Immobilien (Technik)

Bau-Innovationen: Zwischen Technik und Tradition

Die Baubranche erlebt gerade eine gute Konjunkturphase. Aber in der Zukunft warten große Herausforderungen auf sie, die Chancen, aber auch Probleme bereitstellen.

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von Regiomanager 25.09.2019
Projekt e3: die erste siebengeschossige Holzkonstruktion in einem großstädtischen Zentrumsbereich Europas (Foto: Kaden+Lager GmbH) | Karin Bünnagel

Der Baubranche geht es gut, die Auftragsbücher sind europaweit gut gefüllt. Das ist vor allen Dingen auf den Wohnungsbau zurückzuführen. Auch in Nordrhein-Westfalen ist Wachstum zu verzeichnen. „Die steigende Nachfrage nach Bauleistungen wächst in den ersten fünf Monaten des Jahres zwar in fast allen Bereichen, verliert aber auch fast überall etwas an Fahrt“, so Prof. Beate Wiemann, Hauptgeschäftsführerin des Bauindustrieverbands Nordrhein-Westfalen. Während bundesweit der Auftragseingang um 12,6 Prozent zugelegt hat, liegt er in NRW bei 16,7 Prozent. 5,6 Milliarden Euro umfasst das Auftragsvolumen der Bausparten. Allein die Aufträge im Wohnungsbau in NRW belaufen sich auf 1,156 Millionen Euro. Im Wirtschaftsbau entfallen auf NRW 18 Prozent aller bundesweiten Aufträge, das Volumen liegt hier bei 2,710 Millionen Euro.
Rund zehn Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts werden für Baumaßnahmen verwendet, gleichzeitig erbringt das Baugewerbe fast fünf Prozent der gesamten Wertschöpfung in Deutschland, teilt das Bundeswirtschaftsministerium für Wirtschaft und Energie mit. Demnach sind im Hauptgewerbe die meisten Unternehmen klein beziehungsweise sehr klein; der Jahresumsatz liegt bei unter 100 Millionen Euro. Auch wenn die Baubranche in der Tendenz geringer wächst, so ist doch auch zu erkennen, dass Sanierungen sowie Modernisierungen stärker in den Fokus rücken.
Dennoch steht die gesamte Baubranche vor großen und weitreichenden Herausforderungen – Stichworte sind hier klimagerechte Architektur, ressourcenschonendes Bauen, nachhaltige Gebäudetechnik, aber auch die Digitalisierung verändert die Branche.

BIM am Bau

BIM steht für Building Information Modeling. So können viele Beteiligte digitale Tools nutzen, um beispielsweise die Effizienz zu steigern oder aber um Kosten zu senken. Bereits heute ist BIM im Einsatz, es ist davon auszugehen, dass in naher Zukunft die Bedeutung von BIM für das Baugewerbe wächst. Durch die Vernetzung können die verschiedenen Akteure kooperieren und agieren – angefangen vom Architekten bis hin zum Facility Management, wenn das Bauwerk nicht nur erbaut, sondern bereits im Betrieb ist. Im Gegenzug zu bisherigen Veränderungen in der Planungstechnik hat BIM den Anspruch, auch die arbeitsorganisatorischen Abläufe im gesamten Prozess zu verändern. Denn der Informationsaustausch läuft ebenfalls über BIM. Ändert der Architekt beispielsweise den Grundriss eines Gebäudes und gibt diese Änderungen in das System ein, so werden automatisch alle nachgelagerten Pläne sowie auch die Kostenkalkulation angepasst. Das steigert die Produktivität des gesamten Bauvorhabens.
Zurzeit sind vor allem Großbritannien und die skandinavischen Länder noch die Vorreiter in der Anwendung von BIM. In Deutschland hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur festgelegt, dass bis 2020 für Projekte, die die Infrastruktur betreffen, BIM verbindlich eingesetzt wird. Setzt sich BIM im gesamten Bausektor durch, bedeutet das: Alle Gewerke, die an der Realisierung beteiligt sind, sollten dafür Sorge tragen, über die für BIM notwendigen Kompetenzen zu verfügen.

Kollege 3D-Drucker

Revolutionär: Apsis Cor ist ein russisches Start-up, das in nur 24 Stunden ein Haus gebaut hat – mit dem emsigen Einsatz eines 3D-Druckers. Die mobile Maschine kann direkt vor Ort drucken, sprich, den Beton auf der Baustelle extrudieren. Wände, Trennwände – der 3D-Drucker druckt. 25 bis 40 Prozent der Baukosten könnten damit eingespart werden, erklärt der Unternehmensgründer in einem Interview mit www.3dnatives.com. „Durch den Einsatz unserer Technologie können wir Häuser schneller, kostengünstiger und mit weniger Arbeitsaufwand bauen. Dies ermöglicht es, in kurzer Zeit für viele Menschen zugängliche Lösungen anzubieten“, erklärt Gründer und CEO, Nikita Cheniuntai, in dem Gespräch.
Ein wichtiger Aspekt, denn die Weltbevölkerung wächst. Schätzungen zufolge leben im Jahr 2050 9,7 Milliarden Menschen auf der Welt. Die meisten davon in Städten, voraussichtlich 6,4 Milliarden Menschen. Damit steigt nicht nur der Bedarf an Wohnraum in den Städten, sondern auch die Infrastruktur ist hier gefordert. Das Problem für die Baubranche: Es ist jetzt schon ein Fachkräftemangel zu verzeichnen, in den Städten mangelt es an der Infrastruktur sowie an bezahlbaren Wohnungen und auch an Gewerbeimmobilien.
Einen Ausblick in das, was in Zukunft noch möglich sein kann, zeigt das niederländische Unternehmen MX3D. In Amsterdam haben zwei Roboter, die selbstständig arbeiten, eine Brücke aus Metall gedruckt. Der Druck beinhaltete auch das Schweißen, sodass die Brücke – die auch den Dutch Design Award 2018 gewonnen hat – ganz ohne Stützkonstruktion auskommt. Darüber hinaus ist die Brücke aber auch smart: Sie ist mit Sensoren ausgestattet, die Informationen sammeln: Wie viele Menschen nutzen die Brücke, wie stabil und fest ist sie usw. (s. unten Smart Cities).

Aber sicher!

Wenn sich auch vieles ändert, Vandalismus und Diebstahl werden leider auch in Zukunft weiterhin Probleme auf Baustellen darstellen. Es geht nicht nur darum, dass wertvolle Rohstoffe wie Kupfer oder gar Baumaschinen und Fahrzeuge gestohlen werden. Oftmals werden bereits verbaute Bauteile entwendet. Hier wird also nicht nur ein materieller Schaden verursacht, sondern ein Diebstahl zieht weitaus größere Kreise nach sich: So kann es im schlimmsten Fall zu Bauverzögerungen oder gar einem Baustopp kommen. Der Imageschaden für den Bauherrn oder den Bauunternehmer kann immens ausfallen, von steigenden Versicherungsbeiträgen ganz zu schweigen. Eine Videoüberwachung – gemäß der Datenschutzgrundverordnung oder welche Datenschutzregeln dann auch immer in der Zukunft gelten – kann sich durchaus rentieren. Das Unternehmen BauWatch aus Ratingen beispielsweise hat sich vor Jahren bereits auf mobile Baustellen-Videoüberwachung spezialisiert. Wenn die Analyse-Software, die in der Videokamera integriert ist, Bewegungen erkennt, wird die Aufnahme erst gestartet und umgehend ein Signal an die Leitstelle gesendet. Die Sicherheitsmitarbeiter haben die Möglichkeit, die Eindringlinge über Lautsprecher direkt anzusprechen – und sie in dieser Schrecksekunde schon zu vertreiben. Darüber hinaus informieren sie auch die Polizei beziehungsweise einen Sicherheitsdienst.

Smart Buildings in Smart Cities

Norwegen hat die Weichen gestellt in Richtung einer smarten Gesellschaft. Es gibt seitens der Regierung einen Digitalisierungsausschuss Digital 21, der dazu beitragen soll, die Gesellschaft zu digitalisieren. Smart City wird vom Ministerium für kommunale Verwaltung und Modernisierung als Stadt definiert, „in der digitale Technologie genutzt wird, um die Bedingungen zum Leben, Wohnen und Arbeiten zu verbessern“. Zu den Technologien zählen die Verbesserung der öffentlichen Dienstleistungen und der Lebensqualität, ein optimaler Verbrauch von Ressourcen sowie die Produktivitätssteigerung und die Reduktion von Klima- und Umweltproblemen.
Doch vergessen sollte man nicht: Die Digitalisierung und Vernetzung birgt Chancen, aber auch Herausforderungen.
„Damit aus einem Gebäude ein Smart Building wird, müssen technische Anlagen und Bauteile vernetzt sein, entweder miteinander oder mit dem Internet, und Prozesse digitalisiert werden“, berichtet Anne-Caroline Erbstößer, Autorin von „Smart Buildings im Internet der Dinge“. „Im Unterschied zu einem Smart Home, in dem beispielsweise einzelne Haushaltsgeräte und Raumregelungen für Heizung und Licht vernetzt sind, werden bei einem Smart Building in erster Linie die zentrale haustechnische Anlage und zusätzlich auch die Raum- beziehungsweise Geräteregelungen miteinander vernetzt.“
Benedikt Hotze, Pressereferent des Bundes Deutscher Architekten BDA, warnt vor dem Wunschdenken, „dass eine algorithmische Steuerung von Alltagsprozessen in Gebäuden Probleme löst“. Und fügt hinzu: „Die technische Aufrüstung von Gebäuden zieht ebenfalls Probleme nach sind. Einerseits muss man den Verschleiß der Anlagen und Techniken bedenken, andererseits darf aber auch der Datenschutz nicht vernachlässigt werden.“ Denn: Wenn Daten gesammelt werden, werden sie auch genutzt. „Vor allem muss man auch sehen, wer diese Daten sammelt.“

Klimagerechte Architektur

„Eine klimagerechte Architektur erhält vor allem den Bestand“, sagt Hotze. Der Erhalt, das materielle und konstruktive Weiterbauen von bestehenden Gebäuden, sei dem Abriss vorzuziehen. Die sogenannte graue Energie von Bestandsgebäuden – vom Material über den Transport bis zum Bau – fließt nämlich auch in die Bewertung mit ein, wie ein Gebäude energetisch einzustufen ist. Denn nicht nur während des Betriebs von Gebäuden wird CO2 ausgestoßen, sondern auch schon während des gesamten Bauprozesses. „Ein Gebäude sollte darüber hinaus immer ganzheitlich betrachtet werden“, fordert Hotze. Es sei nicht zielführend, wenn einzelne Bauteile isoliert betrachtet würden und beispielsweise nur auf die Dämmwerte einer Wand geachtet werde, ohne dass an die dadurch verursachte Schimmelbildung und an den damit erforderlichen Einbau einer Zwangslüftung gedacht werde. „Ein freistehendes Einfamilienhaus ist Gift für das Klima, effizienter ist vielmehr eine verdichtete Bauweise.“
Auch bei den Baustoffen wird der Fokus in der Zukunft auf nachwachsenden Materialien liegen. „Stahlbeton ist ein grundlegender struktureller Baustoff für tragende Konstruktionen“, berichtet Hotze, „wirft aber Probleme bei der Zementgewinnung und durch den hohen Energieaufwand auf.“ Holzkonstruktionen haben wesentlich weniger Kohlestoffemissionen. Hier wurde auch schon in Berlin vor mehr als zehn Jahren vom Architekturbüro Kaden+Klingbeil Pionierarbeit geleistet: Es ist nach eigenen Angaben die erste siebengeschossige Holzkonstruktion in einem großstädtischen Zentrumsbereich Europas.
2018 wurde beispielsweise ein Hotelbauwerk in Holzhybridbauweise mit 176 modular gebauten Hotelzimmern in Amsterdam fertiggestellt. Ein Paradebeispiel in Sachen Architektur und Nachhaltigkeit. Holz und Glas bestimmen das Design. Das Gebäude ist wie ein Tortenstück geformt, das im Westen spitzwinkelig zusammenläuft, und klimaneutral. Für die vielen Pflanzen wird Regenwasser gesammelt, die Strom- und Wasserversorung wird über Photovoltaik-Elemente in der Glasfassade abgedeckt. Als weitere Energiequelle wird Erdwärme genutzt.
Neue Wege beschreitet auch Juniorprofessorin und Leiterin der Abteilung Biomaterialien und Stoffkreisläufe in der Architektur der Universität Stuttgart Hanaa Dahy: Aus Stroh, das bei der Getreideernte als Abfall anfällt, und Biokunststoffen hat sie biegsame und zudem recyclingfähige Faserplatten entwickelt. Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig, egal ob für Design-Möbel, als gekrümmte Trennwand oder Sandwich-Element zur Wärmedämmung. Ihr Fokus liegt darauf, Komponenten für Gebäude zu entwickeln, die nachhaltig und intelligent sind. „Die lokale Architektur, die zu den Ressourcen und dem Klima vor Ort passt, gibt es fast nicht mehr“, sagt sie.

Neue Arbeitswelten

In der Dimension, wie sich der Arbeitsalltag ändert, werden sich auch die Arbeitsräume ändern: flexible Arbeitszeitmodelle, Co-Working-Spaces für Kreative, Freiberufler und digitale Nomaden sowie ein fließender Übergang zwischen Beruflichem und Privatem haben Auswirkung auf die Gestaltung von Arbeitsplätzen. Das Arbeiten ist in der Zukunft nicht mehr an einen Büro-Ort und an bestimmte Arbeitszeiten gebunden, vielmehr bestimmt der Lebenskontext des Mitarbeiters, wie er arbeiten möchte. Das Büro wird nicht von der Bildfläche verschwinden, aber es wird sein Gesicht ändern. Die Kennzeichen des modernen Büroraums sind Bereiche für den kommunikativen Austausch und für die gemeinsame Projektarbeit sowie offene, transparente Strukturen.
Das große Stichwort auch in der Baubranche lautet Nachhaltigkeit – das gilt für das Material, die Bauweise, das Gebäude und den Lebensraum.Karin Bünnagel
| redaktion@regiomanager.de

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