86 Prozent der deutschen Unternehmen haben derzeit offene Stellen, die sie nur schwer besetzen können. Der Fachkräftemangel hat laut der ManpowerGroup-Studie 2025 einen neuen Höchststand erreicht – und Deutschland belegt damit weltweit einen Spitzenplatz unter den am stärksten betroffenen Ländern. Doch was zunächst wie eine ausweglose Situation erscheint, bietet gleichzeitig eine historische Chance: Automatisierung durch Künstliche Intelligenz, Low-Code-Plattformen und Robotic Process Automation (RPA) kann Unternehmen dabei helfen, den Personalmangel nicht nur zu kompensieren, sondern sogar gestärkt aus der Krise hervorzugehen.
KI-Revolution erreicht den Mittelstand
Die gute Nachricht: Die Technologie ist längst reif für den Mittelstand. Jedes fünfte Unternehmen in Deutschland nutzt bereits Technologien der Künstlichen Intelligenz, wie das Statistische Bundesamt 2024 mitteilt. Besonders bemerkenswert: Laut der Studie fehlt 60 Prozent der Unternehmen Personal mit den erforderlichen digitalen Kompetenzen, um die Digitalisierung voranzutreiben, so der Digital Office Index 2024 des Bitkom. Dennoch besteht vor allem bei Technologien wie Big Data und KI noch Nachholbedarf: Nur 28 Prozent der Unternehmen nutzen bisher KI oder maschinelles Lernen, obwohl 60 Prozent annehmen, dass diese Technologien helfen könnten, den Fachkräftemangel zu verringern.
Insgesamt geht gut jedes dritte Unternehmen davon aus, dass KI den Fachkräftemangel in Deutschland abmildern kann. „Künstliche Intelligenz kann eine IT-Abteilung nicht ersetzen. KI kann aber IT-Fachkräfte bei den unterschiedlichsten Aufgaben unterstützen und zum Beispiel bei Problemen und Fragen aus dem Team oft ebenso gute Unterstützung bieten wie ein menschlicher Support“, erklärt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. „KI kann zudem bei eher langweiligen Aufgaben oder solchen, die eine langanhaltend hohe Konzentration erfordern, helfen.“
Low-Code macht Automatisierung demokratisch
Neben KI revolutionieren Low-Code- und No-Code-Plattformen die Automatisierungslandschaft. Diese Technologien versprechen eine drastische Reduzierung des Programmieraufwandes und machen Automatisierung für Unternehmen zugänglich, die sich keine eigene IT-Abteilung leisten können oder wollen. Eine No-Code-Entwicklungsplattform erlaubt es Nutzern, selbstständig RPA-Anwendungen zu bauen, ohne Programmierkenntnisse zu benötigen. Die einzelnen Bausteine lassen sich auf einem grafischen Interface mittels Drag & Drop zusammenklicken.
Der Markt reagiert entsprechend: Analysten wie Gartner und Forrester erwarteten für 2024 ein Marktvolumen von über 12 Milliarden US-Dollar – ein deutlicher Anstieg gegenüber 2023. Diese Entwicklung zeigt: Flexibilität und Agilität werden mittlerweile in allen Branchen erwartet, und Low-Code-Lösungen bieten genau das.
RPA: Der digitale Mitarbeiter, der nie müde wird
Robotic Process Automation eignet sich hervorragend für die Automatisierung repetitiver Geschäftsaufgaben. RPA-Bots arbeiten rund um die Uhr und kennen keine menschlichen Schwächen wie Müdigkeit oder Konzentrationsschwäche. Studien zufolge setzen bereits rund zwei Drittel der Unternehmen in Deutschland auf automatisierte Lösungen – insbesondere in Logistik, Lagerhaltung und Fertigung. Die Vorteile sind messbar: Unternehmen berichten von gesteigerter Produktivität, Zeitersparnissen und deutlichen Kosteneinsparungen seit Einführung der Automatisierung. Ein Beispiel liefert die Hannoversche Volksbank: Dort übernimmt ein RPA-Bot die Verarbeitung von rund 100.000 Datensätzen pro Monat, darunter Kreditkartenkontolöschungen, SEPA-Mandate oder standardisierte Rückmeldungen der Bundesbank – Prozesse, die zuvor zahlreiche Mitarbeitende beschäftigten. Heute laufen sie weitgehend fehlerfrei, schnell und rund um die Uhr ab (Quelle: UiPath).
NRW als KI-Vorreiter
Nordrhein-Westfalen positioniert sich gezielt als führender KI-Standort. Die Kompetenzplattform KI.NRW des Landes bietet umfassende Unterstützung für Unternehmen und „baut Nordrhein-Westfalen zu einem bundesweit führenden Standort für angewandte KI aus“, so die offizielle Strategie. Das Zukunftszentrum KI NRW unterstützt kleine und mittlere Unternehmen durch praxisnahe Beratung und Weiterbildung.
Wirtschaftsministerin Mona Neubaur betont: „Ein starker Mittelstand braucht starke Innovationen und kreative Lösungen, um auch bei steigendem Wettbewerbsdruck weiterhin bestehen zu können. Künstliche Intelligenz hilft uns, nicht nur Prozesse effizienter zu gestalten, sondern gänzlich neue Märkte zu erschließen.“
Die 80-Prozent-Formel
Doch wie realistisch ist das Versprechen, 80 Prozent der Routineaufgaben zu automatisieren? Experten sehen dies durchaus als erreichbar an, wenn Unternehmen systematisch vorgehen. Die Schlüssel zum Erfolg liegen in der intelligenten Kombination der drei Technologien: KI für komplexe Entscheidungsprozesse und Datenanalyse, Low-Code für die schnelle Entwicklung maßgeschneiderter Anwendungen ohne Programmieraufwand und RPA für repetitive, regelbasierte Aufgaben. Wichtig dabei: Es geht nicht um die komplette Ersetzung menschlicher Arbeitskraft, sondern um die Befreiung der Mitarbeiter von langweiligen, fehleranfälligen Routinetätigkeiten. Dadurch können sich Fachkräfte auf strategische, kreative und kundenorientierte Aufgaben konzentrieren – genau die Tätigkeiten, die auch in Zukunft menschliche Expertise erfordern.
Hürden überwinden
Trotz aller Chancen bestehen noch Hindernisse. Das Statistische Bundesamt nennt als häufigste Gründe für den Nichtgebrauch von KI: fehlendes Wissen, Unklarheit über die rechtlichen Folgen und Bedenken hinsichtlich der Wahrung des Datenschutzes. Hier setzt die Politik an: Mit Programmen wie „Mittelstand.innovativ!“ fördert NRW gezielt kleine und mittlere Unternehmen bei der Digitalisierung und bietet Zuschüsse bis zu 15.000 Euro pro Vorhaben.
Der Weg nach vorn
Die Botschaft ist klar: Automatisierung ist kein Luxus mehr, sondern überlebenswichtig. Unternehmen, die jetzt nicht handeln, riskieren, von der Konkurrenz abgehängt zu werden. Gleichzeitig war der Einstieg noch nie so einfach wie heute. Moderne Low-Code-Plattformen ermöglichen es auch technischen Laien, erste Automatisierungsprojekte umzusetzen, während spezialisierte Beratungsangebote wie das Zukunftszentrum KI NRW den Weg ebnen.
Die Zukunft gehört den Unternehmen, die Mensch und Maschine intelligent miteinander verbinden. Wer heute den Grundstein legt, wird morgen nicht nur den Fachkräftemangel bewältigen, sondern auch nachhaltiger und effizienter wirtschaften können.
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