Management

Dreimal richtig rechnen

Es gibt viele Gründe für einen Unternehmensverkauf. Und es gibt auch viele Wege, um einen vernünftigen Kaufpreis zu ermitteln. Gängig sind derzeit drei Verfahren. So funktionieren die Methoden.

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von Regiomanager 01.06.2016
(Foto: © ra2 studio – stock.adobe.com)

Im Familienkreis findet sich kein geeigneter Nachfolger, der das Lebenswerk des Patriarchen  weiterführen möchte. Die Erben eines Unternehmers können sich einfach nicht einigen. Oder ein Start-up läuft noch kurzer Zeit so gut, dass der Gründer es mit reichlich Gewinn veräußern möchte, um eine neue Firmenidee in die Tat umzusetzen. Die Gründe für Unternehmensverkäufe sind vielfältig, doch eine Frage stellt sich immer: Was ist eigentlich die Firma wert? „Letztendlich ist es natürlich ganz einfach“, sagt Horst Friedrich, Managing-Partner des Beratungshauses ADVISOS Corporate Finance. „Ein Unternehmen ist immer so viel wert, wie ein Käufer zu zahlen bereit ist.“ Der Markt macht den Preis. Um zu einer realistischen Vorstellung vom Firmenwert und damit zu einer vernünftigen Verhandlungsbasis zu kommen, setzen Unternehmenskäufer und -verkäufer aber bestimmte Bewertungsmodelle ein. Auch hier herrscht eine gewisse Vielfalt. Drei Methoden haben sich jedoch etabliert und gelten als gängige Verfahren: die Multiplikatoren-Methode, das Discounted-Cashflow-Verfahren und die Ermittlung des Ertragswertes.

Das Eigenkapital zählt 

Ganz gleich, welches Verfahren zur Berechnung eines möglichen Kaufpreises herangezogen wird – verkaufswillige Firmenlenker sollten sich über einen wesentlichen Aspekt immer im Klaren sein: Der Unternehmenswert setzt sich zusammen aus dem berechneten Wert des Eigenkapitals einerseits und eventuellen Finanzverbindlichkeiten wie Tilgungsraten und Zinsen für Kredite andererseits. Für den Preis, den der Firmenverkäufer erzielen kann, ist jedoch nur der Eigenkapitalwert von Bedeutung. Finanzverbindlichkeiten spielen hier keine Rolle, da die damit verbundenen Zahlungen dem Gläubiger, etwa der finanzierenden Bank, zufließen. Daher ist es wichtig, bei jeder Berechnung zwischen Eigenkapital- und Unternehmenswert klar zu unterschieden  – es sei denn, das Unternehmen hat keinerlei Fremdkapital in der Bilanz. „Das Multiplikatoren-Verfahren ist recht unkompliziert“, erklärt Experte Friedrich. Als Basisgröße für die Berechnung des Firmenwertes wird eine betriebswirtschaftliche Kennzahl herangezogen, die den Jahresüberschuss des Unternehmens angibt, zum Beispiel das Ebit. Die Abkürzung steht für den Begriff „Earnings before interest and taxes“, zu Deutsch also „Gewinn vor Zinsen und Steuern“. Bei der Multiplikatoren-Methode wird das Ebit mit einem bestimmten Faktor – einem sogenannten Multiple – multipliziert. Läge das aktuelle Ebit eines Unternehmens also bei 500.000 Euro und der Multiple bei 6, ergäbe sich ein Unternehmenswert von drei Millionen Euro. Da Zinsen im Ebit noch nicht berücksichtigt sind, werden diese abgezogen. Beliefe sich die jährliche Zinslast auf eine Million Euro, so läge der aktuelle Eigenkapitalwert bei zwei Millionen Euro.

Was die Multiples aussagen

Ist das Prinzip der Multiple-Methode klar, stellt sich die Frage, wo und wie Multiplikatoren ermittelt werden können – und vor allem, was sie überhaupt aussagen. „Ein Multiplikator drückt zunächst einmal die Renditeerwartung des Eigenkapitalinvestors aus“, erklärt Experte Friedrich. Ein Rechenbeispiel macht es deutlich: Bei einem Ebit von 500.000 Euro und einem Multiple von 5  ergibt sich ein Unternehmenswert von 2,5 Millionen Euro. Dies entspricht einer Renditeerwartung – vor Finanzverbindlichkeiten – von 20 Prozent. „Bereinigt werden die Faktoren dann noch um das Risiko von Ertragsschwankungen und um Wachstumschancen“, sagt Friedrichs. Aktuelle Multiples für Unternehmen verschiedener Branchen lassen sich in einschlägigen Datenbanken, etwa beim Dienstleister für Finanzdaten Bloomberg, finden. Die Multiplikatoren ergeben sich aus sogenannten „Comparable Transactions“, sind also Faktoren, die sich bei Transaktionen mit vergleichbaren Unternehmen innerhalb eines gewissen Zeitraumes durchschnittlich realisieren ließen. „Eine andere Methode, um einen passenden Multiple zu ermitteln, ist, sich ein vergleichbares börsennotiertes Unternehmen anzuschauen“, erklärt Friedrich. Der Eigenkapitalwert entspricht der Marktkapitalisierung, also der Anzahl der am Markt befindlichen Aktien multipliziert mit dem aktuellen Kurs. In der Bilanz des Unternehmens ist die Höhe des Fremdkapitals zu erkennen. Diese Summe wird dem Eigenkapitalwert hinzugerechnet, so ergibt sich der Unternehmenswert. Wird dieser durch den operativen Jahresüberschuss dividiert, kommt man auf den Ebit-Multiple.  „Früher wurde zur Ermittlung des Unternehmenswertes über das Multiple-Verfahren meist das Ebit herangezogen“, sagt Friedrichs. Über diese Kennzahl lässt sich die grundsätzliche Funktionsweise des Multiple-Verfahrens auch verständlich erklären. Inzwischen wird bei der Berechnung des Unternehmens- und Eigenkapitalwertes aber oft auf den sogenannten operativen Cashflow statt auf den sogenannten free Cashflow abgestellt, den das Ebit wiedergibt. Interessant ist also der  Zahlungsstrom, letztendlich das Geld, das dem Unternehmen nach operativen Kosten, aber vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen zur Verfügung steht. „Da steuerliche Abschreibungen den Cashflow erhöhen, führt ein Multiplikator auf das Ebita potenziell zu höheren Bewertungen“, sagt Friedrich. Ebita steht für „Earnings before interest, taxes and amortization“ –  Abschreibungen sind also noch nicht berücksichtigt.

Abgezinste Zahlungsströme

Das zweite gängige Verfahren zur Ermittlung des Unternehmenswertes und eines möglichen Kaufpreises ist die Methode des Discounted Cashflow. „Dabei plant man in einem ersten Schritt den jährlichen Cashflow, den das Unternehmern in den kommenden vier bis sechs Jahren voraussichtlich erzielen wird“, erklärt Experte Friedrich. Danach müssen die Cashflows berechnet werden, die die Firma nach Ablauf der Frist von vier bis sechs Jahren erwirtschaften wird. „Das ist der zweite Schritt“, sagt Friedrich. Sind die Cashflows für die kommenden vier bis sechs Jahres errechnet, so wird jede Jahressumme auf ihren heutigen Wert abgezinst. Dafür wird ein bestimmter Zinssatz verwendet,  der gewichtete durchschnittliche Kapitalkostensatz, englisch: Weighted Average Cost of Capital, kurz WACC. Dieser Zins setzt sich aus zwei Komponenten zusammen. Zum einen fließen die  Eigenkapitalkosten ein, die nichts anderes sind als die – tatsächliche oder angenommene – Renditeerwartung des potenziellen Käufers. Die zweite Komponente gibt den Zins für Fremdkapital wieder, das eventuell aufgenommen werden muss, um den Kaufpreis zu finanzieren. „Abgezogen sind hier aber bereits die Steuervorteile des Kreditnehmers“, erklärt Friedrich. Vereinfacht gerechnet: Läge der Kreditzins bei fünf Prozent und der Einkommenssteuersatz des Darlehensnehmers bei 20 Prozent, so würden die Fremdkapitalkosten mit vier Prozent in den WACC einfließen. Die Jahr für Jahr abgezinsten Werte werden nun addiert. Auf lange Sicht können Cashflows natürlich nicht so genau prognostiziert werden wie für die  ersten Jahre nach der Übernahme. „Für die Zeit danach kann man mit einer sogenannten ,ewigen Rente’ rechnen “, sagt Friedrich. Unter „ewiger Rente“ werden gleich bleibende Zahlungen verstanden, die das eingesetzte Kapital nicht verbrauchen und daher zeitlich nicht begrenzt sind. Der ermittelte Cashflow wird auf seinen heutigen Barwert abgezinst und dem für die ersten vier bis sechs Monate errechneten Betrag zugeschlagen. Ähnlich funktioniert es auch, wenn statt einer ewigen Rente eine gewisse jährliche Wachstumsrate unterstellt wird. In diesem Fall ist der Satz, der zur Abzinsung verwendet wird, lediglich um die prozentuale Wachstumserwartung reduziert. „Bei der beschriebenen Methode wird auf den operativen Cashflow abgestellt“, sagt Horst Friedrich. Die Berechnung kann aber auch auf dem free Cashflow basieren. In diesem Fall werden neben Steuern auch mögliche Investitionsausgaben einbezogen.

Wirtschaftsprüfer rechnen anders

„Die dritte gängige Methode zur Ermittlung des Unternehmenswertes und eines möglichen Kaufpreises ist das Ertragswertverfahren“, sagt Friedrich. Dieses wenden in der Regel Wirtschaftsprüfer an, die dabei den Standard IDW S1 des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. be­achten müssen. Beim Ertragswertverfahren werden, ähnlich wie bei der Discounted-Cashflow-Methode, zunächst die Nettozuflüsse geplant, die dem Unternehmen künftig zukommen werden. Die Planung erfolgt auf Basis der voraussichtlich ausschüttbaren Jahresüberschüsse. Diese werden dann mit einem Kapitalisierungszins auf den heutigen Barwert abgezinst. Der Kapitalisierungszinssatz bestimmt sich allerdings ganz anders als der gewichtete durchschnittliche Kapitalkostensatz. Er entspricht dem Basiszinssatz für eine alternative, quasi risikofreie Kapitalmarktanlage, der um eine Marktrisikoprämie erhöht wird. Aufgrund des Niedrigzinsniveaus ist der Basiszinssatz in den vergangenen Jahren ständig gesunken. Zum Vergleich: Am 1. August 2011 lag dieser Zinssatz bei 3,75 Prozent, am 1. April 2015 bei nur noch einem Prozent.

Niedriges Zins­niveau führt zu höheren Kaufpreisen

Je nach angewandtem Verfahren zur Ermittlung des Unternehmens- und des Eigenkapitalwertes ergeben sich natürlich unterschiedliche Summen. „Das Multiple-Verfahren stellt im Unterschied zur Discounted-Cashflow-Methode und zum Ertragswertverfahren nicht auf die Zukunft ab“, erklärt Experte Friedrich. Da der Zins für die Ermittlung des Kaufpreises über den Discounted Cashflow und den Ertragswert eine wichtige Rolle spielt, kommen diese Verfahren aufgrund des niedrigen Zinsniveaus bei ansonsten identischen Berechnungsparametern zu deutlich höheren Kaufpreisen. Für Unternehmensverkäufer in spe kann es sich also durchaus lohnen, den Kaufpreis anhand der drei Verfahren zumindest annähernd zu ermitteln. Die Kenntnis der verschiedenen Möglichkeiten stärkt die Position in den Verhandlungen mit potenziellen Käufern. Aber: Was am Ende tatsächlich gezahlt wird, kann von allen ermittelten Werten deutlich abweichen. Denn am Ende ist der Preis nun einmal das, was der Käufer zu zahlen bereit ist. Andrea Martens I redaktion@regiomanager.de

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