Management

„Trotz Corona stehen wir wirtschaftlich gut da!“

Interview mit dem Herforder Bürgermeister Tim Kähler und Lisa Kunert, Leiterin der Herforder Wirtschaftsförderung

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von Regiomanager 27.11.2020
Bürgermeister Tim Kähler

OWLM: Herzlichen Glückwunsch zur Wiederwahl! Trotz sieben Gegenkandidaten sind Sie ohne Stichwahl wiedergewählt worden. Waren Sie im Vorfeld diesbezüglich schon einigermaßen sicher oder hat Sie das selbst ein Stück weit überrascht?


Tim Kähler: Bevor die ersten Wahlergebnisse kamen, hatte ich schon mit einer Stichwahl gerechnet. Als dann aber die ersten Schnellmeldungen kamen – und davon die erste aus einem CDU-lastigen Gebiet, wo ich schon über 50 Prozent hatte –, da war ich dann erst mal beruhigt.


OWLM: In den letzten fünf Jahren hat die Stadt fast zehn Hektar Gewerbefläche verkauft, gerade auch an Unternehmen von außerhalb. Im Januar war die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs auf einem Höchststand. Was macht Herford für Investoren aus der Wirtschaft so attraktiv?


Tim Kähler: Das ist natürlich immer eine Mischung. Ich glaube, wichtig ist das Thema Verlässlichkeit. In der letzten Legislaturperiode haben wir keine Steuern erhöht, im Gegenteil, wir haben die Gewerbesteuer sogar ein wenig senken können. Zweitens haben wir mit der Wirtschaftsförderung ein gutes positives Rundumpaket mit attraktiven Gewerbepaketen, aber auch mit guten Dienstleistungen geschaffen. Wenn sich Investoren bei uns melden, dann gibt es immer einen runden Tisch mit allen Verwaltungseinheiten, sodass die Verwaltung ins Laufen kommt und nicht die Investoren. Das ist immer ganz wichtig. Und drittens glaube ich auch, dass uns gerade durch die gute Kommunikation mit den Unternehmerinnen und Unternehmern auch mit der IHK in Kooperation ein gewisses positives Bild von Herford entstanden ist, sodass wir die Möglichkeit hatten, auszuwählen. Wir haben Unternehmen abgewiesen, weil wir da auch bestimmte Kriterien ansetzen. Wie viele Arbeitsplätze entstehen? Wie viel Gewerbesteuer ist zu erwarten? Wie viele Auszubildende gibt es? Und natürlich auch wichtig ist, wie groß der Flächenverbrauch pro Arbeitsplatz ist. Das sind ökologische Kriterien, die auch noch zu schärfen sind.


OWLM: Stichwort Gewerbesteuer: Jetzt sind doch durch die Lockdowns sicher einige Einnahmen weggefallen. Wo werden Sie nun sparen? Oder anders gefragt – in welchem Bereich auf keinen Fall?


Tim Kähler: In den letzten sechs Jahren haben wir sehr positiv wirtschaften können. Wir haben 21 Millionen Euro Rücklagen bilden können in der Bilanz und noch dazu in diesem Jahr ein Immobiliengeschäft machen können, was sich auch positiv auswirkt. Da müssen wir momentan gar nicht über Einsparmaßnahmen sprechen. Im Hinblick auf den Haushalt 2021 – das ist ja ein Doppelhaushalt – bin ich da noch zurückhaltend gelassen. Außerdem haben wir die Zusage vom Bund, dass wir die Gewerbesteuerausfälle aus diesem Jahr zum größten Teil erstattet bekommen. Über 2021 ist man zurzeit in Verhandlung. Grundsätzlich aber haben wir in Herford nicht die Herausforderung, in Sparprogramme zu gehen. Im Gegenteil, gerade jetzt wollen wir weiter Gewerbe stärken und unterstützen und dann aus der Krise mit starken Muskeln herausgehen.


OWLM: Viele Städte haben ja jetzt während des Ausnahmezustands schmerzhaft gespürt, dass sie vorher die Digitalisierung verschlafen hatten. Wie lief es bei Ihnen?


Tim Kähler: Da haben wir zwar noch eine Menge zu leisten, sind aber auf einem guten Weg. Corona war ein positiver Katalysator, was unsere Verwaltung angeht. Digitalisierung, das Thema Homeoffice war anfangs sehr zögerlich angegangen worden, aber auf einmal ging es dann und die Qualität litt nicht. Dann Digitalisierung der Schulen – da war die Frage, ob der Bund oder das Land oder die Kommunen für die Geräte aufkommen. Wir haben entschieden, dass wir das übernehmen. Das ist doch der Grund, warum viele Prozesse in NRW so langsam laufen, weil die Zuständigkeiten nicht klar sind. Wir kommen gut voran mit dem Ausbau digitaler Infrastruktur. Für die Zukunft und insbesondere den ländlichen Raum wollen wir eine eigene Gesellschaft gründen, sodass wir nicht nur auf Fördermittel warten müssen.


OWLM: Werden Sie da auch Synergie-Effekte mit dem Bildungscampus nutzen?


Lisa Kunert: Beim Thema Bildungscampus sind wir schon eng vernetzt mit den bekannten Akteuren. Wir arbeiten zusammen mit dem Landkreis und der Kreiswirtschaftsförderung. Die Arbeitsphase beginnt gerade und wir sind im Austausch mit den Unternehmen.


Tim Kähler: Es ist gelungen, Digital Solution Management jetzt als weiteren Bildungsgang anzusiedeln. Es wird dann auch darum gehen, dass die Unternehmen sich beteiligen. Eine der wichtigsten Herausforderungen wird wohl sein, bei der Digitalisierung nicht nur die mitzunehmen, die sich das leisten können, sondern gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen. Die haben einen hohen Innovationsdruck. Da liegt die Chance zu einem Bildungscampus. 2015 sind die Briten erst umgezogen und wir haben jetzt schon Studenten dort und schreiben schwarze Zahlen.


OWLM: Armin Laschet sorgte im April für einen Lacher, weil er ganz NRW als „Land der Küchenbauer“ bezeichnete. Tatsächlich trifft das aber vor allem für Ihre Region zu. Welche Branchen sehen Sie hier denn noch langfristig?


Tim Kähler: Küchenindustrie ist einem erheblichen Wettbewerbs- und Innovationsdruck ausgesetzt. Die Küchenhersteller, die erfolgreich sind, die haben die Digitalisierung benutzt und produzieren in der Stückgröße eins. Dann haben wir viele Softwarefirmen in der Region, u.a. Weltmarktführer im Maschinenbau, sind gut im industriellen Bereich aufgestellt und haben große Modeunternehmen. Für die Zukunft wollen wir das Thema Wasserstofftechnologie in Herford weiter voranbringen; da haben wir eine hohe Beteiligung und könnten einen Cluster setzen.

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