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KI, Industrie und die Bedeutung der Datenhoheit

Die digitale Transformation der Industrie hat schon längst begonnen. Manufacturing-X, das digitale Ökosystem made in Germany, soll deutsche Unternehmen auf Dauer wettbewerbsfähig machen. Mehr noch: Deutschlands Rolle im globalen Wirtschaftsraum sichern.

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von Nicole Ziese 11.01.2024
(deagreez – stock.adobe.com)

Anfang des Jahrtausends galt Deutschland als Exportweltmeister. Heute ist China unangefochtener Exportweltmeister, Deutschland liegt hinter den USA auf Platz drei. Die Pandemie der vergangenen Jahre hat zudem die Verletzlichkeit von Lieferketten aufgedeckt. Zudem hat KI längst Einzug in die globale Wirtschaft gehalten und befindet sich zugleich noch in den sprichwörtlichen Kinderschuhen. Wer für die kommende Zeit seine wirtschaftliche Situation sichern möchte, muss sich diesen neuen Gegebenheiten stellen und darauf reagieren. Konkret bedeutet das, dass Unternehmen ihre Produktionsprozesse inklusive der gesamten Lieferketten digital abbilden müssen. Nur so können Produktionsprozesse vernetzt, Ressourcen optimiert und Innovationen effizient vorangetrieben werden. Dies stellt Unternehmen, selbst große Konzerne, vor enorme Herausforderungen in puncto Finanzen und Know-how. Hier setzt das Projekt Manufacturing-X der Bundesministerien für Wirtschaft und Klimaschutz sowie Bildung und Forschung an: Es handelt sich um eine gebündelte Initiative zur Digitalisierung der Lieferketten in der Industrie. 

Manufacturing-X: Der nächste Schritt in Richtung Industrie 4.0

Manufacturing-X ist eine Initiative, die unter dem Dach der Plattform Industrie 4.0 gemeinsam durch die deutsche Politik, die Wirtschaft sowie die Wissenschaft gestartet wurde. Es geht um den Aufbau einer datenbasierten Vernetzung der Wertschöpfungskette der Industrie, und das branchen- und länderübergreifend. Dr. Gunther Kegel, CEO der Pepperl+Fuchs Group und einer der Partner der Initiative, erklärt Manufacturing-X so: „Manufacturing-X beschreibt zunächst einmal einen sicheren, vertrauenswürdigen Datenraum, in dem Daten in Form offener, standardisierter Datenmodelle bereitgestellt und in unterschiedlichen, digitalen Geschäftsmodellen genutzt werden können.“ Auf diese Weise soll ein digitaler Innovationsraum entstehen, der den Weg zur Ausgestaltung resilienter, wettbewerbsfähiger und klimaneutraler Produktionen ebnen soll. Dies wird den Produktionsstandort Deutschland langfristig sichern, so das Ziel. Hintergrund ist, dass die Wirtschaftsstärke eines Unternehmens oder eines Landes nicht mehr nur von der Menge der produzierten und exportierten Güter abhängt, sondern vielmehr auch ganz maßgeblich von der Menge der verkauften produktbegleitenden, digitalen Dienstleistungen. „Viele neue, digitale Geschäftsmodelle scheitern heute an den großen Kosten der Integration firmenspezifischer, proprietärer Daten“, so Dr. Kegel. Das bedeutet, dass der Schritt in das digitale Industriezeitalter für einzelne Unternehmen alleine nicht zu bewerkstelligen ist. 

Grundlagen: Manufacturing-X baut auf Erfahrungen des Projektes Catena-X auf

„Die Digitalisierungsinitiative wird die Industrie in einem gesamten, souveränen Datenraum vernetzen, um die Wertschöpfungsketten zukünftig transparenter und resilienter zu gestalten“, so Henrik A. Schunk, Chairman of the Board von Schunk, einem der Unternehmen, die sich im Steering Commitee von Manufacturing-X engagieren.Der neue digitale Datenraum soll Unternehmen aus den Branchen, Chemie- und Pharmaindustrie, Maschinenbau, Lebensmittelindustrie, Elektroindustrie, Automobilindustrie sowie weiteren Industrien miteinander vernetzen. „Dabei sollen möglichst viele Elemente (…) aus Catena-X, dem ersten Datenraum der Automobilindustrie, übernommen werden“, erläutert Dr. Kegel. Bei Catena-X handelt es sich um ein 2021 mit Unterstützung der Bundesregierung gegründetes, unternehmensübergeifendes digitales Ökosystem. Dieses zielt darauf ab, Informationen innerhalb der automotiven Wertschöpfungskette sicherer, schneller und datensouverän auszutauschen. Damit ist Manufacturing-X die Ausweitung von Catena-X auf die gesamte, branchenübergreifende Industrie der Fabrikausrüster.

Manufacturing-X: Potentiale und potentielle Risiken

Die Branche der Fabrikausrüster in Deutschland besteht aus Maschinen- und Anlagenbauern, Komponentenherstellern, Unternehmen der Automatisierungstechnik sowie dem Bereich der industriellen Informations- und Kommunikationstechnik. Der Anteil der mittelständischen Unternehmen in dieser Industrie ist bedeutend. Das hat zur Folge, dass kaum ein Fabrikausrüster den Schritt in das digitale Industriezeitalter alleine beschreiten kann. Gleichzeitig sind gerade bei den KMUs die Vorbehalte gegenüber dem Verlust der Datensouveränität groß. Zu diesem Dilemma sagt Dr. Kegel: „Die so entstehende Datenökonomie (Manufacturing-X) soll gerade mittelständischen Unternehmen helfen, schnell und kostengünstig digitale Geschäftsmodelle zu realisieren, ohne jedes Mal auf Neue proprietäre Daten integrieren zu müssen.“ Und weiter: „Dafür spielen die neuen Möglichkeiten der KI die Rolle eines mächtigen, neuen Werkzeugkoffers, mit dem beispielsweise die proprietären, firmenspezifischen Daten auf offene Standards automatisch übertragen beziehungsweise ‚gemappt’ werden können.“ Zum Teil wird das Datenökosystem, das mit Manufacturing-X geschaffen werden soll, als „Amazon für Industriedaten“ bezeichnet. Durch die Bündelung der Kräfte aller beteiligten Unternehmen sowie der Wirtschaftsverbände und der Politik wird eine digitale Infrastruktur geschaffen. Diese ermöglicht die Vernetzung aller beteiligten Partner an einer Lieferkette, bietet Instrumente, um neue Produkte und Dienste zu entwickeln sowie diese zu vermarkten und bietet Schutz vor Cyberangriffen. Übertragen auf die analoge Welt lässt sich vielleicht folgender Vergleich finden, der die Möglichkeiten und die Notwendigkeiten von einem solchen Datenökosystem verdeutlicht: Kaum ein Unternehmen, vor allem kein mittelständisches Unternehmen, kann seine eigene Energieversorgung übernehmen. Dies wäre kostenineffizient und würde zu viele Ressourcen binden, die dann beim Kerngeschäft fehlen.Und schließlich soll das aus der Initiative Manufacturing-X hervorgehende branchenübergreifende Datenökosystem nicht nur Unternehmen der deutschen Industrie offen stehen. Da aber die Entwicklung von Deutschland ausgeht, erfährt „Made in Germany“ ein Revival. Denn das Ergebnis, darauf zielt die Initiative ab, ist ein internationales, branchenübergreifendes Datenökosystem, bei dem Deutschland die technischen, rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen definiert. 

Status quo und Ausblick: Wie es mit Manufacturing-X weitergeht

„Noch ist dieses internationale, branchenübergreifende Datenökosystem keine Realität, wie Henrik A. Schunk betont: „Manufacturing-X ist ein langfristiges Projekt, das einen kulturellen Wandel anstoßen und die Entwicklung der notwendigen Technologien für Ökosysteme vorantreiben wird.“Aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz heißt es auf Anfrage, dass sich die Initiative Manufacturing-X aktuell in der Antrags- und Bewilligungsphase der Förderrichtlinien befindet. Die Einreichungsfrist der Projektskizzen endet zum 31. Dezember 2023. Die Erfahrungen aus den in der Folge durchgeführten Projekten gilt es dann auszuwerten. Erst dann wird sich endgültig zeigen, wie die Einbindung aller Fabrikausrüster tatsächlich aussehen wird. Schon jetzt ist jedoch klar: Das digitale Industriezeitalter ist Realität. Welche Rolle Deutschland und die deutschen Unternehmen in diesem neuen Zeitalter spielen werden, wird jetzt entschieden. Es ist also keine Frage, ob sondern nur welches internationale, branchenübergreifende Datenökosystem kommt. Und wer bei diesem die Zügel in der Hand hält.

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Fotostrecke

(deagreez – stock.adobe.com)

Dr. Gunther Kegel, CEO der Pepperl+Fuchs Group (© Pepperl+Fuchs SE)

Henrik A. Schunk, Chairman of the Board von Schunk

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