Management

Serie – Anders denken, Teil 2: „KMU sollten sich diesen Veränderungen nicht verschließen!“

Zweiter Teil der Serie „Anders denken“: Interview mit dem Siegener Professor Madjid Fathi, einem Experten im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) und Robotik.

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von Regiomanager 01.01.2017
Foto: © jim – stock.adobe.com

Die Arbeitswelt strukturiert sich gerade nicht nur neu, wie wir im ersten Teil der Serie beim Thema „Sharing Economy“ gezeigt hat. Auch ihre Akteure ändern sich zunehmend: Roboter und intelligente Systeme werden zukünftig noch stärker Teil unseres (Arbeits-)Lebens sein. Was manche Menschen als Jobkiller ansehen, betrachten andere als eine sinnvolle Ergänzung und Unterstützung. Wir haben Professor Madjid Fatih, Direktor des Instituts für Wissensbasierte Systeme und Wissensmanagement an der Universität Siegen, dazu befragt. Er arbeitet in zahlreichen Projekten an der Schnittstelle Mensch-Maschine, die auch kleine und mittelständische Unternehmen betreffen.

SWM: Wenn es um die Themen Künstliche Intelligenz und Robotik in der Arbeitswelt geht, beschleicht viele Menschen in Deutschland noch ein Unbehagen. Ist es berechtigt, oder profitieren wir insgesamt von dieser Entwicklung?

Madjid Fathi:
In der Regel sucht die Welt der Wissenschaft neue Ideen oder Ansätze, die den Arbeitsmarkt bei der Lösung von komplexen Problemen unterstützen und die Arbeitsprozesse entlasten, ohne die Mitarbeiter zu entlassen. Mittels KI-basierter Modelle werden menschliche Fähigkeiten simuliert und in den Bereichen eingesetzt, in denen Menschen allein nicht die Präzision oder die Schnelligkeit der Kombination von verschiedenen Aspekten umsetzen können. Die heutigen Werkzeuge in der Medizin und Feinmechanik können als gute Beispiele dienen, dass wir langfristig von KI profitieren. Der anfängliche Gedanke in der Gesellschafft, dass der Einsatz eine Rationalisierung bedeuten könnte, hat im Laufe der Zeit an Gewicht verloren. Es wird vielmehr auf intelligente Lösungen gesetzt, die eine Mensch-Maschine-Interaktionen unterstützen und so Lösungen von Problemen ermöglichen, die vorher nur mühsam oder manuell durchgeführt werden mussten. Teilweise etablieren sich sogar neue Branchen.

SWM:
Wie können zwei unserer Hauptprobleme hierzulande – Fachkräftemangel und alternde Gesellschaft – womöglich davon profitieren?

Madjid Fathi: Eine immer älter werdende Gesellschaft bedeutet heute eine Extralast für jüngere Mitarbeiter, auf der anderen Seite existiert nicht genug Potenzial für innovative und hoch qualifizierte Tätigkeiten. Dieser Mangel an Fachkräften kann die Wettbewerbsfähigkeit und die Gesamtwirtschaft des Landes beeinträchtigen. Hier wird der Bedarf an neuen Techniken mit mehr Innovation und kreativen, intelligenten Techniken notwendig, um die Mitarbeiter entsprechend zu entlasten und Raum für derartige Entwicklungen zu schaffen.

SWM: Welche Branchen werden besonders von der zunehmenden Automatisierung betroffen sein? Welche Berufsbilder werden ersetzt bzw. werden sich in den nächsten Jahren tief greifend ändern?

Madjid Fathi:
Automatisierung und computergestützte Lösungen werden heute in allen Branchen, bis hin zu privaten Haushalten, eingesetzt. Natürlich profitieren Branchen wie Medizin, Logistik, Produktionstechnik, Luft- und Raumfahrt oder auch das Militär am meisten hiervon. Intelligente Systeme werden z. B. in Zukunft die Pflege zu Hause unterstützen. Der Zustand von Pflegebedürftigen oder Demenzerkrankten kann in ihrer eigenen Umgebung überwacht werden, oder durch computergestützte Trainings kann eine längere Selbstständigkeit und Aktivität der Betroffenen erreicht werden. Auf diese Weise werden pflegende Angehörige, aber auch Pflegeheime entlastet, was im Zuge des demografischen Wandels einen immer mehr zu berücksichtigenden Faktor darstellt.

SWM: Und welche Berufsbilder bleiben auf absehbare Zeit in „Menschenhand“? Warum?

Madjid Fathi: Meines Erachtens wird der Mensch immer im Vordergrund bleiben und die wichtigste Rolle in der Mensch-Maschinen-Interaktion einnehmen. Unabhängig davon, wie weit sich die Technologie in den nächsten Jahren entwickeln wird, kann sie die Kreativität und Innovationskraft des Menschen nicht ersetzen. Der Mensch ist in der Lage, neue intelligente Maschinen oder Roboter zu bauen und nicht die Maschinen. Die Rechengeschwindigkeit wiederum ist ein entscheidender Faktor, welcher durch die Maschinen in den Arbeitsalltag eingebracht wird.

SWM: Richten wir unseren Blick auf die kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs). Was bedeutet diese Entwicklung speziell für sie?

Madjid Fathi: KMUs müssen aus meiner Sicht den Aspekt „Nachhaltigkeit” in den Vordergrund stellen, um langfristig im Wettbewerb bestehen zu können. Es müssen einige Faktoren berücksichtigt werden. Als Erstes sollte der Wert der erfahrenen Mitarbeiter nicht unterschätzt werden, da mit ihrem Verlassen einer Firma zumeist ein direkter Wissensverlust verbunden ist. Ein weiterer Faktor ist die Integration neuer Technologien, die die Möglichkeiten schaffen, bei der Entwicklung innovativer zu handeln. Ich bin sicher, das Industrieland Deutschland braucht KMUs, die auf das eigene Humankapital und dessen Wissen zurückgreifen, um so im starken Wettbewerb zu bestehen.

SWM: Die Bundesregierung ist bemüht, die KMUs bei dieser rasanten Entwicklung zu unterstützen – etwa mit sogenannten Mittelstand-4.0-Kompetenzzentren. Was können sie noch tun, um den Trend nicht zu verpassen und ihn individuell in ihren Betrieben umzusetzen?

Madjid Fathi: Die Bundesregierung hat schon begonnen, Kompetenzzentren zu fördern, besonders in Medizin und Pflege, wo es hauptsächlich um die Probleme geht, wie man mit der immer älter werdenden Gesellschaft umgehen kann. Im Hinblick auf Industrie-4.0-Umgebungen bieten sich auch kleinere Automatisierungen von Standardaufgaben in KMUs an. Es muss nicht zwingend alles mit Sensoren und einer Vollautomatisierung ausgestattet sein, sondern entsprechend dem Budget und den eigenen technischen Fähigkeiten der Mitarbeiter können individuelle, intelligente Lösungen eingesetzt werden. Im Rahmen der Industrie 4.0 gilt es, insbesondere für KMUs aufgeschlossen zu sein gegenüber den Veränderungen in den digitalisierten Arbeitsprozessen, der Vernetzung der immer größer werden Datenmengen. KMUs sollten sich diesen zunehmenden Entwicklungen nicht verschließen und die Veränderungen nicht verschlafen.

SWM: Wenn Roboter Entscheidungen treffen, die unser Leben maßgeblich beeinflussen – wie gehen wir ethisch damit um? Brauchen wir bald „Robotergesetze“?

Madjid Fathi: Egal wie weit hoch moderne Technologieroboter entwickelt werden und in unserem täglichen Leben Fuß fassen, werden sie meiner Meinung nach in nächster Zeit nicht den Menschen ersetzen, sondern ihn in der Erledigung seiner Aufgaben unterstützen. Sie werden uns durch die unterschiedliche Kombination und den Umgang mit Daten und Informationen behilflich dabei sein, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Aus meiner Sicht deutet die Mensch-Maschinen-Interaktion darauf hin, dass der Roboter simuliert, was wir ihm vorgeben. Es ist uns klar, dass heutige Roboter einige Aufgaben präziser, schneller und zeitgerechter erledigen können sowie in Bereichen eingesetzt werden, wo für uns Menschen Gefahren bestehen. Roboter werden in diesen Bereichen sogar neue Potenziale eröffnen und entgegen der allgemeinen Meinung keine Arbeitsplätze ersetzen, sondern lediglich Veränderungen und Verbesserungen anstoßen.

SWM: Professor Fathi, herzlichen Dank für das Gespräch!

Thomas Corrinth | redaktion@regiomanager.de

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