Produktion

Automotive-Zulieferer (Metall): Der Kampf mit den Pfunden

Automotive und Metallbranche: Obwohl Sicherheit und Komfort immer mehr Zusatzteile erfordern, sind sich Zulieferer sicher: Eine generelle Gewichtsabnahme ist möglich.

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von Regiomanager 01.06.2018
Ein „normales“ Automobil besteht aus etwa 10.000 Einzelteilen. Die meisten werden aus Metall gefertigt Foto: nosorogua – stock.adobe.com

Der niederländische Künstler Paul Veroude hat die Einzelteile eines Formel-1-Mercedes’ von Michael Schuhmacher gezählt und sie dann, 3.200 Teile, an dünnen Drähten an die Decke gehängt. Ein Auto ist aber mehr als Kunst und besteht heutzutage, wenn wir von einem durchschnittlichen Pkw sprechen, aus bis zu 10.000 einzelnen Teilen, vom Auspuff bis zur Zylinderkopfdichtung. Je nach Größe und Ausstattung des Fahrzeugs können es auch mehr sein. Die Zahl der Einzelteile hat aber noch nichts mit Qualitätsansprüchen zu tun, entscheidend sind andere Aspekte, etwa das Gewicht. Gerade dort tut sich heute Erstaunliches. Um die avisierten Ziele bezüglich Verbrauch und CO2-Emissionen zu erreichen, werden die Verbrennungsmotoren optimiert, auch sollen die Autos leichter werden. 100 Kilogramm weniger Fahrzeuggewicht verringern den Treibstoffverbrauch um etwa 0,6 Liter/100 Kilometer. Leichtbaukonzepte setzen sich auf breiter Ebene durch. Eine wesentliche Grundlage für das Verringern des Bauteilgewichts und somit des Treibstoffverbrauchs, sind Stähle mit höherer Festigkeit, die gegenüber konventionellen Qualitäten eine Verringerung der Blechdicke bei gleichbleibender Strukturfestigkeit und verbessertem Crashverhalten aufweisen.

Überwiegend Metallbauteile

Die Wahl des Werkstoffs hängt stark von den Materialeigenschaften ab. Gewicht, Steifig- und Dehnbarkeit, Bruchgrenzen, Fertigungs- und Verarbeitungseigenschaften, Verfügbarkeit, Recyclingfähigkeit und vor allem Kosten sind wichtige Kriterien. Die meisten Bauteile im Automotive-Bereich sind aus Metall, eingesetzt werden immer mehr Metall-Legierungen aus Eisen und Aluminium oder Kunststoff, erklärt der TÜV Nord. Der weiß auch, woher die Bestandteile eines Automobils kommen.

Die Autobauer beziehen fast alle benötigten Teile von spezialisierten Zulieferfirmen aus der ganzen Welt: Bremsen und Reifen, Kühler und Pumpen, Lenkräder und Scheinwerfer, Radios und Navigationsgeräte. Der Standort Deutschland ist und bleibt Heimat der Zulieferunternehmen und bildet u. a. mit Südwestfalen, das als eine der stärksten Automotive-Zulieferer-Regionen Deutschlands gilt, auch den Produktions- und Entwicklungsschwerpunkt. Der Fokus der Automotive-Zuliefererindustrie liegt in Südwestfalen traditionell auf dem Bereich Metall. Aus Meschede kommt der Zwölf-Zylinder-Motorblock für die Luxusmarke Mercedes Maybach, aus Soest das Aluminium-Space-Frame für die Topmodelle von Audi, Jaguar, Ferrari und Lamborghini. Die Federn des Ferrari F1 kommen aus einer Finnentroper Schmiede und die Katalysatoren und Diesel-Partikelfilter werden in Menden gefertigt.

Die weit mehr als 500 Automotive-Zulieferer zwischen Lippe und Sieg erzielten zuletzt mit über 52.000 Beschäftigten einen Umsatz von über neun Milliarden Euro. In Hagen tummeln sich 33 Unternehmen aus dem Automotive-Bereich, im Kreis Siegen-Wittgenstein sind es 73, im Hochsauerlandkreis 59 Unternehmen. Im Kreis Soest sind 43 Unternehmen der Branche zuzuordnen, 26 im Ennepe-Ruhr-Kreis. Der Märkische Kreis ist „Primus“ der Branche, hier bestimmt Automotive das Geschehen in 208 Unternehmen.

Autoland Südwestfalen

„Südwestfalen gehört zu den stärksten Automotive-Zuliefer-Regionen Deutschlands. Mehr als 500 Unternehmen sind in der Automotive-Industrie tätig“, analysiert Dirk Hackenberg von der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer zu Hagen nicht ohne Stolz. Für ihn steht aber fest, dass die aktuelle Diskussion um Zölle auf Stahl und Aluminium sowie die angekündigten Zölle auf Autos und Automobilzulieferteile in den USA vor Ort für Verunsicherung und Aufregung sorgen.

Zoll-Diskussionen sind schädlich

Kritisch beobachten auch die Arbeitsgemeinschaft Zulieferer (ArGeZ), der Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung (WSM) sowie der Dachverband des Industrieverbandes Blechumformung (IBU) die derzeitigen Diskussionen. Sie fordern faire Geschäftsbeziehungen zwischen Herstellern und Zulieferern: „Die Hersteller sollten unverzüglich und offen in die Zulieferketten kommunizieren, ob und wie sie ihr Abnahmeverhalten deshalb verändern werden. Denn einen Schaden aus stornierten Bestellungen müssen oftmals die Zulieferer ausbaden“, warnt Christian Vietmeyer, Sprecher der ArGeZ und Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbandes Stahl- und Metallverarbeitung. Der Warnung schließt sich der Industrieverband Blechumformung (IBU) an und lehnt die EU-Untersuchung zu möglichen Schutzmaßnahmen gegen Stahlimporte aus Drittstaaten ab. Eine Begrenzung der EU-Stahleinfuhren würde nach Ansicht des Verbandes den Markt künstlich verknappen und die Preise hochtreiben. Nutznießer wäre die deutsche Stahlindustrie, Verlierer wären die stahlverarbeitenden Unternehmen.

IBU-Geschäftsführer Bernhard Jacobs: „Bereits jetzt hat die Marktwirkung der EU-Untersuchung negative Folgen für Stahlverarbeiter. Importe aus Drittländern sind riskant und entsprechend rückläufig. Der Wettbewerb sinkt, die Preise steigen.“

Gewichtsabnahme ist möglich

Die Branche kämpft nicht nur mit der aktuellen Problemstellung, sondern auch mit grundsätzlichen Anforderungen. In den vergangenen 15 Jahren hat sich das Gewicht eines durchschnittlichen Familienautos um etwa 30 Prozent erhöht, weil es mit immer neuen elektronischen Komponenten, vor allem in der Sicherheitstechnik, ausgestattet wird. ABS, ESP, Gurtstraffer, Aktivlenkung oder Vierradantrieb sind nahezu Standard, zunehmende Komfortausstattungen wie die Klimaanlage steigern das Gesamtgewicht zusätzlich. Konstrukteure und Ingenieure sind sich aber sicher: Eine generelle Gewichtsabnahme ist möglich. Sie arbeiten an gewichtssparenden Werkstoffen und kombinieren diese mit neuen Konstruktions- und Fertigungstechniken. Reinhold Häken | redaktion@regiomanager.de

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