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„Die da oben“

Der REGIO MANAGER hat die reichsten Menschen NRWs mal genau unter die Lupe genommen und sich mit ihrem Image auseinandergesetzt.

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von Regiomanager 01.01.2017
NRW hat deutschlandweit die meisten Vermögensmillionäre Foto: © tiero – stock.adobe.com

Mit der Gerechtigkeits-Debatte während des Bundestagswahlkampfes 2017 und wenig später mit der Entdeckung der „Paradise Papers“ sind sie mal wieder ziemlich in den Fokus geraten: die „Reichen“ hierzulande. Das Bild von „denen da oben und denen da unten“ und der „Schere, die sich immer weiter öffnet“ kursiert in den Medien wie selten zuvor. Und auch der Mittelständler aus der Region fragt sich da durchaus: Wie soll mein Business langfristig überleben, wenn viele der „Großen“ nachweislich mit ausgeklügelten Strategien Steuern vermeiden bzw. diese nicht in Deutschland zahlen, während ich alles brav transparent und vorbildlich mache? Der REGIO MANAGER hat das zum Anlass genommen, mal genauer hinzuschauen: Wer gehört zu den Vermögenden in NRW? Was versteht man überhaupt genau unter Reichtum? Und: Was ist dran am Image von „denen da oben“?

NRW hat die meisten Vermögensmillionäre

Vor wenigen Wochen veröffentlichte das Statistische Landesamt die Zahl der Einkommensmillionäre, die es im Jahr 2013 in NRW gab: 4.264. Das sind fast 15 Prozent mehr als 2010 und aufgrund des großen Zeitraums zwischen Erhebung und Veröffentlichung kann man davon ausgehen, dass mittlerweile noch ein paar Hundert neue Millionäre dazugekommen sind. Gleichzeitig ist NRW laut der WDR-Doku „Oben und unten in NRW“ das Bundesland mit den meisten Vermögensmillionären in Deutschland: 177.800 Personen verfügen demnach über Eigentum im Wert von mindestens einer Million Euro. Schaut man sich das aktuelle Ranking der „1001 reichsten Deutschen“ im Manager Magazin an, entdeckt man viele bekannte Namen aus der Region: die Familien Albrecht und Heister aus den Häusern Aldi Süd (21,5 Mrd. Euro, Platz 5 im Ranking) bzw. Nord (18 Mrd. Euro, Platz 6), Familie Oetker (8 Mrd. Euro, Platz 13), Familie Rethmann (5,2 Mrd. Euro, Platz 22) oder Familie Haub (Tengelmann, 4,2 Mrd. Euro, Platz 28). Darüber hinaus sind viele der reichsten Deutschen an Unternehmen beteiligt, die ihren Sitz in NRW haben: Stefan Quandt und Susanne Klatten, die zweitreichsten Deutschen mit einem Vermögen von geschätzt 31,5 Mrd. Euro, etwa mit ihrer Beteiligung am Weseler Chemie-Konzern Altana. Ganz am Ende des Rankings, auf Platz 1001, taucht übrigens Thomas Gottschalk auf – mit einem geschätzten Vermögen von „nur“ 90 Millionen Euro.

Reich ist nicht gleich reich

Diese Zahlen zeigen: Reichtum ist ein sehr weiter und schwer zu fassender Begriff. Ein 90-facher Millionär bewegt sich in ganz anderen Sphären als ein 30-facher Milliardär. Wie diese unterschiedlichen Lebenswelten fernab der Vorstellung eines Otto Normalverbrauchers wirklich aussehen, hat kaum jemand fundierter untersucht als Prof. Dr. Thomas Druyen. Der gebürtige Niederrheiner hat 2007 eigens dafür das Institut für Vergleichende Vermögenskultur und Vermögenspsychologie an der Sigmund-Freud-Privatuniversität in Wien gegründet. Dort forscht er in einem interdisziplinären Team aus Soziologen, Ökonomen, Psychologen und Rechts- und Kulturwissenschaftlern, hat zahlreiche Publikationen zum Thema verfasst und ist angesichts der aktuellen Debatte besonders in letzter Zeit häufig als Experte in den Medien zu sehen. „Was nützt es mir, wenn ich nachlese, dass laut Manager Magazin zurzeit in Deutschland hundert Milliardäre und gemäß des World Wealth Report 776.000 Vermögensmillionäre leben? Erfahre ich damit automatisch etwas für die Gesellschaft Relevantes? Die Antwort lautet: Nein“, schreibt Druyen in seinem Bestseller „Goldkinder – Die Welt des Vermögens“ (2007). Ihn interessiert deswegen nicht nur, wie viel jemand hat, sondern vor allem auch, was er damit anzufangen vermag – die erste Dimension bezeichnet er als „Reichtum“, die zweite als „Vermögen“. Unter Reichtum subsumiert er statische Variablen wie Geld, Besitz oder Einkommen, die in irgendeiner Form messbar sind; zur zweiten Dimension zählt er dynamische Variablen wie Glück, Lebensstil, Verantwortung oder Autonomie. Auf dieser Basis hat der Wissenschaftler bereits viele Persönlichkeiten mit einem Vermögen von mindestens 30 Millionen Euro in Tiefeninterviews befragt. Und er kommt zu dem Schluss: Die Wohlhabenden sind besser als ihr Ruf – auch wenn es sicherlich genügend schwarze Schafe gibt. Zudem fehle es noch an Transparenz, um diese komplexe Welt der Reichen überhaupt richtig zu erfassen und so ein adäquates Urteil zu treffen. Immerhin gibt es Druyens aktuellen Schätzungen zufolge weltweit rund 14 Millionen Millionäre und etwa 2.500 Milliardäre.

Mehr Transparenz könnte helfen

Mit seiner Forschung will Druyen einen Beitrag zu dieser Transparenz leisten. Auf diese Weise könnte man auch die Spreu vom Weizen trennen: Auf der einen Seite ließen sich zum Beispiel kriminelle Aneignungen von unrechtmäßig Reichgewordenen leichter ahnden, auf der anderen Seite würden engagierte Wohlhabende mehr Wertschätzung erfahren und möglicherweise als Vorbild für andere dienen – was wiederum einen großen gesamtgesellschaftlichen Nutzen hätte. „Die Zeiten von Neid, Abschottung und Generalverdacht sollen durch eine solide wissenschaftliche Vermögensforschung überwunden werden“, fordert Druyen in seinem Buch „Vermögenskultur – Verantwortung im 21. Jahrhundert“ (2011). Noch ist die Bereitschaft zur Transparenz bei den Reichen und Vermögenden in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern wie etwa den USA verhältnismäßig gering ausgeprägt. Das dürfte verschiedene Gründe haben. Rein psychologisch, weil ein großer Teil der Vermögenselite per se verschwiegenere Familienunternehmer sind. Historisch gesehen, weil uns Bismarck mit der Einführung des Sozialstaates eingeimpft hat, dass man mit der Zahlung seiner Steuern seine Pflicht erfüllt hat – im Gegensatz wiederum zu den USA, wo viel mehr Reiche als hierzulande große Summen spenden und sich nicht scheuen, dies auch publik zu machen; um nicht zu sagen, es an die große Glocke zu hängen. Das Motto „Tue Gutes und sprich darüber“ ist in Deutschland schlichtweg nicht so ausgeprägt, wenngleich die Spendenbereitschaft der Vermögenden in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat und es viele große Stiftungen gibt, die von Unternehmern initiiert wurden. In einem Interview mit der Wirtschaftswoche (Ausg. 10/2017) äußert Druyen, dass es diese „Privatsphäre der Zahlen“ in 20 Jahren bei uns nicht mehr geben werde – und man somit eine bessere Basis für eine ernsthafte Debatte hätte. Wenn man dann den 30-fachen Millionär nicht mehr mit dem Multimilliardär über einen Kamm schert, könnte auch die Bereitschaft bei „denen da oben“ noch mehr steigen, sich am Gemeinwohl zu beteiligen. Dass wir diese Beteiligung brauchen, um in Deutschland zukunftsfähig zu bleiben, steht außer
Frage. Thomas Corrinth | redaktion@nrw-manager.de

INFO

Reichtums- und Vermögenspyramide

Reich ist nicht gleich reich, wie die von Prof. Dr. Thomas Druyen entwickelte
Reichtums- und Vermögenspyramide zeigt. Zwischen den einzelnen Stufen liegen
Welten in der individuellen Lebensgestaltung.

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