Büro & Arbeitswelt

Zurück ins Büro – Rückschritt oder Notwendigkeit?

Die Corona-Pandemie hat die Arbeitswelt grundlegend verändert. Während viele Beschäftigte die Vorteile des Homeoffice zu schätzen gelernt haben, häufen sich nun die Forderungen, sie wieder ins Büro zurückzuholen.

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von Thomas Feldhaus 22.05.2025
Prof. Dr. Florian Kunze ist Inhaber des Lehrstuhls für Organizational Behavior am Fachbereich Politik- und Verwaltungswissenschaft der Universität Konstanz und leitet das Konstanz Future of Work Lab. Er ist Autor der Konstanzer Homeoffice-Studie.

Grundlegende Entwicklungen in der Arbeitswelt lassen sich selten an einem Datum festmachen. Das sollte sich am 16. März 2020 ändern. Mit der Verhängung des ersten Lockdowns zu Beginn der weltweiten Corona-Pandemie mussten Millionen von Arbeitnehmern von einem Tag auf den anderen an einem anderen Ort arbeiten. Homeoffice war die einzige Möglichkeit, die ab 22. März 2020 geltenden Kontaktbeschränkungen einzuhalten und gleichzeitig den Betrieb aufrechtzuerhalten.
Dabei ist Telearbeit keine neue Erfindung. Bereits in den 1960er Jahren gab es erste Versuche, produktive Arbeit von zu Hause aus zu erledigen. Dies galt jedoch meist nur für Programmiererinnen, um sie auch nach der Geburt eines Kindes weiter beschäftigen zu können. In den 1980er Jahren starteten Unternehmen wie Siemens Pilotprojekte für Heimarbeitsplätze – damals noch Telearbeit genannt. Der Durchbruch gelang jedoch erst mit der zunehmenden Digitalisierung der breiten Bevölkerung, auch wenn die Zahl der Beschäftigten in diesem Bereich noch sehr gering war. Mit der Corona-Pandemie sollte sich dies ändern und Homeoffice wurde auch in anderen Branchen zur Realität der Arbeitswelt.
Unternehmen fordern wieder mehr Präsenzpflicht

Die Diskussion um eine stärkere Präsenzpflicht der Beschäftigten hat im Jahr 2024 richtig Fahrt aufgenommen. Vorgeprescht ist Amazon CEO Matt Garman, der im Herbst eine umfassende Rückkehrpflicht ins Büro anordnete. Damit war er nicht allein, wie eine Studie der Beratungsgesellschaft KPMG aus 2023 zeigt. Dafür wurden weltweit 1325 CEOs großer Unternehmen befragt. Mehr als zwei Drittel rechneten damit, dass ihre Beschäftigten innerhalb der nächsten drei Jahre wieder vollständig ins Büro zurückkommen müssen. Das hält Prof. Florian Kunze von der Universität Konstanz für keine gute Idee. Nach seiner Einschätzung hat sich hybrides Arbeiten längst als zukünftiger Standard in zahlreichen Berufsfeldern durchgesetzt. „Das Interesse an hybriden Arbeitsmodellen, in denen sich Präsenz- und Remote-Arbeit flexibel kombinieren lassen, ist weiterhin sehr groß und gilt längst als zentraler Faktor für die Attraktivität von Arbeitgebern“, so Kunze. Dennoch zeigen auch seine Untersuchungen, dass die Rückkehr aus dem Homeoffice von Führungskräften stärker gefordert wird, als von den Beschäftigten.
Kunze hat in insgesamt 18 Befragungswellen die Entwicklung des Homeoffice seit der Corona-Pandemie bis heute untersucht. Die Ergebnisse sind in der sogenannten „Konstanzer Homeoffice-Studie“ zusammengefasst und werden regelmäßig aktualisiert. Durchschnittlich 2 bis 3 Homeoffice-Tage wünschen sich die Beschäftigten. Der Wert schwankte in den vergangenen Jahren leicht, hat in der aktuellen Befragung 2025 aber wieder leicht zugenommen.
Daran kommt auch Amazon nicht vorbei, auch wenn das Unternehmen für alle Beschäftigten ab Januar 2025 wieder eine 5-tägige Präsenzpflicht angeordnet hatte. Die musste Matt Garman allerdings schnell wieder einkassieren, denn dem Unternehmen fehlten schlicht die Bürokapazitäten für so viele Mitarbeiter. Doch auch ein anderes Problem wurde deutlich. Mehr als 90 Prozent der betroffenen Beschäftigten lehnten die Vorgabe ab. „Genau das ist ein großes Risiko“, sagt Florian Kunze, denn Unternehmen laufen dabei Gefahr, dass sie ihre besten Mitarbeitenden verlieren und nur jene verbleiben, die keine Ausweichmöglichkeiten haben. „Das kann aber kein Unternehmer oder CEO wollen“, so Kunze. Unternehmen sind also gut beraten, einen Mittelweg zu gehen und hybride Arbeitsmodelle mit klar kommunizierten Regeln zu verbinden.

Top-Argument für die Präsenzpflicht: die Produktivität

Unternehmen, die sich für eine stärkere Rückkehr ins Büro einsetzen, führen häufig Produktivitätsvorteile als ein zentrales Argument an. Das lässt sich aber tatsächlich nicht durch Studien belegen, eher scheint das Gegenteil der Fall. Dies deuten zumindest interne Untersuchungen an, die einige Unternehmen durchgeführt haben, diese aber meist nicht veröffentlichen. Vielmehr steigt dadurch die Bereitschaft, gemeinsam mit den Beschäftigten flexible Lösungen zu finden. Florian Kunze ist zudem davon überzeugt, dass Unternehmen, die mit einer Top-Down-Entscheidung auf eine Präsenzpflicht bestehen, am Ende sogar mit Produktivitätseinschränkungen rechnen müssen. Kunze mahnt die Unternehmen zu einem unvoreingenommenen Blick auf die einzelnen Tätigkeiten. Während für Beschäftigte, die oft mit ihren Kollegen kommunizieren müssen, Präsenztage durchaus von Vorteil sind, kann in anderen Bereichen, in denen kreativer oder konzentrierter gearbeitet wird, mit Heimarbeit bei der Leistungssteigerung gepunktet werden.

Florian Kunze führt zudem höhere Erschöpfungswerte bei den Beschäftigten ins Feld, sollten diese zur vollständigen Büropräsenz verpflichtet werden. In seinen Untersuchungen konnte er für die empfunden Belastung nahezu doppelt so hohe Werte feststellen, wenn die Beschäftigten aus dem Homeoffice zurückgeholt wurden. Als einen Grund nennt er die zusätzliche Belastung durchs tägliche Pendeln. Allerdings zeigt der neue Arbeitssicherheitsreport der Dekra, dass die Vorteile des Homeoffice auch Belastungen mit sich bringen. Zwar seien die Belastungen durch Viruserkrankungen infiziert zu werden deutlich geringer, aber mehr als zwei Drittel der Heimarbeiter arbeiten auch dann noch, wenn sie krank sind.

Die Studie „Office Analytics 2.0“ des Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO hat Typologien von Beschäftigten identifiziert und deren Relevanz für die Arbeitswelt, mit denen sich hybride Arbeitsmodelle entwickeln lassen, die den Anforderungen des Büroalltags gerecht werden. Dabei zeigt sich laut Studienautor Mitja Jurecic: „Der soziale Austausch mit Kollegen ist der Hauptgrund, ins Büro zu kommen“.

Die Zukunft gehört den hybriden Arbeitsmodellen

Die weit verbreitete Unterstellung, Beschäftigte würden am liebsten nur noch daheim arbeiten, hält der empirischen Überprüfung nicht stand. Vielmehr wünscht sich die Mehrheit klar geregelte hybride Arbeitsmodelle. In der aktuellen Konstanzer Studie sprachen sich drei Viertel der Befragten für diese Form aus, während nur 19 Prozent ausschließlich im Homeoffice arbeiten wollen und gerade einmal sechs Prozent eine vollständige Präsenzpflicht bevorzugen. Ein Grund könnte die Kostenersparnis sein, wie die Studie „State of Hybrid Work Report“ von Owl Labs zeigt. Demnach würden die Beschäftigten in Deutschland durchschnittlich 20 Euro mehr pro Tag ausgeben, wenn sie ins Büro müssen. Das sind Aufwendungen für Verpflegung, Pendeln und der obligatorische Kaffee-to-go.

Aus Sicht der Unternehmen ist aber ein anderer Aspekt entscheidend, denn inzwischen werden entsprechende Angebote und Regelungen von Bewerbern gefordert. Florian Kunze: „Hybride Arbeitsmodelle sind also kein nice-to-have, sondern gehören längst zu den zentralen Faktoren, die einen attraktiven Arbeitgeber auszeichnen.“ Entsprechend zeigt sich auch, dass die meisten Unternehmen in Deutschland keine vollständige Rückkehr ins Büro anstreben. DAX-Konzerne wie die Deutsche Telekom, Bosch oder SAP machen es vor uns nutzen diese Flexibilität zur Sicherung der Mitarbeiterzufriedenheit.

Das gilt auch für die Beschäftigten, die gar nicht von Homeoffice-Lösungen profitieren können. „Dies wird oft als Ungleichbehandlung empfunden“, sagt Florian Kunze. „Deshalb gehen immer mehr Unternehmen dazu über, auch in Bereichen, in denen eine Präsenzpflicht erforderlich ist, mit flexiblen Arbeitszeitmodellen ein Pendant anzubieten.“ Nur wenn Unternehmen dazu in der Lage sind, diese Gradwanderung erfolgreich zu bestreiten, werden sie auch in Zukunft noch geeignete Mitarbeiter finden, ist Kunze überzeugt.
Thomas Feldhaus | redaktion@regiomanager.de

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