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Wer auf der Ware sitzen bleibt …

Spezialanfertigungen bergen ein hohes, aber versicherbares Fabrikationsrisiko: Wenn der Kunde die bestellten Waren nicht abnimmt, ist die Ware unveräußerlich.

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von Regiomanager 01.05.2017
Foto: Shutterstock

Auch in wirtschaftlich guten Zeiten ist es durchaus an der Tagesordnung, dass ein Unternehmen Produkte liefert, der Abnehmer aber seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann. Gegen dieses unternehmerische Risiko kann man sich mit einer Kredit-Versicherung absichern. Kritischer wird es dann, wenn auftragsbezogen gefertigt wird und die Produkte, etwa im Falle einer Insolvenz des Abnehmers, anderweitig nicht oder nur sehr schwierig verwertet werden können. Für solche Fälle sollte die Kredit-Versicherung den Zusatzbaustein Fabrikationsrisiko beinhalten. Hierbei werden ausschließlich die sogenannten Selbstkosten für die anderweitig nicht verwertbaren Produkte versichert. Entgangener Gewinn bleibt außen vor.
Es ist aber kein spezifisches Problem der Kreditversicherung, dass ein Gut nach speziellen Käufervorgaben hergestellt wird und durch einen Schaden nicht mehr wie ursprünglich geplant verwendbar ist, auch wenn das Produkt selber nicht unmittelbar vom Schadenereignis betroffen ist. Nachfolgend stellen wir einige Beispiele dar, die sich auch darin unterscheiden, wie sich solch ein Fabrikationsrisiko für den Verkäufer, Käufer und „Selbstnutzer“ darstellen kann.

Beispiel: Großschaden bei Zulieferer

Ein Zulieferer für Steuerungskomponenten einer Werkzeugmaschine wird durch ein Großschadenereignis (Brand, Überschwemmung, Erdbeben o.Ä.) bis auf Weiteres lieferunfähig. Der Anlagenbauer der Maschine versucht, bei anderen Zulieferern die Platinen zu beziehen. Aufgrund der erforderlichen Spezifikation stellt sich heraus, dass dies lediglich der Ursprungslieferant gewährleisten kann. Bis auf die Steuerung ist die Anlage bereits fertiggestellt und könnte ausgeliefert werden. Aufgrund der Ungewissheit der Lieferzeit sieht sich der Endabnehmer nach alternativen Möglichkeiten um und teilt dem Maschinenbauer mit, dass er vom Auftrag aufgrund gesetzlicher oder einzelvertraglicher Regelungen zurücktritt. Gleichzeitig verlangt er die bereits vertraglich geleisteten Abschlagszahlungen zurück.
Aus der klassischen Betriebsunterbrechungs-Versicherung werden unserem Maschinenbauer der aus dem Auftrag entgangene Gewinn sowie seine fixen Kosten erstattet, sofern in seinem Vertrag Rückwirkungsschäden durch Zulieferer mitversichert sind. Da es sich bei der Anlage um eine Einzelfertigung (Sondermaschine) handelt, hat der Maschinenbauer aber nunmehr eine Anlage halb fertig oder nahezu fertig bei sich im Werk, ohne sie anderweitig veräußern oder nutzen zu können. Die bereits angefallenen Kosten für Zukaufteile hat er sozusagen umsonst aufgewendet. Nur wenn das Maschinenbauunternehmen eine sehr gut ausgestaltete Betriebsunterbrechungs-Versicherung abgeschlossen hat, kann er in einem gewissen Maße auch auf Entschädigung für das wertlose Halbfertigfabrikat hoffen, denn Roh-/Hilfs- und Betriebsstoffe sind nicht originärer Gegenstand einer Betriebsunterbrechungs-Versicherung.

Beispiel: Gebäudeeinsturz beim Abnehmer

Analog verhält es sich, wenn der Abnehmer der Sondermaschine die Anlage aufgrund einer eingestürzten Produktionshalle nicht abnehmen kann und somit der Maschinenbauer ebenfalls sein bereits gefertigtes Produkt nicht an den Mann bringen kann. Hier ist auch ein Schadenszenario auf Seiten des Gebäudeeigentümers denkbar, wenn er vertraglich zur Abnahme der Sondermaschine verpflichtet ist.
Sein Maschinenpark nähert sich dem Laufzeitende und er bestellt eine neue gleichartige Anlage, die ausschließlich für seinen Betrieb nutzbar ist. Für die gesamte Produktion genießt er trotz zwischenzeitlich erfolgten, weitergehenden behördlichen Auflagen Bestandsschutz. Noch vor der Auslieferung der Maschine stürzt seine Produktionshalle ein und er muss nach neuesten Umweltrichtlinien wieder aufbauen. Die bereits beim Lieferanten fertig produzierte Anlage ist für ihn wertlos, er muss sie aufgrund vertraglicher Verpflichtung dennoch abnehmen und bezahlen.

Beispiel: Feuer bei Maschinenbauer

Ein Sondermaschinenbauer hat schon große Teile seines Großauftrages fertiggestellt. Ihm fehlt lediglich noch eine letzte Komponente, die ausschließlich auf einer Spezialsäge in seiner Metallbearbeitung zugeschnitten wird. Durch einen Defekt an der Elektrik der Säge brennt diese ab und die bereits annähernd fertiggestellte Maschine kann nicht vollendet werden. Nun tritt der Endabnehmer, wie in Beispiel I dargestellt, vom Auftrag zurück und die fast fertige Anlage verbleibt im Lager des Maschinenbauers.

Beispiel: Ware auf dem Transportweg

Der Zulieferer erstellt nach spezifischen Vorgaben für den Kunden ein System aus Rohren, Ventilen und Sensoren. Auf dem Transportweg gerät die Sendung außer Kontrolle und ist nicht mehr auffindbar. Da das Material zur Fertigstellung einer Produktionsanlage dringend benötigt wird, werden die fehlenden Teile in Sonderschichten neu gefertigt. Die vermisste Sendung wird wieder aufgefunden, ausgeliefert und die Nachfertigung nicht mehr benötigt. Das Fabrikationsrisiko liegt darin, dass die spezielle Ware doppelt produziert, aber nur einmal benötigt wurde. In diesem Fall muss zuerst im Kaufvertrag geprüft werden, wer auf dem Transportweg das Risiko der Beschädigung, des Verlustes oder der Verzögerung getragen hat und wer damit die Kosten für die Nachproduktion übernehmen muss. Dies ist in erster Linie eine Frage zwischen Verkäufer und Käufer, da das Transportunternehmen nicht die Gefahrtragung hat, sondern lediglich im Rahmen der Gesetze und seiner Geschäftsbedingungen beschränkt haftet.

Beispiel: Lieferunfähig bei Saisonware

Ein weiteres Beispiel ist der Textilhersteller, der den Auftrag erhält, für ein großes Modehaus die Sommerkollektion des Folgejahres herzustellen. Er bezieht Stoffe, Knöpfe usw. in großem Maße und stellt entsprechende Halbfertigteile her. Als letzter Produktionsschritt muss er nur noch die Reißverschlüsse einbringen. In diesem Bereich ist das Textilunternehmen auf einen bestimmten Zulieferer fokussiert. Dessen Produktionsstätte wird im Februar durch ein starkes Erdbeben derart in Mitleidenschaft gezogen, dass er seine Produktion nicht fortführen und auch das Lager seiner bereits hergestellten Reißverschlüsse aus Sicherheitsgründen nicht begangen werden kann. Daraufhin kann unser Textilhersteller die Kleidung nicht fertig produzieren und bleibt auf den Halbfertigfabrikaten sitzen, da die Sommerkollektion ausschließlich in der aktuellen Saison zu veräußern ist. Auch hier sind die Marge und auch die nicht durch Umsatz zu erwirtschaftenden Fixkosten von der Betriebsunterbrechung bis zur Höhe der vereinbarten Limits für Rückwirkungsschäden durch Zulieferer erfasst. Aber was ist mit den sonstigen angefallenen Kosten?

Beispiel: Investitionsrisiko Produktionsmaschine

Ein Hersteller von Kunststoffspritzgussteilen investiert aufgrund eines Großauftrages in eine neue Maschine. Auf dieser Anlage kann er ausschließlich die Produkte für seinen Neukunden aus der Nahrungsmittelindustrie fertigen. Ein Sturmereignis deckt beim Abnehmer das komplette Dach ab, sodass dessen Fertigung nicht sichergestellt ist. In der Folge verliert dieser seinen Auftrag an einen Wettbewerber und nimmt die Kunststoffteile nicht mehr ab. Die Großinvestition in die Fertigungsanlage ist für den Kunststoffspritzer somit wertlos. In welchem Umfang ist Versicherungsschutz zu erwarten?

Was ist zu tun?

Die vorgenannten Fallbeispiele verdeutlichen, dass das Fabrikationsrisiko deutlich detaillierter zu analysieren ist, als herkömmlich angenommen wird. Sicher befassen sich alle Unternehmen mit organisatorischen Maßnahmen wie z.B. Zwei-Lieferanten-Strategie, ausreichende Streuung des Kundenkreises oder Regelung der Gefahrtragung zwischen Käufer und Verkäufer. Aber zumeist verbleibt ein Restrisiko. Hier können möglicherweise Versicherungslösungen helfen.
Eine exakte Erfassung der Risiken muss im Vordergrund stehen. Beispielsweise ist da der Blick über den eigenen Fabrikzaun hinaus auf den zu versichernden Gefahrenkatalog zu nennen. Oder auch die Analyse des Versicherungssummenbedarfs. Danach bedarf es einer sachgerechten Ausgestaltung der Versicherungspolicen, um auch die hier dargestellten Risiken gegen Gefahren jenseits des über die Kreditversicherung abgedeckten Risikos der Insolvenz abzusichern. Der Erfahrungsschatz auf Beraterseite ist dabei sicher ein mehr als hilfreiches Werkzeug zur Ermittlung und Umsetzung des individuellen Versicherungsbedarfs. 

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