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Topsharing: Two for one

Erfolgreiche Topsharing-Beispiele beweisen, dass auch Führungsaufgaben geteilt werden können. Voraussetzungen sind eine gute Organisation und passende Rahmenbedingungen.

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von Regiomanager 01.06.2018
Foto: © maryvalery – stock.adobe.com

Teilzeitarbeit und Jobsharing, das ist nur etwas für einfache Tätigkeiten. Da waren sich die Experten vor Jahrzehnten noch einig. Sobald Aufgaben komplexer werden oder gar Führungsverantwortung übernommen werden soll, wird der ganze Mann benötigt. Ja, vor allem der Mann, denn Teilzeit galt als Jobmodell für Frauen, die zuhause die Kinder hüten, während der männliche Ernährer voll im Arbeitsleben steht. Völlig undenkbar erschien es, Führungspositionen aufzuteilen. Damit eine Führungskraft die erforderliche Autorität entwickelt, sei ständige Präsenz erforderlich: Wer führen will, muss da sein, wenn man ihn braucht, und darf bei der Arbeit nicht auf die Uhr gucken.

Trotz positiver Beispiele noch ein Randphänomen

Dass es auch anders geht, beweisen seit Jahren tausende von „Jobsharing-Paaren“ – einige davon auch in Führungspositionen. Dabei liest sich die Liste von Unternehmen, die „Topsharing“, wie man das Teilen von Führungsaufgaben nennt, praktizieren, wie ein Auszug aus dem Who’s who der deutschen Großunternehmen – von der Deutschen Telekom über Daimler und Ford bis hin zur Deutschen Bank und Deutschen Bahn. Zahlenmäßig ist Jobsharing, und erst recht Topsharing, allerdings immer noch ein Randphänomen. Zwar bieten laut einer Studie des Deutschen Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im Jahr 2016 fast 90 Prozent der deutschen Unternehmen Teilzeitarbeit an, aber nur 14 Prozent würden eine Stelle an zwei Personen übergeben und nur jedes zehnte Unternehmen besetzt Chefpositionen mit Teilzeitkräften. Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft arbeiten derzeit nur 8,2 Prozent der Führungskräfte in Teilzeit.

Vier Augen sehen mehr als zwei

Dabei bietet das Teilen von Führungspositionen Unternehmen und Mitarbeitern vielfältige Vorteile gegenüber dem klassisch einzeln besetzten Chefposten. Nicht umsonst titelt das Fachmagazin „Personalwirtschaft“ einen Artikel über Topsharing mit „Geteilte Führung, doppelte Power“. Dort wird das Beispiel von zwei Teamleiterinnen im IT-Bereich von T-Systems beschrieben, die zusammen 30 Mitarbeiter führen. „Wir ergänzen uns in fachlicher Qualifikation, können zeitkritische Themen mit doppelter Manpower schneller erledigen und Präsenz an verschiedenen Standorten leichter abdecken“, so Telekom-Führungskraft Nicole Dorazil über die Vorteile des Topsharing. Dorazil und ihre Kollegin Tanja Niebel leisten zusammen rund 50 Wochenstunden, bei denen sie die Arbeitstage flexibel vereinbaren und dies jeweils zu Beginn der Woche planen.

Dass vier Augen mehr sehen als zwei, ist für Experten ein wichtiger Vorteil des Topsharing. Gerade wenn wichtige Entscheidungen anfallen oder Strategien und Konzepte entwickelt werden sollen, nützt es den Unternehmen, dass zwei unterschiedliche Menschen mit idealerweise sich ergänzenden Stärken und Kompetenzen eine Führungsposition ausfüllen. Wichtiger Vorteil für die Teammitglieder ist, dass immer ein Ansprechpartner da ist, und dass vor allem, wenn die Chefs jeder mehr als 50 Prozent eines Vollzeitjobs ausüben. Dabei sind die Teilzeitchefs durch die zeitliche Entlastung des Topsharing-Modells in der Regel wesentlich entspannter. Sie haben mehr Zeit für Familie und Privates und geraten kaum in die Gefahr eines Burnouts. Darüber hinaus kann es passieren, dass Unternehmen hochqualifizierte Mitarbeiter, die ihre Arbeitszeit reduzieren möchten, nur durch ein Teilzeit- oder Jobsharing-Modell überhaupt im Unternehmen halten können. Außerdem ist es grade in Zeiten zunehmender Flexibilisierung gut für das Firmenimage, offen für neue Arbeitszeitmodelle zu sein.

Rahmenbedingungen müssen stimmen

Ist Topsharing also das Führungsmodell der Zukunft? Ja und nein! Wie bereits gesagt, hat die Teilung von Führungspositionen erhebliche Vorteile. Man darf aber nicht verkennen, dass sie auch mit Nachteilen verbunden ist. Zum einen ist der Organisations- und Kommunikationsaufwand für alle Beteiligten natürlich deutlich größer als bei nur einem Chef. Immer müssen zwei Personen informiert, beteiligt und in Entscheidungen einbezogen werden. Und die Tatsache, es immer mit zwei Ansprechpartnern zu tun zu haben, kann bei manchen Teammitgliedern, aber auch bei Kunden, Lieferanten und Kooperationspartnern für Verwirrung sorgen. Plötzlich zwei Chefs zu haben, war so zum Beispiel für Filialmitarbeiter der Commerzbank erst einmal ungewohnt, auch wenn ihr Unternehmen die Teilung von Führungspositionen bereits seit einiger Zeit praktiziert. Nach einer erfolgreich bewältigten Übergangszeit wurde dieses Modell für Kunden und Mitarbeiter aber bald selbstverständlich, und es gibt nach Aussage der zuständigen Personalmanagerin überhaupt keine Effizienzverluste. Von Kunden höre man außerdem oft: „Toll, dass so etwas möglich ist!“, berichtet Commerzbank-Bereichsleiterin Alexandra Warkus.

Gemeinsame Werte – kooperative Persönlichkeiten

Dass Topsharing kein Selbstläufer ist, weiß allerdings auch Personalmanagerin Warkus. „Wir achten darauf, dass die künftigen (Führungs-)Partner über ähnliche Qualifikationen und Kompetenzen verfügen, gut planen und organisieren können und im Team gleichermaßen akzeptiert sind“, betont sie. Dabei zeigen Beispiele, dass es durchaus sinnvoll sein kann, sehr unterschiedliche Tandems zu bilden. So ist Telekom-Managerin Dorazil etwa studierte Wirtschaftswissenschaftlerin, während ihre Tandempartnerin Informatikerin ist. Beim Autobauer Ford wurde ein erfolgreiches Tandem aus einem 56-jährigen Mann und einer 39-jährigen Frau gebildet. Sie managen zusammen die Personalleitung der Ford-Europazentrale. Unterschiede bezüglich der Ausbildung, des Alters, Geschlechts und beruflichen Hintergrunds müssen absolut kein Hindernis sein, wenn die Grundhaltung zur Aufgabe und die persönlichen Werte übereinstimmen.

Von noch entscheidenderer Bedeutung für das Funktionieren eines Führungstandems ist wohl die Persönlichkeit der Partner. Extreme Selbstdarsteller und narzisstische Charaktere sollten lieber die Finger vom Topsharing lassen. Unterschiede können das Führungsduo bereichern, krasse Gegensätze werden sich entgegen dem Sprichwort auf Dauer eher abstoßen. Zwei wie Feuer und Wasser werden kaum gut zusammenarbeiten. Ein weiteres wichtiges Persönlichkeitsmerkmal für Topsharer ist die Fähigkeit zur Planung und zum strukturierten Arbeiten. Ohne einen systematischen Informationsaustausch, eine gut organisierte Ablage, einen gemeinsamen (Mail-)Posteingang und die Bereitschaft, sich an Absprachen zu halten, ist das Tandem von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Und Unternehmen sollten bei der Einrichtung eines Führungstandems nicht am falschen Ende sparen und Zeiten ermöglichen, in denen beide Partner anwesend sind. Zweimal 60 Prozent Arbeitszeit ist hier auf jeden Fall besser als zweimal 50 Prozent oder weniger.

Auch ein Modell für den Mittelstand?

Noch ist die Teilung von Führungspositionen in deutschen Unternehmen ein Randphänomen und wird vor allem in Großunternehmen und da von Frauen in unteren und mittleren Führungsebenen genutzt. Wenn man die nötigen Rahmenbedingungen beachtet, bietet Topsharing ein erhebliches Potenzial, das Unternehmen nicht ungenutzt lassen sollten. Auch und gerade der Mittelstand könnte von der Adaption flexiblerer Arbeits- und Führungsmodelle profitieren – zum Beispiel indem ein langjähriger Firmenchef seinen Nachfolger in Teilzeit an seine neue Aufgabe heranführt oder seinen 80-Stunden-Job an zwei Nachfolger übergibt …

Michael Otterbein | redaktion@regiomanager.de

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