Management

Die Töchter sind da

Jahrzehntelang kamen Unternehmer-Töchter in mittelständischen Familienbetrieben für die Nachfolge des Patriarchen meist nur als „Notlösung“ infrage. Das hat sich geändert. Inzwischen sind die Töchter auf dem Vormarsch.

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von Regiomanager 01.04.2016
(Foto: © Karin & Uwe Annas – stock.adobe.com)

Die erste Erinnerung, die Caroline Hartmann-Serve an das Unternehmen ihres Vaters hat, ist ein Spiel, das sie mit Streichhölzern und Lochkarten spielte. Lochkarten – genau damit hatte 1965 alles begonnen. Der EDV-Fachmann Claus Hartmann gründet die Lochkartenverarbeitungsgesellschaft (LVG) mit Sitz in Mönchengladbach. Drei Jahre später besteht der Kundenstamm bereits aus 29 Unternehmen, 1969 sind es 41. Nur wenige Jahre später erwacht das Interesse von Tochter Caroline am Betrieb des Vaters.
„Ich fand die Firma schon als Kind faszinierend“, berichtet die heutige Firmenchefin. Ob sie diese aber einmal übernehmen würde, stand lange Zeit nicht fest. „Mein Vater hat mich nie gedrängt, ins Unternehmen einzusteigen“, berichtet Hartmann-Serve. Nach dem Abitur studiert sie erst einmal Betriebswirtschaftslehre, schließt auch eine Ausbildung zum System Engineer ab. „Nachdem ich einige Zeit lang Berufserfahrung bei einem US-amerikanischen IT-Konzern gesammelt hatte, habe ich gemerkt, dass ich gern schnell und zügig selbst Entscheidungen treffen wollte“, erzählt Hartmann-Serve. „So bin ich 1988 ins Unternehmen meines Vaters eingestiegen“, sagt sie.

Eine große Herausforderung

Nur zwei Jahre später, Caroline Hartmann-Serve ist gerade erst 27 Jahre alt, verstirbt ihr Vater. Nach seinem plötzlichen Tod steht die junge Frau vor einer schwierigen Entscheidung: Traut sie es sich zu, das Lebenswerk ihres Vaters fortzuführen? Sie macht es, übernimmt die Firma, führt sie ganz allein weiter. „Das war eine große Herausforderung“, sagt die Unternehmerin heute. Eine Frau in der IT-Branche war Anfang der 1990er-Jahre noch eine Seltenheit, in der Unternehmensleitung ebenfalls.
Doch Hartmann-Serve möchte den Angestellten feste Arbeitsplätze bieten, sie kämpft sich durch. „Natürlich stand bei den Mitarbeitern und Kunden am Anfang die Frage im Raum, ob eine Frau mit 27 Jahren es wohl schaffen könnte“, erinnert sich Hartmann-Serve. Doch mit der Unterstützung von Kollegen ihres Vaters schafft sie es. Heute hat das Rechenzentrum Hartmann, wie das Unternehmen inzwischen heißt, 50 Mitarbeiter und erzielte zuletzt einen Umsatz von mehr als drei Millionen Euro. Damit ist es doppelt so groß wie 1990.
Das Beispiel von Caroline Hartmann-Serve und ihrer Entscheidung für die Übernahme der väterlichen Firma war in den 1990er-Jahren ein mutiger Schritt, ein Ausnahmefall. Mittlerweile sind in mittelständischen Familienunternehmen die Töchter auf dem Vormarsch. Allerdings noch gar nicht so lange. Bis vor weniger als 15 Jahren galten sie für die Nachfolge des Firmenlenkers eher als „Notlösung“. Wissenschaftlichen Studien aus dieser Zeit zufolge durfte das Gros der Unternehmer-Töchter nur dann in die Fußstapfen des Patriarchen treten, wenn keine Brüder oder andere männliche Nachfolger zur Verfügung standen. Übernahm tatsächlich eine Frau die Firma des Vaters, so war dies meist im Dienstleistungssektor und auch nur in kleinen Unternehmen der Fall.
„Das ist heute anders“, sagt Dr. Daniela Jäkel-Wurzer. Sie ist Beraterin für Unternehmerfamilien und eine der beiden Gründerinnen der Initiative „generation töchter“. Dr. Jäkel-Wurzer selbst hat vor einigen Jahren zu diesem Thema promoviert und nannte ihre Untersuchung aufgrund der wenig positiven Ergebnisse „Töchter im Engpass“. „Unsere aktuelle Studie, die wir 2014 veröffentlicht haben, zeigt aber, dass sich die Situation verändert hat“, erklärt sie. Die Untersuchung mit dem Titel „Weibliche Unternehmensnachfolge – gestern, heute, morgen“ hat sie gemeinsam mit der zweiten Gründerin von „gerneration töchter“ Kerstin Ott erstellt. „Viele Unternehmer sehen ihre Töchter heute absolut nicht mehr als Notlösung“, sagt Ott. Im Gegenteil, sie führen die Firma in einer Übergangszeit gerne zusammen mit der künftigen Nachfolgerin, unterstützen diese bereitwillig in allen Fragen und lassen sie von der eigenen Erfahrung profitieren.

Vater-Töchter-Tandems
funktionieren gut

„Solche Vater-Töchter-Tandems funktionieren meist sehr gut“, erklärt Ott. In der Regel halten sie auch länger, als es mit einem Sohn der Fall wäre. „Frauen gehen nicht so leicht in Konkurrenz zum Vater, bringen ihm meist sehr viel Respekt und Wertschätzung entgegen und agieren kooperativer als Männer“, berichtet Dr. Jäkel-Wurzer. Während die Tochter in der Übergangszeit, bis sie den Chef-Posten allein antritt, den Vater als Mentor an ihrer Seite hat, bringt das Tandem auch dem Unternehmer etwas: Er kann die Geschäfte nach und nach übergeben – das macht den Abschied leichter.
„Ich glaube, so ein Tandem hätte zwischen mir und meinem Vater sehr gut geklappt“, ist Caroline Hartmann-Serve überzeugt. Er war Fachmann für Großrechner, sie konzentrierte sich auf die PC-Welt. „Die Kompetenzen wären klar abgegrenzt gewesen“, sagt sie. In der Tat ein ausschlaggebender Punkt. Ebenso wie eine zeitliche Begrenzung. „Den Töchtern fällt es oft schwer, sich aus der Zweierkonstellation zu lösen“, warnt Nachfolge-Expertin Dr. Jäkel-Wurzer. Trotz aller fachlichen Kompetenz haben sie zuweilen Angst davor, plötzlich ganz alleine an der Spitze des Unternehmens zu stehen. Die Väter wiederum können sich von ihrem Unternehmen nicht so leicht trennen. Das gilt umso mehr für Firmengründer, die sich mit ihrem Lebenswerk sehr stark identifizieren. „So hält sich oft über Jahre hinweg ein Tandem, das eventuell notwendige Innova­tionen, Investitionen oder wichtige Änderungen in der Unternehmenskultur verhindert“, sagt Dr. Jäkel-Wurzer.
Nicht alle Unternehmer-Töchter jedoch bilden ein Tandem mit ihren Vätern. Auch mit Geschwistern kann es funktionieren. Im Fall von Caroline Hartmann-Serve war es ihre Schwester Sabine, die sie ab 1997 tatkräftig unterstützte. „Bei uns sind die Kompetenzen auch klar abgegrenzt“, sagt die geschäftsführende Gesellschafterin. Ihre Schwester ist Leiterin Marketing und PR. Wäre es für die Unternehmer-Töchter, vor allem für Caroline Hartmann-Serve, leichter gewesen, wenn sie Unternehmer-Söhne gewesen wären? „Ich glaube eigentlich nicht“, sagt die Firmenlenkerin. „Es wäre anders gewesen, aber nicht unbedingt leichter.“ Und ihre Entscheidung, die Firma ihres Vaters weiterzuführen, hat sie nie bereut. Andrea Martens I redaktion@regiomanager.de

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(Foto: © Karin & Uwe Annas – stock.adobe.com)

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