Produktion

Product Development: Immer besser werden

Wie sollte eine sinnvolle Produktentwicklung aussehen?

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von Daniel Boss 18.03.2024
Optimieren, optimieren, optimieren – Produktentwicklung ist ein kontinuierlicher Prozess (© ­­­Lustre − stock.adobe.com)

An einer kontinuierlichen Produktentwicklung kommt heute keine produzierende Branche und Nische mehr vorbei. Das fängt bereits bei der Ausbildung der künftigen Ingenieure an, wie unter anderem das Beispiel der Hochschule Hamm-Lippstadt (HSHL) zeigt. Hier nimmt die Produktentwicklung im Bachelorstudiengang Gesundheits- und Sportingenieurwesen und dem darauf aufbauenden Masterstudiengang Product Development and Business Studies eine zentrale Rolle ein. Es fließen moderne Konstruktions- und Fertigungstechniken ein, um optimale technische Produkte für den Gesundheits- und Sportbereich zu entwickeln. Diese werden immer smarter und besitzen intelligente Sensoren, die Daten erfassen und an eine App weiterleiten oder Aktoren, die Bewegungen unterstützen, wie bei aktiven Exoskeletten.

 

User Experience im Fokus

 

Beim Product Development rückt die User Experience immer mehr in den Vordergrund. In Hamm steht seit Kurzem ein digitales Therapielabor für das neuromotorische Training zur Verfügung, um dort digitale Therapiegeräte aus verschiedenen Blickwinkeln zu erforschen, darunter die technischen Umsetzungen und Möglichkeiten aus Ingenieurssicht. „In diesem Labor erleben Studierende aus verschiedenen Studiengängen, wie erfolgreiche Produkte durch Gamification positive Emotionen wecken und somit den Lernprozess verbessern und ihn messbar machen“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Jens Spirgatis, Studiengangsleiter „Gesundheits- und Sportingenieurwesen“ an der HSHL.

 

Komplexität reduzieren

 

Wie aber sollten sich Unternehmen aufstellen, um eine kontinuierliche und erfolgreiche Produktentwicklung zu betreiben? „Aus Ingenieurssicht ist interne Expertise essenziell. Bei kundenzentrierten Produkten spielt agiles Projektmanagement eine große Rolle, zum Beispiel Scrum, um sich im Team transparent und kontinuierlich über den Produktentwicklungsprozess auszutauschen“, sagt Prof. Dr.-Ing. Petra Rolfes-Gehrmann, Studiengangsleiterin „Product Development and Business Studies“ an der HSHL. Hierbei würden gemeinsam kurzfristige, realistische Ziele gesetzt. „Auf diese Weise entsteht nicht nur eine hohe Identifikation mit dem Produkt, sondern auch eine kontinuierliche Wissenserweiterung über fachliche Themen, interne Abläufe und technische Möglichkeiten und Grenzen.“

Wenn es die Produktkomplexität erlauben sollte, empfiehlt Petra Rolfes-Gehrmann ein agiles Projektmanagement, um die User Experience möglichst früh einzufangen und Änderungen in den Produktanforderungen effizient in die Weiterentwicklungen umzusetzen. „Optimal wäre eine Einbindung der Kunden während des gesamten Produktentwicklungsprozesses und der späteren Nutzungsphase.“ Vermeiden sollte man hingegen ein „Overengineering“. Die technische Produktentwicklung neige zum Motto „Pizza mit allem“.  Dies führe oft zu erhöhten Kosten und Zeitverzug und gefährde die Usability. „Weniger ist mehr“, betont die Ingenieurin.

 

Product Lifecycle Management

 

Ein wichtiges Thema für die Produktentwicklung ist das „Product Lifecycle Mangement“ (PLM). Die Basis hierfür kommt aus der CAD-Datenverwaltung mit Datenaustausch, Zugriffsrechten, Baugruppenverwaltung, Visualisierung etc. Darüber hinaus entwickelt sich PLM aber auch in der Breite kontinuierlich weiter, die großen Systeme umfassen seit langem auch Themen wie Fertigungs- und Fabrikplanung, Qualitätsmanagement, Produktkostenberechnung, Zulieferintegration und vieles mehr.

„Ein großes Ziel ist dabei die Verwaltung aller produktbezogenen Daten und Informationen, idealerweise in einer zentralen und redundanzfreien Datenbank“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Sebastian Leibrecht vom Fachbereich Ingenieurwissenschaften der Hochschule RheinMain. „Dies umfasst neben klassischen CAD-Daten auch immer mehr den Einbezug elektronischer Komponenten und dazugehöriger Software.“ 

 

Digitaler Zwilling

 

Vor allem aus Gründen der Komplexität moderner Systeme und der Verantwortung über das komplette Produktleben hinweg steigt laut Sebastian Leibrecht die Nachfrage nach einer leistungsfähigen Integration des „Service Lifecycle Management“, in dem auch jedes einzelne ausgelieferte Produkt als digitaler Zwilling parallel gepflegt wird, inklusive Wartungen, Erweiterungen, Komponentenaustausch und Softwareupdates. „Erst hierdurch kann die aktuelle Konfiguration sowie der Wartungsbedarf ausgelieferter Produkte effektiv nachvollzogen werden.“

Im Sinne einer Optimierung der ökologischen Eigenschaften über den gesamten Produktlebensweg hinweg müssen neben der Fertigung auch Prozesse aus der Logistik, Nutzung und Entsorgung antizipiert und modelliert werden. „Auf dieser Basis können mit Ökobilanzen nach ISO 14040 auf die Funktion eines Produktes bezogene Emissionen und Umweltauswirkungen ermittelt und optimiert werden, inklusive aller Wechselwirkungen.“ 

Aktuell sei ein starker Trend zu beobachten, PLM-Systeme nicht mehr selbst zu betreiben, sondern dies an Fremdfirmen in einer Cloud auszulagern. 

„Neben dem reinen Auslagern bestehender Systeme auf fremde Infrastruktur arbeiten die großen PLM-Anbieter auch intensiv an teilweise komplett neuen Systemen, die von vornherein auf einen solchen Betrieb ausgelegt sind und oft auch durch die Softwareanbieter selber betrieben werden“, so Sebastian Leibrecht. „Hierbei wird in der Regel nicht mehr die Software in Form von Lizenzen erworben, sondern es wird ein eigener Bereich mit Benutzerzugängen in der Cloud der Anbieter gemietet.“

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Fotostrecke

Prof. Dr.-Ing. Sebastian Leibrecht ist an der Hochschule RheinMain tätig.

Prof. Dr.-Ing. Petra Rolfes-Gehrmann lehrt und forscht an der Hochschule Hamm-Lippstadt. (© HSHL / Helen Sobiralski)

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