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Den Kuchen teilen

Mitarbeiterbeteiligungen sind gerade für junge, wachsende Unternehmen eine gute Möglichkeit, Beschäftigten zusätzlich zum Gehalt interessante Anreize zu bieten. Doch anders als in den USA waren vor allem Mitarbeiteraktien hierzulande bislang aus steuerlichen Gründen wenig attraktiv. Das ändert sich jetzt.

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von Andrea Martens 17.01.2024
(© ­­­deagreez – stock.adobe.com)

Vielleicht hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) für diesen Gesetzentwurf einen Blick in die USA geworfen. Denn dort ist es schon seit vielen Jahren üblich, dass junge, aufstrebende Unternehmen ihre Mitarbeiter am wirtschaftlichen Erfolg der Firma beteiligen. Das gilt nicht nur für das Silicon Valley. In Deutschland hingegen haben sich Mitarbeiterbeteiligungen bei Start-ups noch nicht flächendeckend durchgesetzt. So zeigt etwa der Start-up Report 2023, für den der Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche (Bitkom) im Frühjahr dieses Jahres 203 junge Tech-Firmen befragt hat, dass gerade einmal 38 Prozent ihre Beschäftigten am Unternehmen beteiligen.

Höhere Attraktivität erwünscht

Wie der Bitkom einräumt, ist die Umfrage zwar nicht repräsentativ. Sie liefert aber ein gutes Stimmungsbild für Start-ups in Deutschland. Der Studie zufolge können sich immerhin 48 Prozent der Befragten für die Zukunft vorstellen, Mitarbeiterbeteiligungen einzuführen (siehe Grafik). 73 Prozent wünschen sich, dass die Bundesregierung die Attraktivität solcher Instrumente erhöht. Nach langem Ringen ist genau das nun auch passiert. Denn das Zukunftsfinanzierungsgesetz, das der Bundestag Mitte November beschlossen hat, verbessert die rechtlichen und steuerlichen Voraussetzungen erheblich.
In den USA haben junge, wachsende Unternehmen die Vorteile von Mitarbeiterbeteiligungen längst erkannt. Start-ups fordern ihren Beschäftigten in der Regel viel Flexibilität, Kreativität und ein hohes Arbeitspensum ab. Vor allem in der Anfangsphase steht dies jedoch im Widerspruch zu einer häufig noch geringen Entlohnung. Einen Ausgleich kann eine Beteiligung der Beschäftigten am späteren Erfolg der Firma bieten. 

Im „War of Talents“ bestehen

Zudem kommen Studien immer wieder zu dem Ergebnis, dass Beteiligungen dieser Art die Motivation der Mitarbeiter erhöhen. Und nicht zuletzt führt der demografische Wandel zu einem stetig zunehmenden Wettbewerb um junge Talente und erfahrene Experten – dem „War of Talents“. Daher müssen Unternehmen aller Größen jenseits des Gehalts Anreize bieten, um zu überzeugen. Mitarbeiterbeteiligungen gewinnen daher auch in Deutschland und gerade für Start-ups an Bedeutung.
Wie in den USA gibt es auch hierzulande zahlreiche Möglichkeiten, Beschäftigte am (künftigen) Firmenerfolg teilhaben zu lassen. Dabei sind zunächst einmal immaterielle von materiellen Beteiligungen zu unterscheiden. Bei der immateriellen Variante geht es um die Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen, etwa die Planung und Umsetzung innovativer Projekte. Eine Kapitalbeteiligung – die natürlich auch neben eine immaterielle Teilhabe treten kann – stellt hingegen einen rein finanziellen Anreiz dar.
Auch hier sind vielfältige Gestaltungsvarianten möglich. Gerade in kleineren Unternehmen sind Genussrechte eine gern genutzte Beteiligungsform. Dabei handelt es sich um Vermögensrechte, die in Genussscheinen verbrieft werden. Praktisch ist, dass Genussrechte unabhängig von der Rechtsform der Firma ausgereicht werden können. Zudem sieht die deutsche Gesetzeslage nur wenig Regelungen für solche Beteiligungen am Unternehmensgewinn vor, sodass sie sich recht flexibel gestalten lassen.

Stille Gesellschafter

Eine weitere Version ist die sogenannte stille Beteiligung. Diese kann so ausgestaltet werden, dass sie in der Bilanz eines Start-ups entweder dem Fremd- oder dem Eigenkapital zugerechnet wird. Die stillen Gesellschafter können grundsätzlich am Gewinn und am Verlust der Firma partizipieren. Die Verlustbeteiligung kann aber auch ausgeschlossen werden. In diesem Fall zählt die stille Beteiligung zum Fremdkapital.
Natürlich haben Start-ups auch die Möglichkeit, Beschäftigte zu realen Gesellschaftern des Unternehmens zu machen. Diese Form eignet sich allerdings eher für Firmen, die schon einige Jahre am Markt sind, da die Ausgabe von Gesellschaftsanteilen häufig recht komplex, zeitaufwendig und teuer ist. Firmiert das Unternehmen in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), können GmbH-Anteile ausgegeben werden. Die Beteiligung von Mitarbeitern am Stammkapital macht sie zu stimmberechtigten Gesellschaftern mit umfassenden Mitsprache- und Kontrollbefugnissen. Im Falle einer Insolvenz droht allerdings ein vollständiger Kapitalverlust. Erfolgreiche Start-ups, die sich auf einen künftigen Börsengang vorbereiten, wandeln ihre Rechtsform häufig schon eine ganze Zeit lang vor dem Initial Public Offering (IPO) von einer GmbH in eine Aktiengesellschaft (AG) um. Ab diesem Zeitpunkt kommt die Ausgabe von Belegschaftsaktien infrage. Auch bei solchen Beteiligungsprogrammen, englisch Employee Stock Ownership Plans (ESOPs), erwerben die Mitarbeiter eines Unternehmens reale Gesellschaftsanteile. Die Aktien erhalten sie oft zu einem vergünstigten Preis oder als Teil eines Vergütungspakets.

Steuerlicher Haken

Bislang hatte die Ausgabe von Belegschaftsaktien in Deutschland aber einen erheblichen Haken: Sobald diese im Rahmen eines ESOP-Programms in den Besitz der Mitarbeiter übergingen, mussten diese den vermögenswerten Vorteil zusätzlich zu ihrem Gehalt versteuern. Dadurch kam es zu der sogenannten „Dry-Income-Problematik“: Steuern sind zu zahlen, obwohl tatsächlich gar kein Geld geflossen ist. Zwar dürfen kleine und mittlere Unternehmen, die jünger als zwölf Jahre sind, seit 2021 die Besteuerung bis zu zwölf Jahre oder bis zum Zeitpunkt des Austritts eines Beschäftigten aufschieben. Dennoch bedeutete die Steuerproblematik einen Standortnachteil.
Daher nutzen junge Firmen bislang häufig Virtual Stock Option Plans (VSOPs), bei denen Mitarbeiter rein virtuelle Aktienoptionen erhalten. Damit haben sie einen Anspruch auf Gewinnbeteiligung bei einer Veräußerung des Unternehmens. Dieser wird als Teil des Gehalts ausgezahlt, sodass die Dry-Income-Problematik nicht auftreten kann.

Änderungen ab Anfang 2024

Doch nun hat Finanzminister Lindner mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz, das ab dem 1. Januar 2024 Wirkung entfalten wird, lang ersehnte steuerliche Erleichterungen für ESOPs geschaffen. So sieht das neue Regelwerk vor, dass Steuern auf überlassene Unternehmensanteile erst dann fällig werden, wenn Mitarbeiter damit auch tatsächlich Gewinne realisieren – und nicht bereits bei einem Arbeitgeberwechsel. Die Dry-Income-Problematik wird also weitestgehend gelöst.
„Gegenüber dem früheren Kabinettsentwurf hat sich zweitens verbessert, dass auch sogenannte vinkulierte Anteile im Gesetzestext erwähnt werden und damit deutlich mehr Rechtssicherheit für diese fast ausnahmslos genutzte Variante der Mitarbeiterbeteiligung hergestellt und die Neuregelung somit wirklich praxistauglich wird“, erklärt Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst. Bei vinkulierten Aktien handelt es sich um eine besondere Form von Namensaktien, deren Eigentumsübertragung von der satzungsgemäßen Zustimmung der jeweiligen Aktiengesellschaft abhängt. „Drittens können auch größere und ältere Start-ups von den Neuregelungen profitieren“, so Wintergerst. Das ist richtig, denn die veränderten Vorgaben gelten auch für Unternehmen, die älter sind als zwölf Jahre.
Tatsächlich könnte das Zukunftsfinanzierungsgesetz deutschen Start-ups enorme Vorteile verschaffen, urteilt auch der US-Wagniskapitalgebers Index Ventures in einer Studie, über die zuerst das „Handelsblatt“ berichtete. Bisher hatte Deutschland im Ranking von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen unter 24 Ländern den letzten Rang eingenommen. Künftig könnte die Bundesrepublik auf Platz fünf hochschnellen – und läge damit knapp hinter den USA.

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