Management

Online- Coaching: Online-Coaching vor dem Aus?

BGH entscheidet: Verträge ohne ZFU-Zulassung sind nichtig – Rückzahlungspflicht auch bei B2B

Avatar
von REGIO MANAGER 11.09.2025

Mit dem bahnbrechenden Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 12. Juni 2025 (Aktenzeichen III ZR 109/24) hat sich die rechtliche Landschaft für Online-Coaching-Anbieter in Deutschland grundlegend verändert. Das Gericht stellte klar, dass Online-Coaching-Verträge, die als Fernunterricht im Sinne des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG) einzustufen sind, einer Zulassung durch die Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) bedürfen – und zwar unabhängig davon, ob der Vertragspartner ein Verbraucher oder ein Unternehmer ist. Fehlt diese Zulassung, sind die Verträge nichtig, und bereits geleistete Zahlungen müssen vollständig zurückerstattet werden. Diese Entscheidung erschüttert die Coaching-Branche, die sich bisher oft auf die Annahme gestützt hatte, dass das FernUSG nur für Verbraucher gilt und Unternehmerverträge davon ausgenommen sind.

Der konkrete Fall

Das BGH-Urteil betrifft konkret ein mehrmonatiges Online-Coaching-Programm, das aus Videomodulen, Aufgabenstellungen, Gruppen-Calls und persönlichem Feedback bestand. Der Kläger, ein selbstständiger Unternehmer, hatte die Rückzahlung des Coachinghonorars gefordert, da das Programm seiner Meinung nach als Fernunterricht einzustufen und mangels ZFU-Zulassung nichtig sei. Der BGH gab ihm recht und bestätigte, dass der Schutzbereich des § 7 FernUSG nicht auf Verbraucher beschränkt ist. Vielmehr gelten die Vorschriften des FernUSG auch für Verträge mit Unternehmern, sofern die formalen Voraussetzungen des Fernunterrichts vorliegen. Damit hat das Gericht eine Rechtslücke geschlossen, die bisher von vielen Anbietern genutzt wurde, um sich der Zulassungspflicht zu entziehen. Die Konsequenzen für die Coaching-Branche sind weitreichend. Bisher gingen viele Anbieter davon aus, dass ihre Programme, sofern sie sich an Unternehmer richten, keiner Zulassung bedürfen. Doch das BGH-Urteil macht deutlich, dass es nicht auf die Zielgruppe, sondern auf die Art des Angebots ankommt. Entscheidend ist, ob das Coaching-Programm systematisch Wissen oder Fähigkeiten vermittelt, asynchron abläuft und zumindest optional Feedback oder Fragen zulässt. Liegen diese Kriterien vor, handelt es sich um Fernunterricht im Sinne des Gesetzes, und eine ZFU-Zulassung ist zwingend erforderlich. Ohne diese Zulassung sind die Verträge nichtig, und Kunden können die Rückerstattung der gesamten geleisteten Beträge verlangen – selbst wenn sie bereits Teile des Coachings genutzt haben.

Rückwirkend nichtig

Besonders brisant ist, dass die Nichtigkeit des Vertrags rückwirkend eintritt. Das bedeutet, dass selbst dann, wenn ein Kunde bereits auf Videos zugegriffen oder an Live-Calls teilgenommen hat, der Vertrag ohne gültige ZFU-Zulassung rechtlich unwirksam ist. Die finanziellen Risiken für Anbieter sind enorm: Sie müssen nicht nur bereits erhaltene Zahlungen zurückerstatten, sondern können auch mit Bußgeldern und Vertragsstrafen konfrontiert werden. Zudem steigt das Risiko von Rückforderungen und Klagen, was die Existenz vieler Coaches und Anbieter von Online-Kursen bedroht.

Für Kunden, die Verträge mit Online-Coachings ohne ZFU-Zulassung abgeschlossen haben, eröffnet das Urteil neue Möglichkeiten. Sie können von ihrem Vertragspartner die Rückerstattung der geleisteten Beträge fordern und offene Zahlungen verweigern. Dies gilt sowohl für Verbraucher als auch für Unternehmer, die bisher oft annahmen, dass sie nicht vom Schutz des FernUSG erfasst sind. Die Entscheidung des BGH stärkt somit die Rechte aller Teilnehmer an Online-Coaching-Programmen und erhöht den Druck auf Anbieter, ihre Programme rechtssicher zu gestalten.

Die Rolle der ZFU

Die Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) prüft und vergibt die erforderlichen Zulassungen. Anbieter, die bisher ohne Zulassung agiert haben, müssen nun schnell handeln: Sie sollten prüfen, ob ihre Programme unter die ZFU-Pflicht fallen, und gegebenenfalls eine Zulassung beantragen. Zudem müssen sie ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und Marketingmaterialien anpassen, um rechtliche Risiken zu minimieren. Standardverträge und alte Muster, die bisher als rechtssicher galten, können nach dem BGH-Urteil unwirksam sein. Die Anforderungen an die Rechtskonformität steigen, und Anbieter müssen sich auf eine neue Ära der Regulierung einstellen.

Das BGH-Urteil hat auch Auswirkungen auf die Art und Weise, wie Coaching-Programme gestaltet werden. Viele Anbieter werden ihre Programme überarbeiten müssen, um sicherzustellen, dass sie entweder nicht unter das FernUSG fallen oder die erforderliche Zulassung erhalten. Dies kann bedeuten, dass sie weniger strukturierte oder weniger asynchrone Elemente anbieten, um die Zulassungspflicht zu umgehen. Allerdings birgt dies das Risiko, dass die Qualität und der Nutzen der Programme leiden.

Zäsur für die Branche

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das BGH-Urteil vom Juni 2025 eine Zäsur für die Coaching-Branche darstellt. Es schafft Klarheit darüber, dass das FernUSG auch für Unternehmer gilt und dass Online-Coaching-Programme, die systematisch Wissen vermitteln, einer ZFU-Zulassung bedürfen. Anbieter, die diese Pflicht ignorieren, riskieren nicht nur die Nichtigkeit ihrer Verträge, sondern auch finanzielle und rechtliche Konsequenzen. Kunden hingegen profitieren von einem gestärkten Schutz und können im Zweifel die Rückerstattung ihrer Zahlungen verlangen. Die Branche steht vor der Herausforderung, sich an die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen anzupassen und gleichzeitig innovative und qualitativ hochwertige Coaching-Angebote zu entwickeln.

Für die Zukunft bedeutet dies, dass Anbieter von Online-Coaching-Programmen ihre Geschäftsmodelle kritisch hinterfragen und gegebenenfalls anpassen müssen. Die ZFU-Zulassung wird zum entscheidenden Faktor für die Rechtssicherheit und den Erfolg von Online-Coaching-Angeboten. Gleichzeitig bietet das Urteil die Chance, die Qualität und Transparenz in der Branche zu erhöhen und das Vertrauen der Kunden in digitale Lernangebote zu stärken. Die Coaching-Wende durch den BGH ist somit nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine qualitative Herausforderung, die die Branche nachhaltig verändern wird

Teilen:

Newsletter abonnieren

Newsletter abonnieren und Brancheninfos erhalten