Immobilien (Technik)

Gebäudetechnik: Klare Regeln für smarte Gebäude

DIN, ISO, CEN: Diesen Standards kommt bei der Arbeit in und an Gebäuden – und damit am Smart Home – eine immense Bedeutung zu. So funktionieren sie.

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von Regiomanager 16.05.2019
Diese drei Buchstaben kennt nicht nur jeder Ingenieur (Foto: ©blende11.photo – stock.adobe.com) | Daniel Boss

In den kommenden Jahren wird das Thema ,Smart Home’ vom Trend zum Standard werden“, davon ist Kerstin Vogt überzeugt, Geschäftsführerin des VdZ – Forum für Energieeffizienz in der Gebäudetechnik. Smart-Home-Lösungen würden künftig allgegenwärtig sein. Die Gründe lägen auf der Hand: Denn durch „intelligente Gebäudetechnik“ spare der Verbraucher Geld und leiste einen Beitrag zum Klimaschutz, da die Technologien auf größtmögliche Energieeffizienz ausgelegt seien. „Die Smart-Home-Lösungen steigern darüber hinaus den Wohnkomfort. Schon jetzt sind viele Heizungsregler per App von unterwegs steuerbar. Zukünftig werden immer mehr Heizsysteme eingebaut werden, die die Raumtemperaturen senken, wenn kein Bewohner mehr zu Hause ist und sie wieder ansteigen lassen, sobald sich der erste Hausbewohner auf dem Heimweg befindet.“ Hier sind laut VdZ insbesondere Standards für die Kommunikation dieser Geräte untereinander relevant, damit die Geräte buchstäblich eine gemeinsame Sprache sprechen. Die Branche arbeite daran, diese zu etablieren, zum Beispiel in der EEBUS-Initiative, so Kerstin Vogt. „In zehn Jahren werden dann nicht nur die Geräte im Haus miteinander kommunizieren, sondern auch über ein Energiemanagement mit der Energieversorgung vernetzt sein.“
Ein wichtiges Instrument der Bundesregierung, „um den enormen Energieverbrauch durch alte, unsanierte Gebäude zu senken und den Klimaschutz voranzubringen“, ist in ihren Augen die Energieeinsparverordnung, kurz EnEV. Sie gibt vor, wie hoch der jährliche Energiebedarf eines Hauses sein darf. Außerdem legt die Verordnung energetische Mindestanforderungen an die Gebäudehülle, Heizung und Warmwasserbereitung fest. Kerstin Vogt: „Seit der ersten Fassung der Energieeinsparverordnung 2002 wurden die Vorgaben an Gebäude mehrfach erweitert und verschärft. Außerdem sollen innerhalb der Europäischen Union ab 2021 alle Neubauten ,Niedrigstenergie-Gebäude’ sein.“ Aktuell sei man von diesem Ziel noch weit entfernt, was vorrangig an mangelnden politischen Weichenstellungen liege. „Die Branche hat längst energieeffiziente Techniken entwickelt, damit diese Ziele eingehalten
werden können.“

Wie Normen funktionieren


Schon mal von den Normenreihen DIN EN 15316 oder DIN EN 12831 gehört? Für Gebäudetechnik-Experten sind sie im wahrsten Sinne des Wortes Standard. Sie gelten für die Heizungstechnik und das Erwärmen von Trinkwasser. „Geht es darum, die gewünschten Parameter des Innenraumklimas festzulegen, wird in der Regel der Teil 1 der DIN EN 16798 herangezogen. Die weiteren Teile dieser Normenreihe dienen der energetischen Bewertung von raumlufttechnischen Anlagen sowie deren Auslegung und Ausführung. Hier ist auch festgelegt, wie bei einer energetischen Inspektion von Klimaanlagen vorgegangen werden soll. Bei elektrotechnischen Anlagen seien viele Normen der verschiedenen ,Regelsetzer’ heranzuziehen, beispielsweise der Deutschen Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE, des Europäischen Komitees für elektrotechnische Normung, kurz CENELEC, und der Internationalen Organisation für Normung, kurz ISO“, nennt Clemens Schickel einige weitere Beispiele aus dieser Welt der Abkürzungen. Er ist technischer Referent des BTGA, des Bundesindustrieverband Technische Gebäudeausrüstung.

Vorsicht bei Abweichungen


Der wichtigste Technikstandard sind seiner Aussage nach im deutschen Recht die allgemein anerkannten Regeln der Technik. „Sie sind eine wesentliche Grundlage für die Planung, die Ausführung und die Übergabe von Systemen der Gebäudetechnik. Sie helfen, die Art und den Umfang der Anlagen festzulegen. Außerdem dienen sie der Qualitätskontrolle der Lieferungen und Leistungen. Im Streitfall können sie dazu beitragen, die geschuldete Leistung zu klären.“ Zwar sei es nicht in jedem Fall zwingend erforderlich, die Inhalte von Richtlinien oder Normen umzusetzen: „In einzelnen Fällen können es gut begründete Umstände erfordern, von den Inhalten einer anerkannten Regel der Technik abzuweichen. Das kann dann durchaus sinnvoll und vielleicht sogar notwendig sein.“ Konkrete Beispiele werden allerdings nicht genannt – jeder Fall ist eben eben ein Einzelfall. Solche Abweichungen sollten jedenfalls immer schriftlich festgehalten und mit dem Auftraggeber beraten werden. „Fehlen solche Gründe, sollten die anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden: Gutachter oder Richter könnten sonst bei einer Fehlfunktion der Systeme feststellen, dass ein Versäumnis vorliegt, weil die anerkannten Regeln der Technik nicht beachtet wurden.“

Wie Standards entstehen


Standards kommt also eine immense Bedeutung zu. Aber wie kommen sie überhaupt zustande? Die Grundlage vieler Normen und Richtlinien wird in den Arbeitsgremien des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), des Deutschen Instituts für Normung (DIN) und des Europäischen Komitees für Normung (CEN) gelegt. Bei international geltenden Standards geschieht das in der Internationalen Organisation für Normung (ISO). „Zuerst wird von einer Person, einem Unternehmen oder einer Institution der Antrag gestellt, eine Norm zu erarbeiten“, so Clemens Schickel. Dieser Antrag werde in den Lenkungsgremien der Normungsinstitute beraten und entschieden. „Im positiven Fall wird ein Arbeitspaket aufgelegt und die entsprechenden Expertinnen und Experten werden informiert und zur Mitarbeit aufgerufen. Finden sich genügend interessierte Expertinnen und Experten und können alle an dieser Norm interessierten Kreise zur Mitarbeit gewonnen werden, wird eine Arbeitsgruppe gegründet. Diese erstellt in der Regel nach anderthalb bis zwei Jahren einen Normenentwurf.“ Dieser Entwurf wird dann der Allgemeinheit vorgestellt und kann kommentiert werden. Nach einer angemessenen Frist werden die eingegangenen Einsprüche beraten. „Danach wird in der Regel ein so genannter Weißdruck der Norm herausgegeben. Dieser gilt als Regel der Technik. Wird die Norm schließlich angewendet und treten dabei keine Widersprüche auf, wird sie zu einer anerkannten bzw. allgemein anerkannten Regel der Technik.“
Die Regelsetzung ist keinesfalls statisch: „Grundsätzlich werden alle Richtlinien und Normen nach spätestens fünf Jahren daraufhin untersucht, ob sie weiter Bestand haben, ob eventuell Änderungsbedarf besteht oder ob sie zurückgezogen werden sollten“, erklärt der BTGA-Referent. „So wird gewährleistet, dass sich die Inhalte der anerkannten Regeln der Technik stets auf einem aktuellen Stand befinden.“ Nachdem sich die Richtlinien und Normen einen angemessenen Zeitraum in der Anwendung bewährt hätten, könne so zusätzlich auch der sich weiterentwickelnde Stand der Wissenschaft und Technik in der Normung berücksichtigt
werden. Daniel Boss
| redaktion@regiomanager.de

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Fotostrecke

Clemens Schickel, technischer Referent des Bundesindustrieverband BTGA+ (Foto: BTGA)

Kerstin Vogt, Geschäftsführerin des VdZ (Foto: VdZ/Thilo Ross)

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