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Keine Potenziale mehr verschwenden

Unternehmen drehen ständig an der Effizienz-Schraube. Dennoch verspielen sie Potenzial. Erkenntnisse aus dem Buch „Die große Potenzialverschwendung“ des ehemaligen SAP- Personalchefs Cawa Younosi.

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von Petra Walther 22.05.2025
(© master1305 – stock.adobe.com)

Jeder und jede von uns ist ein Talent. Davon ist Cawa Younosi überzeugt. Seiner Meinung nach werden viele Talente jedoch nicht entdeckt, weil bestimmte Menschen schlicht durchs Raster fallen, Schubladendenken vorherrscht. Der Personalexperte plädiert dafür, umzudenken, alternative Wege im Personalmanagement zuzulassen und sich mehr Zeit für die Entwicklung der Individuen zu nehmen.

Recruiting: Fokus auf Potenziale

Statt nur auf Abschlüsse, die vorhandenen Fähigkeiten und die Berufserfahrung zu schauen, rät Younose, den Blick stärker auf die Potenziale der Menschen zu richten. Das heißt unter anderem, Quereinsteigern eine Chance zu geben, „Wichtig ist, dass Bewerbende ein grundlegendes Interesse am Thema, Unternehmen und Job haben“, erläutert er. Ferner sollten der Willen und die Voraussetzungen zu lernen und sich weiterzuentwickeln vorhanden sein. Treffe dies zu, sei ein Quereinsteiger oder eine Quereinsteigerin in der Regel ein großer Gewinn für ein Unternehmen. Ein weiterer Vorteil ist laut Younosi, dass heterogenere Teams aufgebaut werden, die vielfältige Perspektiven ins Unternehmen bringen.

Stärken stärken

Auch bei den Menschen, die bereits im Betrieb arbeiten, wird laut dem HR-Experten zu wenig auf deren Potenziale geschaut. Dabei wäre es gerade am Anfang einer Zusammenarbeit sinnvoll, ein Auge auf die jeweiligen Stärken der Mitarbeitenden zu haben, um im Nachgang nicht nachbessern zu müssen. Entscheidend ist laut Younosi, die Talente durch passende Aufgaben und Projekte zu fördern. Zudem, ihnen die Möglichkeit zu geben, sich neuen und anspruchsvollen Aufgaben zu stellen, sodass sie ihre Potenziale entfalten, sich weiterentwickeln und über sich hinauswachsen können. Der ehemalige Personalleiter rät Unternehmen dazu, interne Fluktuation zu ermöglichen. Damit würden Mitarbeitende in neue Kontexte und Rollen gebracht, was sie im positiven Sinne herausfordere.
Wichtig bei alldem: Ein Umfeld des Vertrauens und der Zusammenarbeit zu fördern. Mitarbeitenden müssen ihre Ideen frei äußern und neue Ansätze ausprobieren können.

Ferner sollten die Mitarbeitenden selbst ihre Stärken und Entwicklungspotenziale erkennen können. Unternehmen tun daher gut daran, Selbstreflexion zu fördern – etwa, indem sie entsprechende Tools und Methoden anbieten. Sinnvoll zudem: ein strukturiertes Feedback-System einzuführen, das – anstelle eines großen jährlichen Mitarbeitergesprächs – regelmäßige, konstruktive und wertschätzende Rückmeldungen ermöglicht. In diesem Zusammenhang ist es Younose zufolge sinnvoll, Mitarbeitende dabei zu unterstützen, sich klare Entwicklungsziele zu setzen und diese kontinuierlich zu verfolgen.

Perspektivenmanagement statt Performance Management

„Es macht Sinn, mehr Zeit damit zu verbringen, die Menschen dort einzusetzen, wo sie am besten passen, anstatt sie in vorgegebene Rollen zu pressen“, betont der Personalexperte in seinem Buch und plädiert für Perspektivenmanagement statt Performance Management. Wissenschaftliche Untersuchungen hätten schon lange gezeigt, dass die Einteilung der Mitarbeitenden in sogenannte High Performer, Low Performer und Normal-Performer nicht helfe, um die Produktivität der Menschen zu erhöhen.

Führung mit Wertschätzung

Die richtige Passung zwischen dem Können sowie Wollen jedes Mitarbeitenden und ihrer Aufgabe im Unternehmen zu finden, setzt ein Interesse an den Mitarbeitenden voraus. Und es setzt voraus, sich für die Menschen im Betrieb Zeit zu nehmen. Insbesondere die Führungskräfte sind hier gefragt. Sie müssen laut Younosi genau hinschauen und Mitarbeitende zugewandt beobachten, um deren einzigartigen Fähigkeiten zu erkennen und sie entsprechend im Unternehmen einzusetzen. Wertschätzend mit den Mitarbeitenden umzugehen, auf ihre Besonderheiten und Bedürfnisse einzugehen, macht dem ehemaligen SAP-Personalchef zufolge gute Führung aus. Diese sei von zentraler Bedeutung, um Motivation bei den Mitarbeitenden freizusetzen. Die jährlichen Umfragen zum Engagement von Mitarbeitenden des Beratungsunternehmens Gallup unterstreichen das, zeigen sie doch immer wieder, dass schlechte Führungskräfte Mitarbeitende vergraulen und die Unternehmenskultur zersetzen. Umgekehrt trägt gute Führung dazu bei, eine produktive und nachhaltige Unternehmenskultur zu schaffen und Teammitglieder zu binden. Kommunikation spielt dabei eine der Hauptrollen: „Wir brauchen viel mehr Kommunikation zwischen den Führungskräften und den Mitarbeitenden. Die Führungskräfte sollten zu Sparringpartnern ihrer Mitarbeitenden für deren Zielerreichung werden“, so Younosi.

Migration und Integration im Blick

Wichtig ist nach Ansicht des HR-Experten auch, dass Führungskräfte ihre Teams für die Bedeutung von Vielfalt – insbesondere kultureller Art – in der Arbeitswelt sensibilisieren. Gelingende Integration von Menschen mit Migrationshintergrund sei ein direkter Beitrag im Kampf gegen den Fachkräftemangel. Sie sollte nicht nur Einzelpersonen betreffen, zielführend sei vielmehr, die Chancengerechtigkeit kulturell zu verankern, sodass sie über Generationen hinweg wirken kann. Von wesentlicher Bedeutung dabei: unbewusste Voreingenommenheit gegenüber Migranten zu entlarven. Younosi empfiehlt entsprechende Schulungen für HR-Mitarbeitende anzubieten. Ferner rät er unter anderem dazu, Mentorenprogramme zu initiieren, und die Präsenz von Mitarbeitenden mit Migrationshintergrund bei Unternehmensveranstaltungen und in Führungspositionen fördern. Denn sichtbare Diversität ziehe Menschen aller Kulturen an.

Altersdiskriminierung verhindern

Auch das Potenzial von Menschen über 50 Jahren bleibt Younosi zufolge wegen Voreingenommenheit oftmals ungenutzt. Ihnen werde kaum zugetraut, Neues zu lernen und Leistung zu erbringen. Altersdiskriminierung sei jedoch nicht nur unfair, sondern auch wirtschaftlich unklug. „Eine ausgewogene Altersstruktur fördert Zusammenarbeit und Innovation – und sie stellt sicher, dass wertvolles Know-how nicht verloren geht“, sagt der Personalexperte. Angesichts des demografischen Wandels und der steigenden Lebenserwartung sollten sich Unternehmen ernsthaft bemühen, eine Kultur zu schaffen, in der Menschen lange beschäftigt bleiben und Perspektiven erhalten.

Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Younosi rät insgesamt dazu, das Personalmanagement so zu gestalten, dass es den jeweiligen Lebensphasen der Mitarbeitenden entgegenkommt. Hinsichtlich älterer Mitarbeitenden bedeute das zum Beispiel, leistungserhaltende Gesundheitsprogramme zu etablieren. Für Mütter und Väter indes sollte die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglicht und entsprechende Ansätze wie flexible Arbeitsmodelle, Teilzeit-Führungspositionen oder betriebliche Kinderbetreuung angeboten werden. Summa Summarum stärkt dies die Mitarbeiterbindung, verhindert Burnout und führt zu einer geringeren Fluktuation und zu einer höheren Produktivität.
Petra Walther | redaktion@regiomanager.de

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Ex-SAP-Personalchef und Autor Cawa Younosi

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