Kolumne

KOLUMNE Parallelwelten: Das Energiedilemma

Um die Energieversorgung sicherzustellen, muss von Dogmen abgerückt werden, meint Simone Harland.

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von Simone Harland 06.01.2023
(© Viktoria – stock.adobe.com)

Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich im Warmen. Und fühle mich dabei nicht wirklich gut. Obwohl der Raum, in dem ich mich aufhalte, der einzige ist, den ich so heize, dass ich in ihm sitzen kann, ohne zu frieren. Dass ich im Zwiebellook gekleidet bin, versteht sich von selbst, denn mehrere Kleidungsschichten halten warm und ich brauche das Thermostat nicht so weit aufdrehen.
Eigentlich finde ich es schrecklich, ein schlechtes Gewissen zu haben und mich schuldig dafür zu fühlen, dass ich nicht frieren möchte. Denn natürlich ist es völlig in Ordnung, nicht frieren zu wollen. Doch angesichts der Szenarien über eine Energiemangellage will ich selbstverständlich Energie sparen, wo es nur geht. Auch angesichts meines Geldbeutels.
Und dann lese ich, dass die deutsche Bundesregierung einen Vertrag mit Katar über die Lieferung von Flüssiggas geschlossen hat – bis zu 2 Millionen Tonnen soll Katar über eine Laufzeit von wenigstens 15 Jahren ab 2026 jährlich liefern. Katar! Das Land, das Frauen nach einer Vergewaltigung ins Gefängnis wirft oder sie zu Peitschenhieben verurteilt, weil es sich bei der Vergewaltigung um eine sexuelle Beziehung außerhalb der Ehe handelt und diese verboten ist. Das Land, das Homosexualität streng bestraft. Ein Land, das die Menschenrechte missachtet.
Zwar ist die Liefermenge im Vergleich zum Gasverbrauch in Deutschland recht klein. 2 Millionen Tonnen Flüssiggas (LNG) entsprechen etwa 2,7 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Das macht bei einem jährlichen Erdgasverbrauch von rd. 90 Milliarden Kubikmetern einen Anteil von etwa 3 Prozent aus. Dennoch ist so ein Deal nicht nur angesichts der Erfahrungen mit Russland schwierig, sondern auch aus anderen Gründen. Das Gas muss zunächst unter Energieaufwand gekühlt werden, damit es sich verflüssigt, es wird dann per Schiff unter Verbrauch von Energie und dem weiteren Ausstoß an Treibhausgasen zu uns transportiert und hier werden wiederum Energie und weitere Ressourcen für den Bau von LNG-Terminals eingesetzt. Prima fürs Klima, oder?
Selbstverständlich verstehe ich den Druck, unter dem die Politik derzeit steht. Den Druck, genug Energiequellen bereitzustellen, die den Wärme- und Stromverbrauch von Industrie und Privathaushalten decken. Was ich jedoch nicht verstehe: Warum wird dann im Inneren nicht zumindest zeitweilig von Dogmen wie dem raschen Atomausstieg Abstand genommen, sondern lieber vermehrt auf fossile und damit emissionsreiche Brennstoffe gesetzt?
Ich bin kein Fan von Atomenergie, habe viele Jahre in unmittelbarer Nachbarschaft eines Atomkraftwerks gewohnt und weiß um die Gefahren und vor allem um das Problem der sogenannten Endlagerung von radioaktivem Müll. Doch lagern wir mit der derzeitigen Politik die Gefahren nicht aus? Ist es zum Beispiel egal, wie es um Menschenrechte steht, wenn ein Land nur weit genug entfernt ist, sodass wir die sich dort abspielenden Dramen außerhalb von Fußball- oder anderen Großereignissen kaum mitbekommen?
Die Lippenbekenntnisse der Politik, das Tragen von One-Love-Armbinden, um sich moralisch aufzuwerten und dann doch Geschäfte mit einem solchen Staat zu machen, ist das nicht ein Widerspruch in sich? Meiner Meinung ja.
Eine Lösung für die derzeitigen Probleme mit der Energieversorgung habe ich leider auch nicht. Und nein, ich will im Winter auch nicht frieren. Deshalb ist das, was ich schreibe, vielleicht auch nur ein Lippenbekenntnis. Denn ich profitiere ebenfalls von Deals wie dem mit Katar. Nur leider sehe ich derzeit keine wirklichen Fortschritte in dem ganzen Energiedilemma. Stattdessen schiebt, so scheint es jedenfalls, in der Politik jeder dem anderen den schwarzen Peter zu, anstatt neue Ideen zu fördern, Bürokratiehemmnisse für bestehende Möglichkeiten zur Strom- oder Wärmeerzeugung abzubauen, Förderprogramme zu stärken, statt sie schwächen, oder Techniken zu nutzen, an denen andere Länder bereits arbeiten. China zum Beispiel setzt derzeit auf sogenannte Thorium-Reaktoren. Dabei handelt es sich um kleine Atomreaktoren, bei denen keine Gefahr eines Super-GAUs bestehen soll. Damit ließe sich Strom erzeugen, bei dem keine CO2-Emissionen produziert werden. Es ist jedoch derzeit hier politisch nicht gewollt, neben anderen auch solche Wege zu verfolgen. Vielleicht ist das richtig, vielleicht auch nicht. Zumindest eine ergebnisoffene Diskussion darüber würde ich mir wünschen.
Aber: Ich kann mir viel wünschen. Das Einzige, was ich selbst tun kann, ist, die Heizung herunterzudrehen und meinen Energieverbrauch weiter zu senken. Zieh ich mir halt noch eine Strickjacke über und wickele mir eine Decke um die Beine.

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