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Hidden Champions: Im Dorf und auf der Welt zu Hause

Die Hidden Champions aus OWL.

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von Regiomanager 06.02.2020
(Foto: ©Felix Pergande – stock.adobe.com)

Wenn ab April endlich die lang ersehnten „Knutschkugeln“ wieder über unsere Straßen cruisen, dann sind sie nicht nur zeitgemäße Kultobjekte. Nein, der „Karo“, inspiriert vom Design der legendären BMW Isetta, kann durchaus auch als Symbol betrachtet werden: Er steht für das Produkt eines typischen „Hidden Champions“. So ein versteckter Weltmeister ist jemand, den kaum einer kennt, obwohl er ausgesprochen erfolgreich ist. Mittelständische Weltmarktführer werden so genannt, der Begriff geht auf den Wirtschaftsprofessor und Sachbuchautor Wolfgang Simon zurück. 1986 hatte er sich auf die Suche gemacht nach dem Geheimnis der nationalen Wirtschaftskraft. In diesem Jahr war Deutschland zum ersten Mal Exportweltmeister geworden. Hidden Champions seien ein maßgebliches Merkmal in der Konkurrenz auf den globalen Märkten, so fand er heraus und entdeckte auch, dass außergewöhnlich viele dieser Firmen in Ostwestfalen-Lippe beheimatet sind. Bei den Industrie- und Handelskammern sind in dieser Region bislang etwa 100 Hidden Champions gelistet. Der Definition nach gehören sie zu den Top 3 in ihrem Weltmarkt oder sind die Nummer 1 auf ihrem Heimatkontinent; außerdem machen sie in der Regel weniger als drei Milliarden Euro Jahresumsatz, sind meist inhabergeführt, nicht börsenorientiert und in der Öffentlichkeit kaum bekannt. Manchmal bedienen sie einen Nischenmarkt. Die Delbrücker Firma Artega, die den neuen Elektroflitzer baut, ist auch mit ihrer Firmenhistorie typisch für diese Kategorie erfolgreicher Unternehmer.

Bodenständigkeit hilft beim weltweiten Agieren

Als in den 1830er-Jahren die ersten Elektrofahrzeuge erfunden wurden, gab es auch eines in der Familie des heutigen Artega-Geschäftsführers Klaus Dieter Frers. 1835 hatte nämlich einer seiner Vorfahren, selbst schon erfolgreicher Unternehmer, ein Elektroauto gebaut. Frers, der zugleich auch Chef der mit Artega verbundenen Firmen Voltabox und Paragon ist, hat sich inzwischen ein einzigartiges Dreigestirn von höchster technologischer Kompetenz geschaffen: Paragon als Elektronikhersteller mit Schwerpunkt Automobilelektronik liefert die Hardware, Voltabox als Batteriehersteller sorgt für den nötigen Saft der umweltfreundlichen Autos. Seit er 2017 erstmals auf dem Automobilsalon in Genf vorgestellt wurde, ist der Elektro-Sportwagen Scalo Superelletra weltweit gefragt. Ostwestfälischen Unternehmern sagt man nach, deswegen so zahlreich unter den versteckten Weltmeistern zu sein, weil sie um sich selbst nicht viel Wind machen. Bodenständig und der Region verbunden seien sie, an der Sache, an ihrem Produkt orientiert, nicht an der eigenen Person. Westlich des weitläufigen Firmengeländes liegt die Innenstadt von Delbrück, im Osten grenzen Felder und Wiesen an die Artega GmbH. Wer mit dem Trecker vorbeifährt, denkt beim Anblick der Hallen nicht daran, dass von hier aus global erfolgreich gehandelt wird.

Der größte deutsche Versicherungsmakler für Unternehmen sitzt in Detmold

Durchaus als beschaulich kann man auch das Städtchen Detmold bezeichnen, und kaum jemand vermutet, dass von hier aus die Geschicke des größten deutschen Versicherungsmaklers für Unternehmen und Institutionen gelenkt werden. Rund 1.750 Mitarbeitende in Deutschland und dazu eigene Unternehmen in Österreich, der Schweiz, Belgien, den Niederlanden, Italien und der Türkei präsentieren die Ecclesia als weltweit agierenden Netzwerkpartner. Unter den 1.000 namhaften Kunden sind neben großen Industriekonzernen auch mittelständische Unternehmen, die oft ihrerseits zu den Hidden Champions zählen. Apropos … Hüllhorst im Kreis Minden-Lübbecke scheint auch ein guter Ort zu sein, um sich als Champion zu verstecken. Der weltweit größte unabhängige Computerhersteller Europas ist hier beheimatet. Die Wortmann/Terra-Gruppe, die 1996 erstmals einen Umsatz von 100 Millionen Euro erreichte, ist nicht börsennotiert und zudem an etwa 20 weiteren Unternehmen mehrheitlich beteiligt. 1,4 Milliarden Euro Umsatz meldete das Unternehmen 2018 – und die Zeichen stehen weiter auf Wachstum und Zukunft. Nicht zuletzt die besonders hohe Ausbildungsquote von 20 Prozent trägt dazu bei.

Die „regionale Küche“ Ostwestfalen-Lippes ist doppelt bemerkenswert

Wird in Bezug auf die Region von der „guten Küche“ gesprochen, tauchen zwei weitere Hidden Champions auf. Da ist zum einen die SieMatic Möbelwerke GmbH & Co. KG mit Sitz in Löhne. Von hier werden Luxusküchen weltweit in über 60 Länder exportiert, das Unternehmen hat einen Jahresumsatz von circa 100 Millionen Euro und beschäftigt rund 400 Mitarbeiter. Trotzdem legt man gerade in Zeiten der Globalisierung Wert darauf, dass SieMatic bereits in dritter Generation als Familienunternehmen geführt wird. Auf der Webseite gibt es ein Schwarz-Weiß-Foto der Belegschaft von 1929. Entschlossen aussehende Westfalen stehen unter dem Firmenschild der – damals noch – August Siekmann Möbelwerke. Sogar noch ein bisschen länger gibt es das ebenfalls inhabergeführte Unternehmen Häcker Küchen in Rödinghausen. Seit 1898 werden hier Einbauküchen produziert; der Umsatz ist im vergangenen Jahr auf stolze 616 Millionen Euro angewachsen. Gerade entsteht ein neues Werk im Osnabrücker Land, auf einer Gesamtfläche von rund 212.000 Quadratmetern wird eine der modernsten Produktionsstätten für Küchen weltweit gebaut. 450 neue Arbeitsplätze sollen hier entstehen.

Vom Eisenwarenladen in Bielefeld zum globalen Konzern

Es hat 140 Jahre gedauert, aus Benteler ein weltweit agierendes Unternehmen zu machen, aber es hat sich offensichtlich gelohnt: Trotz brancheninterner und weltwirtschaftlicher Turbulenzen konnte die Benteler Gruppe 2018 mit über acht Milliarden Euro den höchsten Umsatz der Unternehmensgeschichte erzielen. Für 2019 liegen noch keine Zahlen öffentlich vor; das in vierter Generation geführte Familienunternehmen rechnete aber aufgrund der sehr guten Auftragslage mit einer weiteren Umsatzsteigerung. Sicherheitsrelevante Produkte, Systeme und Dienstleistungen für die Bereiche Automobil, Energie und Maschinenbau werden hier entwickelt, produziert und vertrieben. Investieren wolle man weiterhin in Bereichen, die zur eigenen Kernkompetenz passen, beispielsweise Elektromobilität, so der Vorstandsvorsitzende Ralf Göttel in einer Pressemitteilung. Was die Hidden Champions betrifft, so schließt sich mit diesem Vorhaben ein Kreis: Elektromobilität ist zukunftsorientiert. Die Heimat der Zukunft scheint in OWL zu liegen – wie sonst ist es zu erklären, dass hier so viele traditionsreiche Unternehmen weltweit ganz vorne mitspielen? Ab April werden uns viele kleine „Knutschkugeln“ leise surrend im Stadtbild immer daran erinnern. Daniela Prüter | redaktion@regiomanager.de

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