Management in NRW

AI-Act: Hemmschuh mit Wettbewerbsvorteil

Die europäische KI-Verordnung bringt nicht nur Pflichten mit sich, sondern schafft auch Rechtssicherheit und Wettbewerbsvorteile.

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von REGIO MANAGER 16.09.2025 Anzeige
(© ­­­beast01 − stock.adobe.com)

Am 2. August 2025 trat die nächste Stufe des europäischen AI Act in Kraft – und plötzlich ist das Thema in jedem Unternehmen angekommen. Was lange als ferne Zukunftsmusik galt, wird nun zur konkreten Realität: Wer KI nutzt, muss Regeln befolgen. Doch anstatt in Panik zu verfallen, sollten NRW-Unternehmer diese Entwicklung als das begreifen, was sie tatsächlich ist: eine einmalige Chance.

 

Endlich Klarheit statt Chaos

„Der AI Act bietet Unternehmen, die Künstliche Intelligenz bereits einsetzen oder ihren Einsatz planen, Leitplanken zur Orientierung“, erklärt Dr. Christian Temath, Geschäftsführer von KI.NRW. „Nun ist es wichtig, die europäische KI-Verordnung so auszugestalten, dass die Unternehmen eine Planungssicherheit bekommen und den innovativen Einsatz von KI voranbringen können.“ Genau diese Planungssicherheit hat bisher gefehlt. Während Unternehmen in den USA nach dem Motto „Move fast and break things“ vorangeprescht sind, herrschte in Europa oft Unsicherheit: Welche KI-Anwendungen sind erlaubt? Was passiert, wenn etwas schiefgeht? Wie schütze ich mich vor rechtlichen Risiken? Der AI Act beantwortet diese Fragen erstmals einheitlich für alle 27 EU-Mitgliedsstaaten.

Dass bereits über 80 Prozent der NRW-Unternehmen KI einsetzen – wie die REGIO MANAGER-Studie unter 651 Unternehmern aus dem März 2025 zeigte –, macht deutlich: Die Technologie ist längst Alltag geworden. Trotzdem gaben damals über 80 Prozent der Befragten an, sich nicht oder nur unzureichend mit den KI-Schulungsverpflichtungen des AI Act befasst zu haben. „Der AI Act macht klar: KI-Strukturen gehören zur Zukunft. Wer jetzt erste Schritte geht, kann nicht nur Vorgaben erfüllen, sondern KI auch gezielt für sich nutzen“, sagt Dr. Lorenz Gräf, Geschäftsführer des Startplatz AI Hub in Köln.

 

Mehr als nur Compliance: Der Wettbewerbsvorteil

Die neuen Regeln bringen nicht nur Pflichten mit sich, sondern schaffen auch Vorteile. Wer heute die AI-Act-Anforderungen erfüllt, positioniert sich als vertrauenswürdiger Partner – gegenüber Kunden, Geschäftspartnern und Mitarbeitern. „Der AI-Act soll fördern, anreizen und einen verlässlichen Rechtsrahmen setzen“, betont Frank Schultz aus dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr. „Gleichzeitig muss die KI-Regulierung die Grundlage für Zusammenarbeit auf nationaler und internationaler Ebene bilden.“

Konkret bedeutet das: Unternehmen, die ihre KI-Systeme regelkonform aufsetzen, können diese auch problemlos europaweit einsetzen. Ein einheitlicher Standard ersetzt den bisherigen Flickenteppich nationaler Regelungen. Das senkt Kosten und eröffnet neue Märkte.

Besonders interessant wird es bei der Schulungsverpflichtung: Der AI Act fordert, dass alle Mitarbeiter, die mit KI-Systemen arbeiten, über entsprechende Kompetenzen verfügen müssen. Was zunächst wie eine lästige Pflicht aussieht, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als Investition in die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Denn gut geschulte Mitarbeiter nutzen KI nicht nur sicherer, sondern auch effizienter.

„KI kann nur dann erfolgreich im Unternehmen ankommen, wenn alle an Bord sind. Wissen und Weiterbildung sind der Schlüssel, um Unsicherheiten abzubauen und KI sinnvoll zu nutzen“, betont Dr. Lorenz Gräf, Geschäftsführer des Startplatz AI Hub in Köln. Das deckt sich mit den Erkenntnissen der REGIO MANAGER-Studie: Fehlendes Know-how der Mitarbeiter wurde von fast der Hälfte der Befragten als größter Hemmschuh für KI-Projekte genannt.

 

Die Bundesnetzagentur übernimmt das Ruder

In Deutschland wird die Bundesnetzagentur die zentrale Rolle bei der Umsetzung des AI Act übernehmen. Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, macht deutlich: „Wir wollen eine leistungsfähige digitale Infrastruktur fördern und einen digitalen Raum schaffen, der wettbewerbsfähig und sicher ist.“ Die Behörde hat bereits die Kompetenzen für KI-Standardisierung, Datenmanagement und Marktüberwachung gebündelt und ein KI-Service-Desk eingerichtet.

Für NRW-Unternehmen ist das eine gute Nachricht: Die Bundesnetzagentur bringt jahrelange Erfahrung in der Regulierung digitaler Technologien mit und soll nicht nur kontrollieren, sondern auch beraten – insbesondere kleine und mittlere Unternehmen. Ein One-Stop-Shop-Prinzip soll bürokratische Hürden niedrig halten.

Die Industrie- und Handelskammern fordern von der Politik eine „innovations- und wirtschaftsfreundliche Ausgestaltung des AI Act in Deutschland“, um „die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe zu gewährleisten“. Ein regionaler Flickenteppich wie bei der DSGVO soll vermieden werden.

 

Was konkret zu tun ist

Die gute Nachricht: Für die meisten Unternehmen sind die Anforderungen überschaubar. Der AI Act folgt einem risikobasierten Ansatz – je höher das Risiko einer KI-Anwendung, desto strenger die Auflagen. Die wenigsten mittelständischen Unternehmen nutzen Hochrisiko-KI-Systeme. Dennoch gibt es drei zentrale Handlungsfelder: Erstens müssen Unternehmen eine Bestandsaufnahme ihrer KI-Nutzung machen. Welche Tools werden verwendet? Fallen diese unter den AI Act? Zweitens sind Transparenzpflichten zu beachten. Wenn Kunden oder Mitarbeiter mit KI-Systemen interagieren, müssen sie darüber informiert werden. Drittens – und das ist die wichtigste Neuerung seit August 2025 – müssen alle Mitarbeiter, die mit KI arbeiten, entsprechend geschult werden.

 

Sanktionen: Hart, aber fair

Wer die Regeln missachtet, muss mit empfindlichen Strafen rechnen. Bei Verstößen gegen verbotene KI-Praktiken drohen Bußgelder von bis zu 35 Mio. Euro oder sieben Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Das klingt dramatisch, ist aber im Kontext zu sehen: Diese Höchststrafen gelten für schwerwiegende Verstöße wie den Einsatz verbotener Überwachungstechnologien oder Social Scoring-Systeme.

Für die allermeisten Mittelständler sind solche Systeme ohnehin nicht relevant. Bei kleineren Verstößen – etwa unvollständiger Dokumentation – fallen die Sanktionen deutlich moderater aus. Zudem haben die Aufsichtsbehörden angekündigt, im ersten Umsetzungsjahr „mit Augenmaß“ zu agieren.

 

 

AI Act Compliance: Ihre 7-Punkte-Checkliste

1. KI-Inventar erstellen:

Erfassen Sie alle KI-Anwendungen im Unternehmen: ChatGPT, Marketing-Tools, CRM-Systeme, Personalauswahl-Software. Auch scheinbar harmlose Browser-Plugins können KI enthalten.

2. Risikobewertung durchführen: Kategorisieren Sie Ihre KI-Systeme:

Minimalrisiko (meist Standard-Software), begrenztes Risiko (Chatbots, Empfehlungssysteme) oder Hochrisiko (Personalwesen, Kreditvergabe, medizinische Diagnostik).

3. Verbotene Praktiken prüfen: Stellen Sie sicher, dass Sie keine manipulativen KI-Systeme, Gesichtserkennung ohne Einverständnis oder Emotionserkennung am Arbeitsplatz einsetzen. Bei Verstößen drohen bis zu 35 Mio. Euro Bußgeld.

4. Mitarbeiter schulen:

Dokumentieren Sie KI-Schulungen für alle betroffenen Mitarbeiter. Inhalte: technisches Grundverständnis, ethische Prinzipien, rechtliche Vorgaben. Zertifizierung ist nicht nötig, Dokumentation schon.

5. KI-Kompass entwickeln:

Erstellen Sie interne Leitlinien: Welche KI darf wie genutzt werden? Wer ist verantwortlich? Wie gehen Sie mit Datenschutz um? Ein KI-Beauftragter kann koordinieren.

6. Dokumentation vorbereiten:

Hochrisiko-KI-Systeme brauchen ab August 2026 umfassende Dokumentation: Funktionsweise, Trainingsdaten, Risikomanagement, Qualitätssicherung. Fangen Sie früh an.

7. Beratung nutzen:

Kostenlose Hilfe gibt es beim KI-Service-Desk der Bundesnetzagentur, bei KI.NRW oder den örtlichen IHKs. Bei komplexen Systemen lohnt sich professionelle Rechtsberatung.

 

Wichtige Termine:

• Seit Februar 2025: Verbote gelten,    KI-Kompetenz ist Pflicht

• Seit August 2025: Aufsichtsbehör-       den aktiv, erste Bußgelder möglich

• Ab August 2026: Hochrisiko-KI-      Systeme vollständig reguliert

• Ab August 2027: Auch bestehende    Systeme müssen konform sein

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