Karriere

Karriere im Mittelstand

Und ewig lockt der Großkonzern? KMUs bieten Nachwuchskräften viele Chancen.

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von Regiomanager 13.04.2023
(© ­­­Lustre − stock.adobe.com)

„Wir können vielfach bei der Gehaltsgestaltung und außergewöhnlichen Incentives mit den Top-Konzernen nicht konkurrieren, das ist klar“, gibt Stefan A. Wagemanns vom Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) zu. Und schiebt ein großes Aber hinterher. „Die raschen Aufstiegsmöglichkeiten in flachen Hierarchien, das Erlernen eines weiten Arbeitsspektrums und das familiäre Klima in mittelständischen, vielfach familiengeführten Betrieben sind für viele junge Menschen mehr als nur weiche Faktoren. Das Bekenntnis des Mittelständlers zu seinem Team schafft hohe Identifikation mit der Tätigkeit und Jobsicherheit – das sind greifbare Werte, die uns erfolgreich machen“, so der Leiter des BVMW-Kreisverbands für die Städte Düsseldorf und Mönchengladbach sowie die Kreise Heinsberg, Kleve und Mettmann.
Die Stärke des Mittelstands liege zudem in der Geschwindigkeit, „in der wir auf Änderungen des Marktumfelds reagieren können – quasi wie gut geölte Scharniere, die Angebot und Nachfrage zusammenbringen“. Das bedeute für den Nachwuchs, schon sehr früh Verantwortung zu übernehmen und über den Tellerrand des theoretisch Erlernten zu blicken. „Bei uns muss man häufig Generalist sein, Chef und Sekretär in Personalunion.“


Schritt ins Unternehmertum


Steffen Kawohl vom Deutschen Mittelstands-Bund (DMB) verweist auf zahlreiche Best-Practice-Beispiele von Karrieren im Mittelstand. Weitere würden hinzukommen, „da KMU händeringend nach guten Fachkräften suchen, während Konzerne wie Ford, Amazon oder BASF jüngst ankündigten, Stellen abzubauen.“ In den nächsten Jahren stehen im Mittelstand außerdem mehrere Hunderttausend Unternehmensnachfolgen an: „Nicht alle Unternehmer können oder wollen ihr Unternehmen allerdings an Familienangehörige der jüngeren Generationen übergeben“, meint Kawohl. Das Modell eines „Search Funds“ ermögliche es mittelständischen Unternehmen, eine maßgeschneiderte, externe Nachfolge zu finden, und biete jungen Talenten die Möglichkeit, den Schritt ins Unternehmertum und in eine verantwortungsvolle Position zu schaffen.


Heimatnähe als großes Plus


Der Wettbewerb um die besten Fachkräfte sorgt laut DMB auch im Mittelstand dafür, dass Unternehmen nicht nur überlegen, wie sie durch Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie, individuelle Arbeitszeitmodelle, Möglichkeiten des mobilen Arbeitens oder einer angemessenen Vergütung für Arbeitnehmer attraktiver werden können. „Darüber hinaus beschäftigt viele KMU die Frage, wie sie ihre Vorzüge als attraktiver Arbeitgeber auch gegenüber potenziellen Bewerbern kommunizieren können. Denn gerade KMU, die in ländlichen Gebieten ansässig sind, bieten möglicherweise den Vorteil, dass in ihrer Region die Immobilienpreise geringer oder die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder besser sind als in großen Ballungsgebieten“, meint Steffen Kawohl.


Gesuchter Typ Mitarbeiter


Muss man eigentlich ein spezieller „Typ“ sein, um im Mittelstand erfolgreich zu sein? „Neben einer soliden Ausbildung, die mit dem jeweiligen Berufsfeld anschlussfähig sein muss, sind Tugenden wie Fleiß, Flexibilität und kreativer Einsatz, aber auch Loyalität und Respekt bei uns sehr gefragt“, sagt Stefan A. Wagemanns. „Dieses spannende und abwechslungsreiche Arbeiten bildet Persönlichkeiten weiter, die dann auch oftmals in der Lage sind, nach ganz oben in der Betriebshierarchie aufzusteigen oder gar eigene Existenzen zu gründen.“ Man dürfe nicht vergessen, dass die überwiegende Zahl erfolgreicher Unternehmer selbst zunächst im Mittelstand Erfahrung gesammelt habe „und die gesamte Wertschöpfungskette eines Unternehmens in der Praxis studieren konnte“.


Hochgradig international


„Der deutsche Mittelstand ist in seiner Struktur und seiner Ausrichtung auf heimische und internationale Märkte so unterschiedlich und breit, dass er als Arbeitgeber Beschäftigten mit den unterschiedlichsten Interessen und Wünschen gerecht wird“, meint Steffen Kawohl. Grundsätzlich spreche der Mittelstand aber Fachkräfte an, die eine familiäre Arbeitsatmosphäre in eher kleineren Teams bevorzugten und die dementsprechend eigenverantwortlich arbeiten könnten. „Und auch dazu bereit und in der Lage sind, Tätigkeiten zu übernehmen, die nicht ihrem ursprünglichen Qualifikations- und Aufgabenprofil entsprechen.“


Verzerrte Wahrnehmung


„Es ist schon ein wenig ,unfair’, wenn das Wort in diesem Zusammenhang erlaubt sei: ,Made in Germany’ wird aufgrund der Omnipräsenz der großen Unternehmen und international bekannten Marken aus Deutschland beinahe ausschließlich mit unseren – zugegebenermaßen sehr erfolgreichen – Konzernen in Verbindung gebracht“, sagt Wagemanns. „Dabei wird jedoch übersehen, dass gerade mittelständische Unternehmen tief in die grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten dieser Global Player eingeflochten sind. Einen großen Anteil, wenn nicht sogar den Löwenanteil, am Erfolg unseres Wirtschaftsstandorts hat der Mittelstand. Schließlich sind über 80 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in kleinen oder mittelgroßen Betrieben tätig.“
„Im Mittelstand finden flexible und motivierte Nachwuchskräfte steile Aufstiegschancen. Leider wird das von vielen aufgrund der Problematik der Außendarstellung oft nicht erkannt“, so sein zusammenfassendes Fazit.
Daniel Boss | redaktion@regiomanager.de

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Stefan A. Wagemanns leitet einen BVMW-Kreisverband in NRW (© BVMW/Rick)

Steffen Kawohl ist Referent für Wirtschaft und Politik beim Deutschen Mittelstands-Bund (© DMB / Jochen Rolfes)

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