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Künstliche Intelligenz – Einleitung: Die neue Elektrizität

Künstliche Intelligenz hat es nicht nur fertiggebracht, Beethovens „Unvollendete“ endlich zu vollenden. Sie könnte sogar ähnliche Umwälzungen bringen, wie einst die industrielle Revolution.

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von Regiomanager 12.09.2023
(© master1305 − stock.adobe.com)

Ludwig van Beethoven ist seit nahezu 200 Jahren tot. Der berühmte Komponist hatte vor seinem Ableben nur noch Skizzen und Notizen für die zehnte seiner weltbekannten Sinfonien zu Papier bringen können. Musikexperten und Fans zerbrechen sich ewig den Kopf darüber, wie sich die Sinfonie anhören würde, wenn Beethoven sie hätte fertig komponieren können. Dieser Musikgenuss ist nun Realität geworden, künstliche Intelligenz hat es möglich gemacht. Musikwissenschaftler und Programmierer fütterten einen Computer mit vielen Werken Beethovens: Sinfonien, Klaviersonaten, Streichquartette. So lernte der Computer Beethovens Stil kennen und konnte die vorhandenen Fragmente im gleichen Stil verbinden und ergänzen. Deep Learning macht es heute möglich, dass KI-Modelle in der Lage sind, im Stil bestimmter Komponisten neue Musik zu berechnen.


Künstliche Aufregung?

Es sind nicht nur die neuen Töne, die derzeit für Furore und Aufregung sorgen: Nachdem die ersten journalistischen Texte vom „Kollegen KI“ in Magazinen und Tageszeitungen auftauchen, fordert die Journalistengewerkschaft Leitplanken, um die „freiheitliche Demokratie sowie den journalistischen Berufsstand“ nicht zu gefährden. Der „unkontrollierte Einsatz künstlicher Intelligenz“ müsse verhindert werden, urteilen die Journalisten. „Künstliche Intelligenz ist die neue Elektrizität“, widerspricht einer der bekanntesten KI-Forscher, der Stanford-Professor und Unternehmer Andrew Ng. Er möchte der ganzen Welt beibringen, was es mit künstlicher Intelligenz allgemein und Deep Learning speziell auf sich hat.


Wichtigste Zukunftstechnologie

„Künstliche Intelligenz ist die wohl wichtigste Zukunftstechnologie. Wer aktuelle Trends im Bereich der KI-Technologien und KI-Anwendungen verschläft, wird schon bald nicht mehr wettbewerbsfähig sein“, ist auch der neu gewählte Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst überzeugt. Deutschland sei bei der KI-Forschung ganz vorne mit dabei, die Querschnittstechnologie brauche aber eine breite Basis in der gesamten Wirtschaft. „Auch die Politik muss mehr tun. Insbesondere sollten die in Deutschland sehr restriktiven Regeln für die Verwendung nicht sensibler Daten angepasst werden. Es macht wenig Sinn, Milliarden in die KI zu pumpen, ihr dann aber die Daten zu entziehen, ohne die eine KI nun einmal nicht arbeiten kann“, heißt seine Einschätzung.
Obwohl vielen zu langsam, beschäftigt sich die Politik sehr wohl mit dem Thema – oder ist sich zumindest den möglichen Folgen bewusst. So erwartet Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ähnliche Umwälzungen durch KI wie bei der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert. Das Ausmaß für die Arbeitswelt lasse sich noch nicht absehen, sagte der SPD-Politiker dem „Tagesspiegel“. Klar sei aber, man stehe mit der KI am Anfang einer revolutionären Entwicklung. Die Experten in seinem Haus prognostizierten, ab 2035 werde es keinen Job mehr geben, der nichts mit KI zu tun habe. Das gelte auch für Tätigkeiten, von denen man das jetzt noch nicht glaube.


Vorteile überwiegen

Die Mehrheit der Führungskräfte im Mittelstand ist derweil davon überzeugt, dass künstliche Intelligenz mehr Vorteile als Nachteile mit sich bringt, heißt das Schlüsselergebnis einer aktuellen Umfrage der Steinbeis Augsburg Business School. Danach ist sich aber nur ein knappes Drittel sicher, dass die KI mehr Gewinner als Verlierer hervorbringen wird. Ein anderes Drittel ist sogar vom Gegenteil überzeugt. Das dritte Drittel gibt sich noch unentschlossen bei der Bewertung der Chancen und Risiken. Drei Viertel der Topmanager vertreten aber die Auffassung, dass ihnen der Einsatz von künstlicher Intelligenz künftig helfen wird, fundiertere und klügere Entscheidungen zu treffen. 56 Prozent setzen dabei vor allem auf die schnellere und bessere Bereitstellung einer Faktenbasis als Grundlage für Entscheidungen. 60 Prozent versprechen sich von KI eine intensivere Beobachtung der Marktlage und der Wettbewerbssituation.


Einsatz in Fahrzeugen
und Pipelines

Systeme mit KI sind lange im Einsatz. Sie halten den Abstand unseres Fahrzeugs automatisch ein, bremsen und geben Gas, wenn der Vordermann dies auch tut. Sie halten den Wagen in der Mitte der Fahrspur, legen eine Vollbremsung ein, wenn sie eine mögliche Kollision erkennen und der Fahrer nicht rechtzeitig reagiert. Energieversorger überwachen Pipelines, Kraftwerke oder Windkraftanlagen mit KI-gestützten Methoden, um Probleme zu erkennen, bevor es zu Funktionsstörungen kommt. In der modernen Landwirtschaft werden Felder mit teilautonom fahrenden Treckern und Mähmaschinen bewirtschaftet, intelligente Kamerasysteme identifizieren in Produktionsprozessen fehlerhafte Stücke und sorgen so für eine geringere Ausschussquote. Im Bereich Transport und Logistik lassen sich Transportrouten und Personaleinsatz, aber auch die Packungsdichten von Containern und Lieferfahrzeugen optimieren. KI hilft, Lagerbestände stetig zu überwachen und automatisch anzupassen.


„Besser, einfacher, klüger“

Einen Mehrwert kann künstliche Intelligenz aber auch unabhängig von reinen Produktionsprozessen schaffen. So entlasten automatisierte Prozesse im Rechnungswesen oder im Controlling, ermöglichen die Automatisierung komplexer Verfahren im Finanz- und Bankenwesen, steuern Bewertungsprozesse, Kreditentscheidungen oder auch Finanz-Audits und den algorithmischen Handel und verbessern den Kundenservice. Automatische Dialogsysteme beantworten Kundenfragen zu Produkten, nehmen Bestellungen auf oder helfen bei der Lösung von Bedienungsproblemen. In die automatisierte Zukunft wagt auch Dr. Rene Fassbender vom Forschungsbeirat „KI für Industrie 4.0“ intensive Blicke: „Die Unternehmen, die in Zukunft keinerlei KI-Lösungen einsetzen, werden ab dem Zeitpunkt X nicht mehr wettbewerbsfähig sein“, heißt seine Einschätzung. Er ist überzeugt, dass KI „bessere Produkte, einfachere Prozesse und klügere Entscheidungen“ ermöglichen wird.

Reinhold Häken | redaktion@regiomanager.de

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