Immobilien (Ausführung)

Hoch, höher, sicherer

Die bundesdeutschen Gerüstbauer sehen positiv in die Zukunft. Sie sind gut gerüstet, die künftigen Anforderungen zu meistern.

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von Regiomanager 01.04.2017
(Foto: © laguna35 – stock.adobe.com)

Sie sind Teil nahezu jeder Baustelle: Gerüste. Seit Jahrtausenden ermöglichen sie außergewöhnliche Bauwerke – von der Pyramide über römische Viadukte bis hin zu heutigen Wolkenkratzern. Ohne Gerüste ist ein schnelles, kostengünstiges und sicheres Bauen nicht möglich. Moderne Gerüste mit Einhausungen sorgen heute für ein wetterunabhängiges Arbeiten: Sie schützen vor extremen Temperaturen, Regen, Eis oder Schnee. Dank ausgefeilter Technik stellen Gerüste zudem immer häufiger eine Alternative zu teuren Zwischenlösungen dar: Sie stehen für höchstmögliche Flexibilität – ob als Abstützung, als Treppenturm, der während der Bauphase den Fluchtweg sicherstellt, oder als Fußgängerbrücke.
Die hohen Standards hierzulande ermöglichen ein sicheres Arbeiten für die entsprechenden Gewerke: innen wie außen, in denkmalgeschützten Gebäuden wie Umbauten bei laufender Produktion. Für nahezu jeden Bereich steht den Gerüstbauern entsprechendes Material zur Umsetzung zur Verfügung. Die Komplexität der Gerüste folgt den immer weitersteigenden Anforderungen an die Gerüstbauer, die in den vergangenen Jahrzehnten stetig gewachsen sind. Stahl- und Aluminiumsysteme sorgen heute für die nötige Festigkeit im jeweiligen Arbeitsbereich. Die Holzleitergerüste von einst können mit den Stahlgerüsten längst nicht mehr mithalten. Und Bambusgerüste, seit Jahrtausenden in Afrika und Asien verwendet, erfüllen in Europa nicht die technischen Anforderungen an die Lastenaufnahme. Nicht der Werkstoff als solches, sondern das Verbinden der Stangen durch einfache Plastikbänder erweist sich schnell als Problem: Die einfache Befestigung hält den Horizontalkräften nicht ausreichend stand und gefährdet somit die Sicherheit. Der Bambus selbst ist als Baustoff nicht schlechter als Stahl.

Einsatz in vielen Bereichen

Den klassischen Baubereich haben „Gerüste“ inzwischen längst verlassen: Wer Konzerte besucht, weiß, dass ohne aufwendige Bühnen nichts mehr geht. Dank tragfähiger Gerüstkonstruktionen erfüllen sie die Anforderungen, die tonnenschwere Technik sicher auf der Bühne und unter dem Bühnendach zu installieren. Neben der Sicherheit steht vor allem der schnelle Auf- und Abbau und ein kostengünstiger Transport im Fokus der Veranstalter. Höchste Sicherheit erfordern auch temporäre Zuschauertribünen, die den Kräften von Jubelbekundungen der Besucher standhalten müssen. Einen weiteren Gerüstbaubereich außerhalb des Bausektors stellen Werbetafeln dar, die genaue Kenntnisse von Statik und Windlasten erfordern.
Das bundesdeutsche Gerüstbauhandwerk schaut angesichts der zunehmenden Einsatzmöglichkeiten positiv ins laufende Jahr. „Wir erwarten 2017 ein Umsatzplus von rund einem Prozent“, prognostiziert Diplom-Betriebswirt Guido Uerschels vom Bundesverband Gerüstbau die Lage in der Branche. Damit setzt sich die positive Entwicklung der vergangenen Jahre fort. Das schlägt sich auch im Umsatz nieder: Von 2012 bis 2014 stieg dieser von 1,945 Milliarden Euro auf 2,165 Milliarden Euro an. „Die Beschäftigungslage im Gerüstbau entwickelte sich dementsprechend ebenfalls gut.“ 2015 beschäftigte die Branche rund 31.000 gewerbliche Mitarbeiter und 5.300 Angestellte und damit zunehmend mehr als in den Vorjahren. Demgegenüber liege die Anzahl der Gerüstbaubetriebe bundesweit stabil bei rund 3.000 Unternehmen.
Während sich der industrielle Gerüstbau in den vergangenen Jahren leicht rückläufig entwickelte, kompensiert die Branche dies durch den Auftragsanstieg im Fassadengerüstbau. Dazu beigetragen hat die gute Auftragslage im Neubaubereich sowie im Gebäudebestand. Die Prognosen über den zusätzlichen Bedarf an Wohnungen in den kommenden Jahren werden ihren positiven Niederschlag auch im Gerüstbau finden. Allein in Essen prognostiziert die Stadt einen zusätzlichen Wohnungsbedarf von 16.000 bis 20.000 Wohnungen in den kommenden fünf Jahren. Große Zuwächse erwarten auch Köln, Düsseldorf und Aachen. Der Trend zurück in die Großstädte füllt auch die Auftragsbücher der Gerüstbauer.
Die Aktivitäten vieler Wohnungsbaugesellschaften in der Gebäudesanierung sowie die bestehende gute Konjunkturlage stützen die positive Wachstumsprognose. Der Bundesverband geht deswegen davon aus, dass gerade im Segment Fassadengerüstbau der Trend für ein solides Umsatzwachstum über das laufende Jahr anhält.

Profis für sicheres Arbeiten

Der Trend des zunehmenden Preisdrucks setzt sich allerdings ebenfalls fort. „Es herrscht ein scharfer Wettbewerb innerhalb der Branche“, stellt Uerschels fest. Trotz des Wettbewerbs sei die Anzahl der Insolvenzen im Gegensatz zu anderen Branchen relativ gering. Das zeugt von der Qualität der Unternehmen. „Die erfolgreiche Übernahme des Gerüstbaus in den Kreis der Vollhandwerke 1998 hat sich bewährt“, betont Uerschels. Gut ausgebildete Gerüstbauer sorgen dafür, dass qualitativ hochwertige und den Normen entsprechende Gerüste aufgebaut werden. Seit 1991 gibt es den Ausbildungsberuf Gerüstbauer.
Der Ausbildungsberuf eröffnet seitdem zusätzliche Chancen für junge Menschen. „Allerdings müssen sie nach wie vor körperlich sowie geistig fit und vor allem schwindelfrei sein“, so Uerschels. Denn die eingerüsteten Objekte würden immer höher und die Anforderungen durch die Auftraggeber immer spezieller. Trotz der guten Ausbildungsvergütung bereitet der Nachwuchsmangel den Unternehmen zunehmend Sorge, obwohl die Zukunftsaussichten in der Branche gut seien. Bedauerlicherweise sei die Anzahl der Azubis von rund 1.000 (2011) auf 718 im Jahr 2015 gesunken. Bundesweit bieten rund 400 Unternehmen eine Ausbildung zum Gerüstbauer an. Nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung stehen den jungen Gesellen mehrere Aufstiegsmöglichkeiten zur Verfügung: geprüfte Gerüstbau-Kolonnenführer, geprüfte Gerüstbau-Obermonteure und/oder die Meisterausbildung. Ein erfolgreich abgeschlossener Meistertitel entspricht dabei dem Bachelor-Abschluss und ermöglicht es, damit auch ohne Abitur studieren zu können. „Einen weiteren Schritt, den Mangel an Fachkräften auszugleichen, haben wir als Verband inzwischen zusätzlich auf den Weg gebracht und in diesem Jahr qualifizierte Weiterbildungen für Quereinsteiger eingeführt.“ Hintergrund sei die Tatsache, dass viele Arbeitnehmer gern in die Gerüstbaubranche wechselten. Dieser Trend sei seit Jahren ungebrochen. Allerdings fehlten bislang die Aufstiegsmöglichkeiten für die Quereinsteiger. „Diese Lücke beginnen wir jetzt zu schließen.“ Damit eröffnet sich Quereinsteigern der Weg bis hin zum Meister. Wie in anderen Branchen auch böten zusätzliche
Fortbildungen die Möglichkeit, gutes Personal durch fachliche und persönliche Weiterentwicklung an das Unternehmen zu binden, wenn andere Anreize ausgeschöpft sind.
In den vergangenen Jahren reagierte die Branche rasch auf die Veränderungen am Markt. Insbesondere die Anforderungen der energetischen Sanierung im Bestand wie im Neubau meisterten die Gerüstbauer erfolgreich ebenso wie die Nutzung neuer Technologien. Trotz allem Höchstmaß an Flexibilität und großem Spezialwissen bleibt das Gespür für das Machbare weiter ein gewichtiger Erfolgsfaktor. Dirk-R. Heuer | redaktion@regiomanager.de

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Fotostrecke

Hängegerüste ermöglichen Arbeiten an schwer zugänglichen Bauteilen wie hier am Kölner Dom (Foto: © hydebrink – stock.adobe.com)

Die Anforderungen an die Branche wachsen weiter – es geht immer höher hinaus (Foto: © johnmerlin – stock.adobe.com)

(Foto: © laguna35 – stock.adobe.com)

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