KONJUNKTUR
Wirtschaftsbarometer bleibt gedämpft
Das Konjunkturbarometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) sinkt im August leicht auf 92 Punkte. Nach einem Zwei-Jahres-Hoch im Juni ist es bereits der zweite Rückgang in Folge. „Die Erholung der deutschen Wirtschaft ist derzeit ein äußerst zartes Pflänzchen“, warnt DIW-Konjunkturexpertin Geraldine Dany-Knedlik. Zwar sind große Unsicherheiten durch die Einigung zwischen EU und Trump-Administration im Zollstreit sowie die Verabschiedung der Bundeshaushalte 2025 und 2026 etwas kleiner geworden. Doch strukturelle Probleme trüben die Aussichten weiterhin. Besonders die sinkende internationale Nachfrage nach deutschen Produkten bereitet Sorgen. „Der Außenhandel verliert mehr und mehr an Bedeutung für die deutsche Wirtschaft“, so Dany-Knedlik. Umso wichtiger wird die inländische Nachfrage. Für mittelständische Unternehmen in NRW bedeutet das: Die Abhängigkeit von Exporten nimmt ab, lokale und nationale Märkte gewinnen an Relevanz. Die Bundesregierung steht unter Druck, ihre ambitionierten Ausgabenpläne schnell umzusetzen.
Fiskalpolitik soll Impulse geben
Das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) sieht trotz der Stagnation im ersten Halbjahr 2025 Grund für verhaltenen Optimismus. Nach dem BIP-Rückgang von 0,3 Prozent im zweiten Quartal rechnet das HWWI für das Gesamtjahr 2025 mit einem Wachstum von 0,25 Prozent und für 2026 mit 1,5 Prozent. „Die neue Regierung hat erst im Mai ihre Arbeit aufgenommen und die Wirtschaft hat zunächst deren Reformvorhaben abgewartet“, erklärt das Institut die Zurückhaltung. Inzwischen seien erste Maßnahmen zur Verbesserung der Standortbedingungen eingeleitet worden. Die Verschuldungsmöglichkeiten für Infrastruktur und Verteidigung wurden bereits vor Regierungsantritt stark erweitert. Dies sollte die Zurückhaltung bei Investoren lockern und für Wachstumsimpulse sorgen. Der private Konsum stützt seit geraumer Zeit die Konjunktur. Für Unternehmen in NRW bedeutet dies: Die Binnennachfrage bleibt ein wichtiger Stützpfeiler, auch wenn weiterhin dämpfende Einflüsse von der Exportseite kommen.
DIHK fordert Herbst der Reformen
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) drängt angesichts der wirtschaftlichen Lage auf schnelle Strukturreformen. „Dieser Herbst 2025 muss der Herbst der Reformen werden“, fordert DIHK-Hauptgeschäftsführerin Helena Melnikov. Das Statistische Bundesamt hatte den BIP-Rückgang im zweiten Quartal von ursprünglich minus 0,1 auf minus 0,3 Prozent nach unten korrigiert. „Die deutsche Wirtschaft steckt tiefer in der Krise, als viele wahrhaben wollen“, warnt Melnikov. Die Abgabenlast müsse sinken, der Beschleunigungspakt endlich umgesetzt und die Verwaltung modernisiert werden. Entscheidend sei, dass Produktivität und Wirtschaftskraft schneller wachsen als die Sozialausgaben. „Das gelingt nicht mit Steuererhöhungen, sondern nur mit Strukturreformen.“ Für mittelständische Betriebe in NRW sind dies wichtige Signale: Planungssicherheit und bessere Rahmenbedingungen stehen im Fokus der wirtschaftspolitischen Debatte. Die DIHK verweist auf erfolgreiche Reformen in anderen Ländern wie Schweden, den Niederlanden und Dänemark.
PERSONAL & KARRIERE
Fachkräftemangel nimmt weiter zu
Das Problem, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden, wird für deutsche Unternehmen größer. Das ergibt die jüngste ifo-Konjunkturumfrage. 28,1 Prozent der Firmen bekommen zu wenig qualifizierte Arbeitskräfte, nach 27,2 Prozent im April. „Der Fachkräftemangel hat leicht zugenommen – und das trotz einer anhaltend schwachen Konjunktur“, sagt ifo-Forscher Klaus Wohlrabe. Besonders betroffen ist der Dienstleistungssektor mit 33,7 Prozent der Unternehmen. In der Rechts- und Steuerberatung melden sogar 72,7 Prozent Schwierigkeiten bei der Fachkräftesuche – ein Beleg dafür, wie viele Unternehmen auf Unterstützung beim Umgang mit bürokratischen Anforderungen angewiesen sind. Eine Ausnahme bilden IT-Dienstleister: Der Anteil sank auf 21,3 Prozent, vor zwei Jahren lag er noch bei rund 50 Prozent. In der Industrie stieg der Anteil der betroffenen Unternehmen trotz zurückhaltender Personalplanung von 17,9 auf 19,3 Prozent. Für mittelständische Betriebe in NRW bedeutet das: Flexibilität bei der Personalsuche und gezielte Weiterbildung werden immer wichtiger. Der demografische Wandel wird das Problem weiter verschärfen.
Arbeitsmarkt-Stimmung verbessert sich
Das IAB-Arbeitsmarktbarometer steigt zum fünften Mal in Folge und liegt im August 2025 bei 100,7 Punkten wieder im positiven Bereich. „Zum ersten Mal seit über drei Jahren erwarten die Arbeitsagenturen ein Ende des Anstiegs der Arbeitslosigkeit“, erklärt IAB-Forscher Enzo Weber. Die Beschäftigungskomponente klettert auf 100,9 Punkte. „Die Beschäftigung könnte nach der Flaute wieder ein wenig mehr Fahrt aufnehmen“, so Weber. Gerade die Industrie bleibe aber unter Druck. Das European Labour Market Barometer verharrt bereits den vierten Monat in Folge bei 99,7 Punkten und zeigt damit einen leicht pessimistischen Ausblick für Europa. Für Unternehmen in NRW sind das ermutigende Signale: Die Arbeitsmarktsituation stabilisiert sich allmählich. Allerdings entwickelt sich Deutschland besser als der europäische Durchschnitt. Weber warnt: „Ohne konjunkturellen Schub treten die europäischen Arbeitsmärkte weiter auf der Stelle.“ Betriebe sollten sich auf eine schrittweise Verbesserung einstellen, aber weiterhin vorsichtig planen.
Ausbildungsmarkt bleibt problematisch
Der Ausbildungsmarkt leidet weiterhin unter einem deutlichen Mismatch. Im Juli waren bundesweit noch 182.000 bei den Arbeitsagenturen gemeldete Ausbildungsplätze unbesetzt, während 140.000 junge Menschen noch keinen Ausbildungsplatz gefunden hatten. „Seien Sie flexibel!“, appelliert BA-Vorstandsvorsitzende Andrea Nahles sowohl an Jugendliche als auch an Ausbildungsbetriebe. In vielen Handwerksberufen, in Bauberufen, im Verkauf oder in technischen Berufen wie Mechatronik gibt es deutlich mehr Stellen als Bewerber. Im Gegensatz dazu herrscht in beliebten Berufen wie technischer Mediengestaltung oder Tierpflege ein Bewerberüberschuss. Die Chancen auf einen Ausbildungsplatz unterscheiden sich je nach Schulabschluss: Hauptschülern stehen 60 Prozent der Stellen offen, Realschülern 93 Prozent und Abiturienten theoretisch alle Stellen. Für Betriebe in NRW bedeutet das: Offenheit für verschiedene Schulabschlüsse und gezielte Nachwuchswerbung in weniger bekannten Berufen können helfen, den Fachkräftenachwuchs zu sichern.
DIGITALISIERUNG & TECHNOLOGIE
Deutschland bei Digitalisierung nur Mittelfeld
Deutschland hat sich bei der Digitalisierung im EU-Vergleich zwar um zwei Ränge auf Platz 14 verbessert, liegt aber weiterhin unter dem EU-Durchschnitt. Das zeigt der neue Bitkom-DESI-Index. „Unter der Ampelregierung ist Deutschland digital zurückgefallen“, kritisiert Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst. Besonders schlecht schneidet Deutschland bei der digitalen Verwaltung ab: Rang 21 von 27 EU-Ländern. Nur 38 Prozent der Formulare sind mit bereits bekannten Daten vorausgefüllt, im EU-Durchschnitt sind es 71 Prozent. Bei digitalen Kompetenzen liegt Deutschland auf Platz 15. Nur 20 Prozent der Bundesbürger haben überdurchschnittliche IT-Fähigkeiten – acht Prozentpunkte unter dem EU-Durchschnitt. Positiv: Bei der digitalen Transformation von Unternehmen erreicht Deutschland Platz 8, vor allem durch schnellere Entwicklungen bei KI und Cloud-Nutzung. Für NRW-Unternehmen bedeutet das: Der Nachholbedarf ist groß, aber wer jetzt in Digitalisierung investiert, kann sich Wettbewerbsvorteile sichern. Die sehr hohen Stromkosten sind ein Nachteil für Rechenzentren und Netzbetreiber.
E-Mail-Sicherheit wird ausgezeichnet
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), eco – Verband der Internetwirtschaft und Bitkom haben eine „Hall of Fame der E-Mail-Sicherheit“ veröffentlicht. Rund 150 Unternehmen werden darin ausgezeichnet, weil sie sich zur Umsetzung moderner E-Mail-Sicherheitsmaßnahmen verpflichtet haben. Die Unternehmen setzen die Technischen Richtlinien TR-03108 und TR-03182 des BSI um, die für sicheren E-Mail-Transport und Authentifizierung sorgen. „Sichere E-Mail-Kommunikation ist ein zentraler Baustein für das Vertrauen in die Nutzung digitaler Dienste“, erklärt Prof. Norbert Pohlmann von eco. E-Mails sind für fast alle Bürger das digitale Zuhause und damit attraktive Zielscheibe für Cyberkriminelle. Unsichere E-Mails sind ein klassisches Einfallstor für Spionage und Betrug. Für Unternehmen in NRW ist dies ein wichtiges Signal: Wer seine E-Mail-Systeme absichert, schützt nicht nur die eigenen Geschäftsprozesse, sondern stärkt auch das Vertrauen der Kunden. Das BSI bietet mit dem E-Mail-Checker ein kostenloses Online-Tool, um die Sicherheit des E-Mail-Anbieters zu prüfen.
STANDORT & IMMOBILIEN
Kommunalwahl als Wirtschaftsfaktor
Die nordrhein-westfälischen Unternehmer sehen die Kommunalwahlen am 14. September 2025 als „ganz wichtiges Datum für die weitere wirtschaftliche Entwicklung im Land“. Arndt G. Kirchhoff, Präsident der Landesvereinigung der Unternehmensverbände Nordrhein-Westfalen (unternehmer nrw), fordert eine intensive wirtschaftspolitische Debatte über die Standortbedingungen vor Ort. Eine IW-Regionalstudie zeigt: Nachbargemeinden im Umkreis von wenigen Kilometern liegen sowohl in Niveau als auch Dynamik oft weit auseinander. „Dies ist auch ein beachtlicher Ausweis unterschiedlicher Qualität von Kommunalpolitik“, so Kirchhoff. Gemeinden mit niedrigen Gewerbesteuerhebesätzen, guter Wohnraumversorgung und überdurchschnittlicher Breitbandversorgung schneiden bei Arbeitsplätzen und Wirtschaftskraft besonders gut ab. NRW hat jedoch weiterhin zu wenige Gemeinden auf vorderen Plätzen im bundesweiten Vergleich. Kirchhoff appelliert an die Kandidaten: „Wir müssen den Kandidaten wirtschaftspolitisch auf den Zahn fühlen.“ Für Unternehmen wird die Standortwahl innerhalb von NRW durch unterschiedliche kommunale Rahmenbedingungen wichtiger.
US-Handelspolitik verunsichert NRW-Wirtschaft
Eine IHK-Blitzumfrage unter 952 nordrhein-westfälischen Unternehmen zeigt: Drei von vier Betrieben spüren negative Folgen der US-Handelspolitik. Bei Unternehmen mit US-Geschäft sind es sogar fast 90 Prozent. „Das ist ein klares Signal aus der Wirtschaft. Wir brauchen verlässliche Handelsbeziehungen“, erklärt IHK NRW-Präsident Ralf Stoffels. Besonders betroffen sind Maschinenbau, Metallindustrie und Großhandel. Auch Betriebe ohne eigenes US-Geschäft leiden indirekt über Kunden oder Zulieferer. Als größte Belastung nennen 81 Prozent der Unternehmen mit US-Geschäft handelspolitische Unsicherheiten und die Sorge vor neuen Zöllen. Der jüngste EU-USA-Handelsdeal sorgt nicht für Erleichterung: Nur fünf Prozent rechnen mit positiven Effekten, drei Viertel empfinden ihn als Belastung. Die Planungsunsicherheit führt dazu, dass jedes zweite Unternehmen mit US-Geschäft den Handel reduzieren will und 30 Prozent Investitionen vertagen. Für die stark exportorientierte NRW-Wirtschaft sind stabile transatlantische Beziehungen unverzichtbar.
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