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Serie – Big Data in der Praxis, Teil 1: Priorität Nr. 1

Bei der Digitalisierung des Mittelstands steht Big Data an erster Stelle. In unserer Serie Big Data in der Praxis erklären wie wieso und geben Ihnen praktische Beispiele.

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von Regiomanager 03.12.2018
(Foto: © kamonrat – stock.adobe.com)

Von Internet of Things über Künstliche Intelligenz bis Blockchain – neue digitale Technologien sind für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft von großer Bedeutung. Und dennoch kommen diese Entwicklungen, welche man hierzulande unter dem Schlagwort Industrie 4.0 kennt, bislang nicht flächendeckend zum Einsatz. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Befragung von Managern in über 600 deutschen Unternehmen, die der Digitalverband Bitkom erst jüngst im Juni dieses Jahres, anlässlich der Cebit in Hannover, vorgestellt hat.

Hoffnungen und Hürden

Demnach sehen drei von vier Unternehmen bei den Themen Big Data und Internet of Things eine wettbewerbsentscheidende Schlüsseltechnologie. In der Praxis spielen allerdings diese digitalen Schlüsseltechnologien noch keine große Rolle. Dabei sind die Gründe hierfür vielschichtig. So sehen zwei von drei Unternehmen die Anforderungen an den Datenschutz als primäre Hürde für den Technologie-Einsatz an. „Wenn wir im Datenschutz überziehen, verhindern wir den Einsatz digitaler Schlüsseltechnologien wie Big Data und Künstlicher Intelligenz“, mahnte Bitkom-Präsident Achim Berg. Mehr als die Hälfte der Unternehmen nennt zudem Anforderungen an die technische Sicherheit als große Hürde für den Technik-Einsatz. Auch der Fachkräftemangel hemmt die Investitionsneigung.
Diesen Hindernissen steht das große Interesse der Wirtschaft an Big Data gegenüber. Sechs von zehn Unternehmen nutzen diese Technologie bzw. planen oder diskutieren deren Einsatz. Big-Data-Technologien ermöglichen es, große Datenmengen aus unterschiedlichsten Quellen in hoher Geschwindigkeit auszuwerten. So lassen sich beispielsweise Maschinen dadurch besser warten. Sensoren sammeln Zustandsdaten aller wichtigen Komponenten der Maschine. Über eine Cloud-Anwendung sind sie ortsunabhängig verfügbar und werden intelligent aufbereitet. Techniker können diese Daten in Echtzeit einsehen, um eine notwendige Reparatur zu erkennen, bevor eine Komponente ausfällt. Selbst in der Krebsbehandlung helfen Big-Data-Technologien. Ärzte erhalten dadurch z.B. eine Übersicht zahlreicher Patientendaten. Darüber hinaus wird eine Echtzeitidentifikation von Tumorarten ermöglicht, um die für den Patienten wirksamste Behandlungsmethode zu wählen. So beschleunigt sich die Diagnostik von Tumoren und gleichzeitig erhöht sich die Lebenserwartung der Tumorpatienten. Aus einer Standardtherapie wird individualisierte Medizin. „Die Unternehmen haben die immense Bedeutung digitaler Schlüsseltechnologien erkannt. Jetzt müssen wir zügig in die Umsetzung kommen“, so Berg.

Anspruch der Serie

Leider gibt es bislang nur wenige praktische Beispiele für den Big-Data-Einsatz in Unternehmen. Das gilt insbesondere für den Mittelstand. Der Mangel an Best-Practice-Beispielen und an Praxiserfahrungen gilt vielerorts als weitere Barriere für die verstärkte Nutzung und das Investment in Big Data. Hier setzt unsere Serie Big Data in der Praxis mit Bezug auf einen Leitfaden des Bitkom an. Mit Einsatzbeispielen aus der Praxis von Wirtschaft und Verwaltung möchten wir überzeugende Hinweise dafür liefern, wie der Einsatz von Big Data Ihnen die Möglichkeiten für Geschäftsmodell-Innovationen eröffnet.

Beispiel Taleris

Das erste Praxisbeispiel, dem wir uns zuwenden, ist eines, das jeden von uns, der regelmäßig fliegt, betriff. Taleris Intelligent Operations für Airlines schafft einen intelligenten Flugbetrieb und Predictive Maintenance durch Big Data Analytics. Als unabhängiges Joint Venture des Flugzeugtriebwerkherstellers GE Aviation sowie des Technologiedienstleiters Accenture sammelt Taleris hierzu Daten von mehr als 30 Airlines. Zur Auswertung dieser Daten nutzt das Unternehmen Big Data Analytics-Verfahren, um Störungen im Betriebsablauf vorherzusagen, diese zu vermeiden und – falls sie dennoch eintreten – diese schneller zu lösen. Welche Bedeutung dabei Big Data spielt, wird klar, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Komponenten und Systeme moderner Flugzeuge von Cockpit bis Heck intelligent vernetzt sind. Integrierte Sensoren der Bordsysteme oder in den Bodensystemen der Airlines, z.B. im Rahmen der Wartung, der Flugablaufplanung oder der Personaleinsatzplanung, generieren kontinuierlich eine Vielzahl an Daten. Allein ein modernes zweistrahliges Flugzeug kann pro Flugstunde bis zu 30 Terabyte Volume an Roh- und Sensordaten erzeugen, die wiederum in Echtzeit ausgewertet werden müssen. Ziel von Taleris Intelligent Operations ist die Optimierung des Flugbetriebs, um deutliche Kosteneinsparungen und eine höhere Passagierzufriedenheit zu erzielen. Zukünftige Wartungsbedarfe und -probleme können durch die Taleris Predictive Maintenance-Lösung genauer vorhergesagt und – sofern nicht sicherheitskritisch – im Rahmen des nächsten regulär geplanten oder optimalen Wartungsintervalls behoben werden. Mögliche Betriebsstörungen werden vorausschauend identifiziert und präventiv behoben. Auswirkungen von unvermeidbaren Störungen werden zudem durch die dynamische Anpassung der Flug- und Personaleinsatzplanung, wie z.B. durch eine schnelle Bereitstellung von Ersatzflugzeugen, minimiert. Experten schätzen, dass jährlich 32 Milliarden US-Dollar direkte Kosten für Logistik, Personal und Entschädigungen der Passagiere durch Ausfälle und Verspätungen entstehen. Last, but not least wird durch optimale Wartung der Flugzeugkomponenten gewährleistet, dass diese stets nahe ihres maximalen Wirkungsgrades operieren. Auf die gesamte Flotte einer Luftfahrtgesellschaft bezogen, können somit beträchtliche Mengen an Kerosin eingespart werden.

Beispiel Smart Port Logistics

Ein anderes Beispiel aus dem Verkehrswesen findet sich im hohen Norden. So nutzt die Hamburg Port Authority ein gemeinsam mit den IT-Service-Providern T-Systems, Telekom Laboratories, Dakosy und SAP entwickeltes Informations- und Kommunikationssystem Smart Port Logistics, das den Andrang der täglich über 140.000 Lkw-Fahrten im Hafen entzerrt und die Güterströme optimiert. Die Menge an Verkehrs- und Transportdaten ist auch in Hamburg riesig. Dabei gibt es viele verschiedene Beteiligte wie Hafenverwaltung, Speditionen, Transporteure, Parkflächen- und Terminalbetreiber, die mit unterschiedlichen Systemen und Datenarten arbeiten. Dank Gigabit-Leitungen verfügt der Hamburger Hafen inzwischen über eine ausreichende Bandbreite zur Übertragung dieser Datenmengen. Auch der Speicherplatz ist heute grenzenlos. Die technische Infrastruktur ist somit nicht mehr limitiert. Die Herausforderung Smart Port Logistics besteht vielmehr darin, Daten gezielt zu erheben und anzuwenden. Denn nur so entsteht aus den riesigen Datenmengen ein echter Mehrwert für den Hafen, die Fahrer und Speditionen und die Terminalbetreiber. Die Spediteure haben Zugang zu Verkehrs- und Infrastruktur-Informationen. Die Kommunikation zwischen Fahrer und Disponent wird erleichtert und die unterschiedlichen Flotten werden mit einer Gesamtsicht überwacht. Der Hafen selbst gewinnt eine erhöhte Effizienz des Straßennetzes, nutzt besser die verfügbaren Parkplätze und kann weitere Services entwickeln. Die Hafenbetriebe steigern ihre Effizienz, weil sie ihre Waren und Container zeitoptimiert bereitstellen können. Smart Port Logistics kann zudem zukünftig auch auf andere Logistikbereiche des Hafens wie Güterbahn- oder Schiffsverkehr ausgedehnt werden.

Fazit

Wie anhand der Beispiele Taleris und Smart Port Logistics gezeigt, können selbst komplexe Verkehrssysteme mithilfe von Big Data deutlich optimiert werden. Ebenso können Organisationen und Unternehmen ihre Angebote besser auf die aktuelle Kundennachfrage ausrichten oder Produktionsanlagen optimiert werden. Entscheider aus dem Mittelstand können aus den Praxisbeispielen Impulse und Anregungen erhalten, in ihren Unternehmen das innovative Potenzial von Big Data zu entdecken. André Sarin | redaktion@regiomanager.de

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