Kolumne

KOLUMNE Parallelwelten: Sind Vorbilder nicht mehr in Mode?

Wer in einer verantwortungsvollen Position sitzt, muss anderen ein Vorbild sein, meint Simone Harland.

Avatar
von Regiomanager 22.03.2023
(© dragonstock – stock.adobe.com)

„Wundere dich nicht, dass dein Kind vorm Computer isst, wenn du deine Mahlzeiten vorm Fernseher einnimmst“, „Dein Kind kann keine Ordnung lernen, wenn du sie ihm nicht vorlebst“ oder der obligatorische Warnhinweis auf Zigarettenschachteln: „Kinder von Rauchern werden oft selbst zu Rauchern“: All diese Sätze beinhalten die Botschaft, dass Kinder vom Vorbild lernen. Eltern haben eine Vorbildfunktion, um ihren Kindern Werte und Verhaltensweisen zu vermitteln, die ihnen wichtig sind. Die außerdem dazu beitragen, dass ihre Kinder zu verantwortungsvollen Menschen heranwachsen.
Ich gehe davon aus, dass die meisten Eltern dieses Ziel haben. Ich weiß jedoch auch, dass es nicht immer leicht ist, Vorbild zu sein. Wir sind nur Menschen und in manchen Situationen weichen wir von unseren selbst gesetzten Regeln ab. Auch damit müssen Kinder lernen umzugehen. Trotzdem: Weicht man einmal von einer Regel ab, heißt das noch lange nicht, dass sie keine Gültigkeit mehr hat. Sie lässt sich aus bestimmten Gründen (Krankheit, Erschöpfung usw.) in diesem Augenblick nur nicht umsetzen. Sind die Gründe berechtigt und nachvollziehbar, versteht das jedes Kind.

Doch wie sieht es allgemein mit Vorbildern aus? Ich bin der Ansicht, dass Menschen, die eine verantwortungsvolle Position innehaben – sei es etwa in der Politik oder in Unternehmen –, eine Vorbildfunktion nicht nur einnehmen sollten, sondern müssen. Denn Menschen, die Gesetze erlassen oder von ihren Angestellten ein bestimmtes Verhalten erwarten, müssen sich an ihren eigenen Taten messen lassen. Und daran, so mein Eindruck, hapert es in letzter Zeit.

Dass manche das Gefühl zu haben scheinen, sie stünden über den Regeln, macht sich bereits an Kleinigkeiten fest. Sitzen z.B. Mitglieder der deutschen Bundesregierung, wie im August 2022 geschehen, im Regierungsflieger ohne Mund-Nasen-Schutz, während der Rest der Bevölkerung im Flugzeug eine Maske tragen muss, wirft das ein schlechtes Bild auf die Mitreisenden. Auch wenn, wie im Nachhinein erklärt wurde, auf den Flügen der Luftwaffe keine Maskenpflicht geherrscht habe und alle im Flugzeug Sitzenden zuvor einen PCR-Test machen lassen mussten. Und es klingt wie Hohn, wenn Alt-Bundespräsident Joachim Gauck im Rahmen des Angriffskriegs Putins auf die Ukraine die Parole „Frieren für den Frieden“ ausgab, im Jahr 2017 jedoch noch seine Büros hatte umbauen lassen und allein der Einbau einer Toilette 52.000 Euro an Steuergeldern verschlang. Obwohl das eine mit dem anderen nichts zu tun hat, zeigt es doch, dass hier ein Mensch redet, der wohl kaum aus Kostengründen mit einer Wolldecke über den Beinen im Büro sitzt. Von Maskendeals und Erinnerungslücken in der Politik ganz zu schweigen …

Es zeugt auch nicht unbedingt von Vorbildcharakter, dass Energiekonzerne 2022 hohe Gewinne gemacht und dennoch etwa gesunkene Rohölpreise nicht an die Verbraucher weitergegeben haben. Oder dass Menschen in Führungspositionen hohe Boni einstreichen, wenn sich die Belegschaft in Kurzarbeit befindet.
Sind Vorbilder vielleicht aus der Mode gekommen? Oder sind sich manche Menschen in bestimmten Positionen nicht bewusst, welches Bild sie mit ihren Taten der Öffentlichkeit etwa von der Politik vermitteln? Oder ist es einigen womöglich egal?

Letztlich ist die Motivation unerheblich, es zählt die Botschaft, die vermittelt wird: Du kannst dich über Regeln und Werte hinwegsetzen. Es wird dir nicht viel passieren. Du musst noch nicht einmal Verantwortung für dein Tun übernehmen. Irgendeine Erklärung wird es schon richten.

Klingt das zu pessimistisch? Zu enttäuscht? Nein. Ich bin nach wie vor zuversichtlich, dass es Menschen in Politik und Unternehmen gibt, die als Vorbild dienen. Nicht, weil sie immer alles „richtig“ machen – denn was ist schon richtig? –, aber sehr wohl im Hinterkopf haben, dass sie nicht Wasser predigen können, wenn sie selbst Wein saufen. Menschen, die wissen, dass sie nichts von anderen verlangen können, das sie nicht selbst zu geben bereit sind. Die Verantwortung übernehmen, respektvoll handeln und ihren Worten entsprechende Taten folgen lassen. Auf die Verlass ist. So, wie Kinder sich auf ihre Eltern verlassen können müssen. Auch wenn es von bestimmten Regeln manchmal – gut begründete, nachvollziehbare – Ausnahmen gibt.
Simone Harland | redaktion@regiomanager.de

Teilen:

Newsletter abonnieren

Newsletter abonnieren und Brancheninfos erhalten

Datenschutz*