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Gutes Wasser und eine Kiste für Shakira

Landschaftliche Vielfalt und traditionsreiche wirtschaftliche Aktivität: „Nischenprodukte“ finden Aufmerksamkeit.

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von Regiomanager 01.09.2016
August Kortenhaus mit Sohn Ernst und Mitarbeitern mit einer reparierten Turmuhr im Jahre 1925

Als der Erzbischof von Köln den Rittern von Elberfeld im Jahre 1386 das Recht übertrug, in der Siedlung Haan Maße und Gewichte zum Backen und Brauen überprüfen zu dürfen, ist damit erstmals die Existenz eines Jahrmarkts dokumentiert. Ein Jahrmarkt ist aber deutlicher Beleg für Handel; der urkundliche Nachweis steht für uralte wirtschaftliche Aktivität im heutigen Kreis Mettmann.
Aus dem Jahre 1545 datiert die erste urkundliche Erwähnung eines Kalkofens in Gruiten, wenige Jahre später findet sich 1589 ein erster Nachweis auf das Schleifgewerbe im südlichen Teil des heutigen Landkreises. Auch der älteste und natürlich berühmteste Bewohner der Region, der Neandertaler, verdankt seine Wiederentdeckung gewerblicher Aktivität. Der im Zuge der Industrialisierung einsetzende Kalkabbau veränderte nicht nur das Aussehen des Neandertals nachhaltig: 1856 wurden Skelettteile gefunden, die später als frühmenschliche Überreste identifiziert wurden. Der Fund aus dem Neandertal ist wohl stattliche 42.000 Jahre alt – seitdem weltweiter Begriff und macht deutlich, dass schon vor langer Zeit Menschen hier lebten und sich offenbar wohlgefühlt haben. Einzelheiten späterer Urbanität liegen im Verborgenen, deutlich wird aber, dass die Region ihre Reize hat: landschaftliche Vielfalt, die ihresgleichen sucht. Von den niederbergischen Hügeln im Norden bis hin zu den Rheinauen im Süden präsentiert sich ein topografisch abwechslungsreicher und vor allem erstaunlich grüner Kreis Mettmann.
Allen Städten der Region gemeinsam ist das Handwerk als Fundament der örtlichen Wirtschaft. Moderne Industrie ist ebenso zu finden wie traditionsreiche Unternehmen. So soll es sich schon im Mittelalter herumgesprochen haben, dass das Wasser der Felsenquelle besonders gut schmeckt und auch bei Krankheiten hilft. „Genk nar de Püttdelle en hol en Krug water“ hieß das Rezept, wenn man sich krank und elend fühlte. Weil aber an der Haaner Felsenquelle sogar ein Schwert aus der Bronzezeit gefunden wurde (circa 2000 v. Chr.), ist davon auszugehen, dass die Menschen schon vor Urzeiten das kühle Nass zu schätzen wussten. „Datt joode Water“ („das gute Wasser“) priesen sie es zumindest vor gut 100 Jahren, als 1909 damit begonnen wurde, das Wasser in Flaschen abzufüllen.

„Datt joode Water“

Doktor Dörr aus Solingen sicherte sich das Wasserrecht, bohrte im Quellbereich einen Brunnen, füllte Flaschen ab und verkaufte diese in den umliegenden Dörfern. Dabei war Wasser als Erfrischungsgetränk damals eher unbekannt und wurde als Medizin von alten und kranken Menschen getrunken. Das änderte sich auch in den folgenden 50 Jahren kaum, ehe Mineralwasser das Erfolgsgetränk wurde, als das wir es heute kennen. 1950 trank jeder Bundesbürger etwa einen Liter im Jahr, mittlerweile liegt der Maßstab bei 136 Litern pro Jahr. Rund 40 Millionen Flaschen füllt die Haaner Felsenquelle im Jahr ab, die heutige Eigentümerfamilie Römer bietet 200 Produktvarianten an.
Obwohl Bestseller, ist Mineralwasser eher ein Nischenprodukt. Das gilt auch für ein Produkt, das Josef Bohle ausgerechnet im Hyperinflationsjahr 1923 zum „Unternehmer“ machte. In der Werkstatt seines Schwagers in Ohligs richtete er sich eine kleine Ecke ein, um Schneiderädchen für das Glasschneiden zu produzieren. Messerfabrikanten integrierten es in ihre Taschenmesser: Neben Klingen, Korkenzieher und weiteren Werkzeugen wurden die Messer auch mit einem Glasschneiderädchen bestückt.
Die Fertigung kompletter Glasschneider unter den Marken JBOR (Josef Bohle Ohligs Rheinland) und JBOR-Extra folgte 1932. Wenig später stand die Geburtsstunde der Marke Silberschnitt an; das Qualitätswerkzeug sollte in Fachkreisen eine weltweite Reputation erreichen. Und obwohl dieses deutsche Wort für manchen Ausländer schwierig auszusprechen war, wurde es in der ganzen Welt im Bereich der Glasbearbeitung bekannt. Mit einem Sortiment von über 10.000 Artikeln rund ums Glas ist die Bohle Gruppe europaweit führender Hersteller und Großhändler von Werkzeugen, Maschinen, Beschlag und Verbrauchsmaterialien für die Glasbearbeitung. Das Unternehmen exportiert in über 100 Länder und zählt weltweit an seinen 13 Standorten über 320 Beschäftigte.

„Silberschnitt“

Bleiben wir bei den „Nischenprodukten“. Das gilt nicht für die traditionsreiche Druckerei Wölfer, wohl aber für die eigene Zeitung „Haaner Volkszeitung“, die der Druckerei 1892 zugeordnet wurde. Firmengründer Wilhelm Hochstatt verkaufte das Unternehmen 1894 an Wilhelm Wölfer, die Zeitung wurde 1942 eingestellt. Zwangsbewirtschaftung und der Druck von Bezugskarten folgten zum Ende des Zweiten Weltkrieges, Jahre der Entwicklung gingen 1989 der Übernahme des Druckereibetriebes durch Martin Leithäuser voraus, der die Offsettechnik und industrielle Fertigungsmethoden einführte, die Produktionsfläche ausbaute und das Druckereigeschäft um die Herstellung von Werbeartikeln wie Kalender erweiterte. Zeitmessung spielt auch beim ältesten Unternehmen des Kreises Mettmann, dem Uhrmacher- und Goldschmiede-Geschäft Kortenhaus in Mettmann große Bedeutung. 1803 entschloss sich Wilhelm Heinrich Kortenhaus, die Weberei aufzugeben und sich am Wohnsitz Schäller als Uhrmacher eine Zukunft aufzubauen. Zu Zeiten der napoleonischen Kontinentalsperre litt das bergische Uhrmacherhandwerk zwar unter den daraus resultierenden Nachwirkungen und auch unter dem wachsenden Konkurrenzdruck aus dem Schwarzwald, aber Wilhelm Heinrich Kortenhaus wusste seine autodidaktischen Fähigkeiten so geschickt einzusetzen, dass er sich aufgrund der Qualität seiner Uhren einen Namen machte: Noch heute sind mehr als 20 Uhren aus seiner Werkstatt bekannt, die nach wie vor ihren Dienst als optische und akustische Zeitanzeiger verrichten. Zwei Uhren entstanden je Jahr in Handarbeit, Kortenhaus wartete und reparierte die Kirchturmuhren der Umgebung. Spätere Generationen setzten auf Taschen- und Armbanduhren, aber auch auf Schmuck, Silberwaren und optische Artikel.

Farben für die
Künstler der Welt

Optik spielte auch 1881 eine Rolle, als die verschwägerten Farbenchemiker Josef Horadam und Hermann Schmincke auf der Suche nach traditionellen hochwertigen Rezepten für Künstler-Ölfarben an der Akademie von Florenz die traditionellen Harz-Ölfarben-Rezepturen des Professors Cesare Mussini entdeckten. Auf Basis dieser Rezepturen gründeten sie unter dem Namen H. Schmincke & Co. ihren Produktionsbetrieb. Beste Künstlerfarben werden von Erkrath aus längst in die ganze Welt geliefert, im vorigen Jahr wurde Schmincke schon zum zweiten Mal als „Marke des Jahrhunderts“ ausgezeichnet. Leuchtende Farben spielen auch bei der im Jahre 1900 von Johann Nikolaus Reinartz in Düsseldorf gegründeten Essenzenfabrik nach wie vor eine hohe Bedeutung. Durch Berichte aus Amerika angeregt, verfolgte er das Ziel, Limonadenessenzen aus Früchten herzustellen. In Hilden wurden Kirsch-, Himbeer- und Erdbeerplantagen angelegt und eine Fabrik gebaut. Das Aroma köstlicher Früchte ist auch heute noch in den Sirupen enthalten, die für die Herstellung von Eistee, Biermischgetränken und Energy-Drinks eingesetzt werden; bekannt sind auch die Warenzeichen California-Getränke und Raboll.
Diese werden in Flaschen abgefüllt – andere Verpackungsvarianten dominieren seit 1912 bei „Kisten Jansen“ in Langenfeld. Hier werden Holzkisten für nahezu jedes Produkt und jeden Vertriebsweg maßgeschneidert. Dünnere Wände bei Luftfracht, stabile Wände, wenn die Fracht aufs Schiff geht. Besondere Aufträge bleiben im Gedächtnis: Eine große Shakira-Stahlfigur wurde für den Auftritt der kolumbianischen Sängerin 2004 bei der Unesco-Gala in Neuss entworfen. Als Dank durfte Shakira ihr Kunstwerk mit nach Hause nehmen – verpackt von „Kisten Jansen“. Auch eine der bekannten Affen-Skulpturen des Düsseldorfer Künstlers Jörg Immendorff fand ihren sicheren Platz in einer Kiste aus Langenfeld.

Reinhold Häken | redaktion@regiomanager.de

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