Management

Förderung statt Schmerzensgeld

Forderungen an Mitarbeiter sind schnell ausgesprochen. Die Kunst besteht aber darin, zwischen Forderung und Förderung die Balance zu halten, damit die Mitarbeiter motiviert bleiben.

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von Regiomanager 01.05.2017
(Foto: © contrastwerkstatt– stock.adobe.com) | Karin Bünnagel

Digitalisierung, Automatisierung und Rationalisierung – diese Schlüsselbegriffe bestimmen die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen. Stets gilt es, interne Prozesse anzupassen, um den wirtschaftlichen Anschluss nicht zu verpassen. Das bedeutet auch, Fach- und Führungskräfte zu erkennen und zu binden. Parallel dazu verändert sich die Einstellung der Beschäftigten zu ihrer Arbeit. Sie ist nicht mehr reiner Broterwerb. Es geht auch um Anerkennung, Selbstverwirklichung und um die Vereinbarkeit von Beruflichem und Privatem. Fachkräfte bestechen  durch ihr Know-how, Führungskräfte brauchen neben der Sach- auch eine hohe Sozialkompetenz. Um Mitarbeiter zu binden,  bedarf es einer hohen Arbeitszufriedenheit – hier ist vor allem das Betriebsklima ausschlaggebend – und einer kontinuierlichen Motivation. Schlussendlich bedeutet es, dass die Unternehmensziele mit den Ansprüchen der Mitarbeiter in Einklang gebracht werden sollten.
Unter Freunden bezeichnen Beschäftigte ihr Gehalt oder die Gehaltserhöhung gerne mal als Schmerzensgeld. Dabei geht es ihnen vorrangig nicht um die eigentliche Arbeitsbelastung, sondern vielmehr um das Miteinander – sei es in Bezug auf die Kollegen oder in Bezug auf den unmittelbaren Vorgesetzten. Eine Gehaltserhöhung bringt Glück, aber meistens nur kurzfristig. Motivierender als der monetäre Glückkeks, an den man sich schnell gewöhnt, sind psychologische Bedürfnisse wie soziale Bindung, Kompetenzerleben und Autonomie. Hier sind in großen, mittelständischen und kleinen Unternehmen Führungskompetenz und -kultur gefragt.
Über-, aber auch Unterforderung können Mitarbeiter im wahrsten Sinne krank machen – Burnout, ausgebrannt sein und Boreout, gelangweilt sein sind ebenso relevant wie Senseout, der Verlust der Sinnhaftigkeit des Jobs. Dem gegenübergestellt wird eine effektive Führungskultur. Das Beratungsunternehmen Gallup stellt in seiner aktuellen Studie zur Stimmung in deutschen Unternehmen heraus, dass sich nur jeder fünfte Studienteilnehmer von seinem Vorgesetzten zu hervorragenden Leistungen motiviert fühlt. Der Anteil der Mitarbeiter, die wegen ihres Chefs über eine Kündigung nachdachten, war genauso hoch. Im Gegenzug dazu schätzen die Führungskräfte zu 97 Prozent, dass sie selbst ein guter Vorgesetzter sind. Doch wie sieht eine gute Führungskultur eigentlich aus und vor allem: Wie kommt sie bei den
Mitarbeitern an?

Fordernde Führungskräfte

Die Hochschule Niederrhein hat letztes Jahr eine empirische Studie herausgebracht, die sich mit der „Führungskultur in Deutschland“ auseinandersetzt. Leiter der Studie war Professor Dr.  Alexander Cisik aus dem Fachbereich Wirtschaft-, Organisations- Arbeitspsychologie. Teilgenommen haben an der repräsentativen Studie 553 Arbeitnehmer, abgedeckt werden alle Unternehmensgrößen, Branchen und Hierarchieebenen. „Unter Führungskultur verstehen wir die Art und Weise, wie in einem Unternehmen geführt wird, wobei die Führungskultur eines Unternehmens insgesamt für uns mehr ist als die Summe der Führungsstile der einzelnen Führungskräfte“, so Cisik. Das Führungsverhalten haben die Berufstätigen mit einer durchschnittlichen Schulnote „drei“ benotet, also befriedigend. Manager im mittleren, gehobenen oder gar im Topmanagement bewerten ihre Vorgesetzten ein wenig besser als untergebene Mitarbeiter. Am größten ist die Kluft zwischen den Merkmalen „Meine direkte Führungskraft fordert von mir höchstes Engagement“ versus „bietet mir attraktive Perspektiven für die Zukunft“ oder „fördert meine individuelle Entwicklung“. Auch kritisieren viele Beschäftigte, dass ihr Chef seine eigenen Interessen für die Gruppe nicht oft zurückstellt. 88 Prozent der Befragten wünschen sich darüber hinaus einen Vorgesetzten, dessen Führungsverhalten ihren Erwartungen entspricht. Doch nur bei 33 Prozent ist dieser Wunsch bereits Realität.  
Professor Dr. Waldemar Pelz vom Institut für Management-Innovation berichtet in einem Vortrag, dass bis zu 80 Prozent der Deutschen mit ihrem Vorgesetzten nicht zufrieden sind. Die häufigsten Ursachen dafür sind: keine ausreichende Anerkennung der Leistung (32 Prozent), nicht in Entscheidungen eingebunden zu sein (29 Prozent) und dass die eigenen Vorschläge und Meinungen nicht hinreichend beachtet werden (24 Prozent).

Hoher Förderbedarf

Die Führungskultur eines Unternehmens lässt sich nicht von heute auf morgen ändern.  Es braucht ein paar Jahre, bis sich eine Kultur durchgesetzt hat – zwischen zweieinhalb und fünf Jahren. Wie Cisik in der Studie zur Führungskultur weiter feststellt, haben über 60 Prozent der Befragten einen Wechsel der Führungskultur im Unternehmen miterlebt. Ausschlagend dafür ist oft ein personeller Wechsel auf der Topmanagement-Ebene (66 Prozent) oder eine „harte“ Zielvorgabe wie die Verbesserung der Markt- bzw. Wettbewerbssituation (38 Prozent) oder des Betriebsergebnisses (36 Prozent). „Weiche“ Faktoren wie eine erhöhte Mitarbeiterzufriedenheit spielen zu 20 Prozent eine Rolle. Der Ausbau des Vertrauensverhältnisses zwischen Fachkräften und Mitarbeitern ist mit lediglich 17 Prozent relevant für eine veränderte Führungskultur.
Unternehmen, die an einer besseren Führungskultur arbeiten, schneiden laut der Studie allerdings in der Bewertung durch die Mitarbeiter nicht gut ab. Zwar werden die neuen Prozesse geplant und mit ausformulierten Zielen versehen, die Mitarbeiter empfinden den Wechsel jedoch oft  als autoritär, radikal und chaotisch – und geben ihrem Unternehmen die Schulnote „ausreichend plus“. Bemerkenswert ist jedoch, dass kleine und mittelständische Unternehmen bei der Umsetzung von beziehungsrelevanten Veränderungsprozessen zwischen Führungskraft und Mitarbeiter besser abschneiden als große Unternehmen.
Doch wie schaffen Unternehmen den Spagat, den eigenen Ansprüchen und denen der Beschäftigten gleichermaßen zu genügen? „Basis sollte ein zeitgemäßes Führungsleitbild sein, das dem Denken und Handeln der Führungskräfte Orientierung gibt“, so Cisik. Es gilt, die richtigen Mitarbeiter mit Führungspotenzial zu erkennen und in die entsprechende Position zu bringen. „Deren Führungsleistungen sollten regelmäßig gemessen und ihre Führungskompetenz kontinuierlich weiterentwickelt werden. Dann klappt‘s auch mit der Veränderung der Führungskultur …“

Karin Bünnagel | redaktion@regiomanager.de 

Karin Bünnagel
| redaktion@regiomanager.de

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