Kolumne

Parallelwelten: Wahre Stärke

Wie sich manipulative Verhandlungspartner in die Schranken weisen lassen, zeigt Simone Harland.

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von Regiomanager 19.11.2020
(Foto: ©tarasov_vl – stock.adobe.com)

Zuhören, auf die Bedürfnisse von anderen Menschen eingehen, mitfühlen, um zu erkennen, was der andere meint, vor allen Dingen jedoch braucht – all das sind Eigenschaften, die im Berufsleben eine immer wichtigere Rolle spielen. Im Kundenkontakt, im Gespräch mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und natürlich in Verhandlungen. Denn wem zugehört wird und wer das Gefühl bekommt, verstanden zu sein, ist bereit zu vertrauen. Das kann sich bei Kunden und in Verhandlungen in barer Münze auszahlen, bei Mitarbeitern in einer höheren Leistungsbereitschaft.
Leider scheint sich das noch nicht überall herumgesprochen zu haben. Noch immer lässt der Umgang mit Mitarbeitern in vielen Unternehmen zu wünschen übrig, noch immer denken in den Führungsetagen manche, mit ihrem Produkt den Heiligen Gral zu verkaufen, an den die Kunden keine weiteren Ansprüche stellen dürfen. Und Manager, die genau die oben genannten Eigenschaften aufweisen, werden als Weicheier belächelt.
Was nun können Führungskräfte tun, die handeln (wollen), wie oben beschrieben, um sich in einem Meer voller Raubfische durchzusetzen? Müssen sie sich anpassen, um mitschwimmen zu können? Auf keinen Fall! Sie müssen jedoch wissen, wie sie sich durchsetzen. Vor allem, wenn sie zunächst belächelt werden.
In Verhandlungen etwa kann das bedeuten, zunächst mehr zu fordern, als Sie letztlich wollen. Das ist insbesondere bei Verhandlungspartnern wichtig, die das Gefühl brauchen zu gewinnen. Ebenso wichtig ist es, nicht auf Manipulationen einzugehen. So hat ein Verhandlungspartner, der eine schnelle Entscheidung fordert, nicht immer das Beste für den anderen im Sinn. Das Gleiche gilt für diejenigen, die mit den Gefühlen des Verhandlungspartners spielen. Ein Beispiel: Bei jemandem, der einem anderen kategorisch mitteilt, seine Einschätzung sei falsch, ist Vorsicht angebracht. Denn das kleine Wort „falsch“ soll verunsichern. Der Verhandlungspartner, dessen Einschätzung vermeintlich falsch ist, überlegt, warum er so falschliegt, und wird dadurch empfänglicher für die Argumente des anderen.
Auch wenn jemand von sich behauptet, er sei Experte für ein Thema, sollten Sie achtgeben. Denn damit bedeutet er Ihnen, dass er ohnehin argumentativ überlegen ist und Sie keine Chance haben. In vielen Fällen steckt dahinter jedoch nur heiße Luft. Wenn Sie gut vorbereitet sind, können Sie über solche Bemerkungen nonchalant hinweggehen.
Andere Gesprächspartner sind nicht nur unsensibel oder manipulativ, sondern zudem noch respektlos. Sie überschreiten Grenzen, etwa, indem sie anderen ungefragt die Hand auf die Schulter legen, um damit ihre Dominanz zu zeigen, oder sie greifen andere direkt an. Ein Gegenangriff ist in einer solchen Situation unnütz. Sie haben jedoch verschiedene Möglichkeiten, das Gespräch wieder auf eine andere Ebene zu bringen, z.B. indem Sie Fragen stellen wie: „Verstehe ich Sie richtig? Sind Sie derzeit verärgert?“ Genauso können Sie den Angriff als solchen benennen: „Sehe ich das richtig? Greifen Sie mich gerade an?“ Oder aber Sie sagen: „Lassen Sie uns bitte sachlich bleiben.“ Je ruhiger Sie reagieren, umso besser. Damit nehmen Sie dem anderen den Wind aus den Segeln und zeigen weiteren Teilnehmern des Gesprächs, dass Sie sich nicht auf die gleiche Stufe begeben. Auch der Angreifer wird sich in den meisten Fällen zurücknehmen, schon allein, um sich nicht zu blamieren.
Natürlich fällt es in solchen Situationen schwer, ruhig zu bleiben; doch das beste Vorbild dafür, dass es gelingen kann, ist Angela Merkel. Sogar wenn man ihr und ihrer Politik nichts abgewinnen kann, ist es doch immer wieder bewundernswert, wie sie auf Angriffe, Abwertungen oder Dominanzgesten reagiert. Selbst Alphatieren wie Donald Trump oder Wladimir Putin gelingt es nicht, sie bloßzustellen. Sie ist in der Regel höflich, dabei jedoch distanziert, geht auf Angriffe nicht ein, sondern bleibt bei der Sache und nimmt den anderen so den Wind aus den Segeln. Wahre Stärke zeigen in diesem Fall nicht die Angreifer, sondern die Angegriffene – das ist für die meisten Beobachter offensichtlich. Und genauso ist es auch im Geschäftsleben. Bleiben Sie ruhig, sachlich, machen Sie andere durchaus auch auf Respektlosigkeiten aufmerksam, greifen Sie jedoch nicht an. Sie werden sich Ihren Respekt im Haifischbecken in kürzester Zeit erwerben und sich dabei treu bleiben.
Simone Harland | redaktion@regiomanager.de

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