Regio Manager: Herr Gutschke, die Energiepreise bleiben volatil. Welche Risiken sehen Sie für Unternehmen mit hohem Energiebedarf?
Philip Gutschke: Die Unsicherheit am Energiemarkt ist für viele Betriebe ein Problem, das direkt in die Kostenstruktur greift. Wer keine vertragliche Absicherung hat, muss mit starken Preisschwankungen leben. Gerade Unternehmen mit hohem Verbrauch, etwa in der Industrie oder im produzierenden Gewerbe, sehen sich dadurch erheblichen Risiken ausgesetzt. In NRW betrifft das sehr viele Mittelständler.
Der Marktvergleich von wattline zeigt auf, wie Unternehmen durch gemeinsame Beschaffung von Energie effektiv sparen können – ein Benchmark, der echte Transparenz schafft.
Regio Manager: Was ist der größte Fehler, den Unternehmen bei der Energiebeschaffung machen?
PG: Viele setzen nach wie vor auf klassische Festpreisverhandlungen zu bestimmten Zeitpunkten, ohne den Markt wirklich zu beobachten. Das ist riskant, weil man damit oft zu ungünstigen Konditionen einkauft. Erfolgreich ist, wer sich flexibel aufstellt und strategisch vorgeht, also verschiedene Beschaffungszeitpunkte nutzt, Risiken streut und den Markt aktiv beobachtet.
Regio Manger: Sie haben den Marktvergleich von wattline erwähnt. Welche Rolle spielt dieses Instrument konkret für eine strategische Energiebeschaffung?
PG: Der Marktvergleich von wattline bietet Unternehmen eine fundierte Basis, um ihre Einkaufskonditionen realistisch einzuschätzen. Anders als viele Vergleichsportale basiert er auf echten Abrechnungsdaten von rund 29.000 Mitgliedsunternehmen und vergleicht diese mit offiziellen Marktdaten. Die Daten reichen bis 2014 zurück und zeigen deutlich: Wer Teil einer Einkaufsgemeinschaft ist, kauft in der Regel deutlich günstiger ein.

Regio Manager: Haben Sie dazu ein Beispiel?
PG: Ja, ein sehr deutliches sogar: In nahezu jedem Jahr konnten wattline-Mitglieder im Durchschnitt günstiger einkaufen als der Marktpreis. Besonders in den Jahren 2022 und 2023, als die Energiekosten sprunghaft anstiegen, zahlten sie deutlich weniger: Während die Marktpreise stark in die Höhe kletterten, blieben die Preise innerhalb der Einkaufsgemeinschaft deutlich darunter – mit bis zu 39,5 % durchschnittlicher Ersparnis im Krisenjahr 2022.
Regio Manager: Warum sind Einkaufsgemeinschaften so wirkungsvoll?
PG: Weil sie mehrere Effekte kombinieren: Erstens erzielen sie durch die Mengenbündelung bessere Preise. Zweitens erfolgt die Beschaffung professionell gesteuert, also markt- und zeitoptimiert. Drittens profitieren die Mitglieder von Benchmark-Daten, die helfen, die eigene Position realistisch einzuschätzen. Viele Unternehmen unterschätzen, wie viel Transparenz allein schon wert ist.

Eine Einkaufsgemeinschaft bietet drei zentrale Vorteile: weniger Aufwand, bessere Konditionen und geringeres Risiko. Genau diese Effekte machen den Zusammenschluss für viele Mittelständler so attraktiv.
Regio Manager: Manche Unternehmen sind skeptisch, weil sie befürchten, Flexibilität einzubüßen. Wie begegnen Sie diesem Einwand?
PG: Das ist ein häufiges Vorurteil. In der Realität sind die meisten Modelle so gestaltet, dass Unternehmen trotz Mitgliedschaft individuelle Lösungen nutzen können. Beispielsweise können Teilmengen separat beschafft oder flexible Vertragslaufzeiten vereinbart werden. Der große Unterschied ist: Man profitiert gleichzeitig von der Sicherheit der Gemeinschaft und von maßgeschneiderten Elementen.
Regio Manager: Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in der Beschaffungsstrategie?
PG: Eine immer größere. Viele Unternehmen möchten nicht nur günstiger einkaufen, sondern auch einen Beitrag zur Energiewende leisten. Einkaufsgemeinschaften ermöglichen zunehmend auch den Zugang zu Grünstrom- oder PPA-Modellen. Damit können Firmen Kosten senken und gleichzeitig ihre Ziele für mehr Nachhaltigkeit in der Energiewende verfolgen. Das steigert die Akzeptanz bei Kunden, Investoren und Mitarbeitenden.
Regio Manager: Gibt es Risiken oder Nachteile?
PG: Klar, eine Einkaufsgemeinschaft kann nicht jeden individuellen Sonderwunsch abbilden. Aber für die meisten mittelständischen Unternehmen ist sie eine sehr sinnvolle Lösung, weil sie Aufwand spart, Risiken reduziert und nachweislich bessere Konditionen bringt. Wichtig ist, dass man auf einen erfahrenen Anbieter setzt, der den Markt versteht.
Regio Manager: Welche Tipps geben Sie Entscheidern mit hohem Energiebedarf?
PG: Erstens: Prüfen Sie regelmäßig Ihre aktuellen Konditionen anhand realistischer Vergleichsdaten. Zweitens: Steuern Sie Ihre Einkaufszeitpunkte und Mengen. Drittens: Nutzen Sie externe Expertise, wenn das Thema intern nicht sauber abgebildet werden kann. Energie ist heute ein strategischer Kostenfaktor, den man ernst nehmen sollte.
Regio Manager: Viele Entscheider fragen sich, wie sie intern Akzeptanz für neue Beschaffungsmodelle schaffen können. Was raten Sie?
PG: Transparenz ist hier der Schlüssel. Wenn Verantwortliche den Mitarbeitenden und Stakeholdern anhand konkreter Zahlen und Vergleiche zeigen können, wie groß die Vorteile einer Einkaufsgemeinschaft sind, wächst das Vertrauen. Wichtig ist auch, die Ziele klar zu kommunizieren: Es geht nicht nur um Einsparungen, sondern um Stabilität, Planungssicherheit und Nachhaltigkeit.
Regio Manager: Herr Gutschke, vielen Dank für das Gespräch.
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