler zugegeben werden sollen. Gerade Deutschland wird hier nicht zufällig eine tiefsitzende Angst vor Fehlern – und noch schlimmer, dem Scheitern – nachgesagt, im Gegensatz zu den USA, wo Unternehmensgründer dafür bewundert werden, mit ihren Projekten mehrmals gescheitert zu sein, bevor sie Erfolg haben konnten. Wird dagegen auf Fehler reflexartig mit der Suche nach den Schuldigen und deren Bestrafung reagiert, wird sich kaum jemand ungeschützt aus der Deckung wagen. Dass sich hier auch bei uns etwas ändert, zeigt dagegen der deutsche Erfolg der ursprünglich aus Mexiko stammenden „FuckUp Nights“, in denen Unternehmer und andere Betroffene über ihre geplatzten Projekte bis hin zur Insolvenz sprechen. Zu den prominentesten Pleitengestehern zählt der heutige FDP-Chef Christian Lindner.
Damit es für Unternehmen gar nicht erst zum großen Scheitern kommt, ist es erforderlich, die Unternehmenskultur konsequent in Richtung Vertrauen und Fehlertoleranz zu entwickeln – und sich gegenseitig wirklich ernst zu nehmen. Letzten Endes wollen sowohl Mitarbeiter als auch Management , dass ihr Unternehmen floriert – um einen sicheren Arbeitsplatz zu haben und die Arbeit nicht nur als Pflichtübung zu betreiben, sondern sich mit Kraft und Kreativität einzubringen. Auch in Zeiten von New Work und zunehmender Flexibilität bedarf es in manchen Unternehmen dafür aber immer noch eines tiefgreifenden Kulturwandels. Wer sein Unternehmen fit für die Zukunft machen möchte, wird da aber nicht drum herumkommen.
Michael Otterbein | redaktion@regiomanager.deMichael Otterbein
| redaktion@regiomanager.de

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