Management

Nachhaltigkeit: Neue Geschäftsmodelle gesucht

Sozial gerechtes und ressourcenschonendes Handeln wird immer wichtiger. Wie auch Sie Ihr Unternehmen nachhaltig gestalten können.

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von Regiomanager 23.05.2023
(© master1305 − stock.adobe.com)

Ist eine Solaranlage auf dem Dach schon ein nachhaltiges Geschäftsmodell? „Nein“, findet Carsten Taudt, Geschäftsbereichsleiter der IHK Nord Westfalen und Leiter des IHK-Ausschusses für unternehmensverantwortliche Nachhaltigkeit, und er erklärt weiter: „Natürlich ist es gut und richtig, auf Solarstrom zu setzen, aber das ist nicht alles. Viele Unternehmen produzieren aktuell noch jede Menge Material, das Ressourcen verbraucht und später als Plastikmüll irgendwo landet.“ Es gilt also umzudenken. Gründe für die Umstellung auf nachhaltige Geschäftsmodelle gibt es viele. Carsten Taudt: „Zunächst einmal sind wir als Wirtschaft Teil des Problems und auch der Lösung, wenn wir unsere Welt lebenswert halten wollen.“ Das sollte den meisten Unternehmern mittlerweile klar sein, vor allem auch in Hinblick auf die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit. „Dazu kommt, dass sich nach unserer Beobachtung der Nachhaltigkeitstrend auch in rechtlicher und globaler Schiene so verfestigt, dass zukünftig nicht nachhaltige Geschäftsmodelle wahrscheinlich Nachteile erleiden werden“, erklärt Taudt. Aktuelles Beispiel dafür sind die Vorgaben für das Lieferkettengesetz oder die CO2-Zertifikate, die immer teurer werden. In Zukunft wird sich das Blatt wenden und wer nicht auf Klimaneutralität umstellt, wird kostenintensiver werden. Ein weiterer Grund: Große Unternehmen werden in Zukunft berichtspflichtig, was die Nachhaltigkeit angeht. Das bedeutet, dass auch deren Zulieferer sich früher oder später der Frage stellen müssen, wie sie es mit der Nachhaltigkeit halten, um weiter wettbewerbsfähig zu bleiben.


Was tun?


Wie geht man nun als Unternehmer vor, wenn man in seinem Unternehmen ein nachhaltiges Geschäftsmodell etablieren möchte? Professor Dr. Florian Lüdeke-Freund von der ESCP Business School Berlin: „Das Geschäftsmodell ist ein recht komplexes Konzept, da es von der Produktionsseite über das Angebot des Unternehmens bis hin zu den Kund*innen sehr viele Bereiche der Betriebswirtschaft beinhaltet. Das ist zugleich aber auch ein Vorteil, weil sich hiermit sehr viele Ansatzpunkte ergeben, die den jeweiligen Stärken unterschiedlicher Unternehmen entgegenkommen können.“ Selbstverständlich ist es nicht einfach, von heute auf morgen aus einem Unternehmen ein nachhaltiges Unternehmen zu machen. Es ist jedem selbst überlassen, zu recherchieren, sich einzulesen oder zu Veranstaltungen zu gehen, um sich dem Thema zu nähern. Carsten Taudt: „Wer umfangreiche Prozesse in Gang bringen will, kommt um eine externe Beratung nicht herum. Man kann Transformationsberatungen in Anspruch nehmen, für die es auch Förderlinien gibt.“ Der Kern der Transformation ist eine sogenannte Wesentlichkeitsanalyse, wobei der Betrieb strukturiert reflektiert und eine CO2-Bilanz aufgestellt wird. „Man muss überlegen: Welche Felder gibt es, wo die Materialien herkommen? Kann ich ein Rücknahmesystem für meine Verpackungen installieren?“ Angeraten ist es auch, sich Gleichgesinnte zu suchen, die ähnliche Interessen haben und in den Erfahrungsaustausch zu gehen.


Wer macht es vor?


Auf der Suche nach aktuellen Beispielen erklärt uns Professor Dr. Lüdeke-Freund: „Ich hörte kürzlich von einem Unternehmen, das ein traditioneller Hersteller von Torfprodukten war. Man hat sich aber entschieden, die fossile Ressource Torf durch eine nachhaltigere Alternative auf Basis von Holzabfällen zu ersetzen. Hier haben sich die Inputs und Produkteigenschaften geändert, was Teil einer Geschäftsmodellinnovation ist. Dies hat wiederum dazu geführt, dass neue Maschinen von dem Unternehmen selbst entwickelt wurden, die es vorher so noch nicht gab und die nun zusätzlich an andere Hersteller verkauft werden. Aus der Idee, bestimmte Produkteigenschaften nachhaltiger zu gestalten, sind somit mehrere Geschäftsmodellinnovationen entstanden.“
Und für alle, die jetzt noch nicht überzeugt sind, gibt Carsten Taudt noch einen Hinweis: „Ich gehe davon aus, dass sich der Weltmarkt tatsächlich bewegen wird, insbesondere – und das verkennen viele – weil die Chinesen auch ein Interesse daran haben, auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz umzustellen. Und sobald sie so weit sind, werden sie versuchen, die Standards in der Welt zu setzen. Wir haben jetzt noch die Chance, schneller zu sein als die anderen, ansonsten werden wir überholt.“

Regio Manager: Herr Professor Dr. Lüdeke-Freund, was raten Sie Unternehmen, die auf nachhaltige Geschäftsmodelle umstellen wollen?

Professor Lüdeke-Freund: Mitarbeitende in Unternehmen, von der Führungsebene bis hin zu den Mitarbeitenden im operativen Bereich, können vier Leitlinien folgen. Diese gelten für die Anpassungen des bestehenden Geschäftsmodells sowie für die Entwicklung komplett neuer Modelle:

1. Nachhaltigkeitsorientierung. Die Entscheidung für eine Nachhaltigkeitsorientierung muss ein bewusster Akt sein, ansonsten wirken die systemischen Kräfte (z.B. Kundenwünsche, Regulatorik, Wettbewerb), und diese sind per se nicht nachhaltig. Prinzipien wie Ressourceneffizienz, Regeneration natürlicher Systeme, Inklusion und soziale Nutzenstiftung sind Beispiele einer solchen Orientierung.


2.
Erweiterte Wertschöpfung. Die Entwicklung einer Nachhaltigkeitsorientierung erfordert, dass man alle Stakeholder im Blick hat. So versteht man die Wertschöpfungslogik nicht als rein finanzielle Wertschöpfung, sondern kann Dinge integrieren, wie Spaß und Sinn für meine Mitarbeitenden, Reputation für das Unternehmen, verlässliche Beziehungen zu meinen Partnern, eine regenerative und eben nicht schädigende Beziehung zur natürlichen Umwelt.


3.
Systemisches Denken. Ein Unternehmen ist Teil einer Wirtschaft, die ist Teil einer Gesellschaft, die ist Teil des ökologischen Gesamtgefüges. Nur, wenn ich die größeren Systeme berücksichtige, erhöhe ich die Chance, dass ich weniger Schaden im sozialen oder ökologischen Gefüge anrichte. So eine Denke wird von klassischen Instrumenten nicht unterstützt – eher das Gegenteil. Hierfür müssen Ansätze wie Lebenszyklusanalysen, Ökobilanzierungen, Lieferkettenmanagement, Design für Langlebigkeit genutzt werden.


4.
Stakeholder-Integration. Man versucht nicht nur, für seine Kunden, Geschäftspartner oder Investoren da zu sein, sondern zu verstehen, mit wem man es noch zu tun hat. Das kann die lokale Nachbarschaft sein, die Medien, die Politik oder indirekt betroffene Stakeholder. Es geht darum, diesen Gruppen Gehör zu schenken, Spannungsfelder zu entdecken und zu versuchen, diese aufzulösen.

Birgit Marx | redaktion@regiomanager.de

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Carsten Taudt, Leiter des IHK-Ausschusses für unternehmensverantwortliche Nachhaltigkeit

Prof. Dr. Florian Lüdeke-Freund von der ESCP Business School Berlin

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