Produktion

Interview: Erfolge in digitale Zukunft transferieren

Die deutsche Industrie spiele international auf den vorderen Plätzen mit und habe das Zeug, auch künftig weltweit Spitzenpositionen einzunehmen, sagt Lukas Klingholz, Referent und Leiter Cloud & Künstliche Intelligenz bei Bitkom.

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von Regiomanager 14.12.2021
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REGIO MANAGER: Wie gut ist Deutschland für das digitale Zeitalter gerüstet?

Lukas Klingholz: Das produzierende Gewerbe und die Industrie sind durch extrem tiefgehendes Spezialwissen und Domänen-Know-how charakterisiert. Die große Herausforderung ist jetzt, dass diese Erfolge in die digitale Zukunft transferiert werden. Wer künftig wettbewerbsfähig bleiben will, muss digitale Technologien souverän nutzen. Souverän meint zwei Dinge: Erstens müssen Unternehmen die Technologien verstehen, um sie optimal einsetzen zu können, und zweitens muss der genutzte Technologiestack modular aufgebaut sein. Das heißt also, dass sich ein Unternehmen nie von einzelnen Anbietern abhängig machen sollte, das sogenannte Vendor Lock-in also vermeidet. Ein weiterer Aspekt ist die Datensouveränität. Produktionsunternehmen wollen die Hoheit über ihre Daten im gesamten Prozess behalten. Das kann etwa mit Verschlüsselungslösungen, Ansätzen wie Confidential Computing oder organisatorisch-prozessoralen Lösungen wie Brokern oder Konnektoren gehen.

REGIO MANAGER: Wo stehen wir im internationalen Vergleich?

Lukas Klingholz: Die hiesige Industrie spielt international auf den vorderen Plätzen mit und hat das Zeug, auch künftig weltweit Spitzenpositionen einzunehmen. Mehr als jedes fünfte deutsche Industrieunternehmen (22 Prozent) sieht Deutschland weltweit auf einer Spitzenposition, knapp hinter den USA, die 27 Prozent auf Platz eins sehen. 19 Prozent sehen Japan vorn, jeder Siebte (14 Prozent) China. Südkorea wird von neun Prozent an der Spitze positioniert.

REGIO MANAGER: Was machen andere Länder besser?

Lukas Klingholz: Die konsequente Nutzung digitaler Technologien in der Privatwirtschaft, auch vorangetrieben durch regulatorische und industriepolitische Impulse in Ländern wie China, zeigt, in welchem globalen Wettbewerb die deutsche Industrie sich behaupten muss. Auch in Deutschland braucht es eine ambitionierte Flankierung durch die Politik. Dazu gehört, dass wir unsere Datenschätze verantwortungsvoll nutzen und künstliche Intelligenz zu einer europäischen Schlüsseltechnologie machen.

REGIO MANAGER: Verlieren bestimmte Branchen den Anschluss?

Lukas Klingholz: Eine konsequente und souveräne Nutzung von digitalen Technologien ist die Grundlage für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie. Wenn der Wille zur konsequenten Optimierung von bestehenden Prozessen und vor allem die mutige Gestaltung von neuen digitalen Geschäftsmodellen mit Priorität vom Management verfolgt wird, kann die deutsche Industrie auch im Jahr 2030 und darüber hinaus wettbewerbsfähig und führend sein.

Info

Lukas Klingholz ist Referent und Leiter
Cloud & Künstliche Intelligenz bei Bitkom und kümmert sich dort um Themen aus dem Bereich IT-Services (künstliche Intelligenz, Big Data, Cloud Computing und GAIA-X). Zuvor hat er Volkwirtschaftslehre in Berlin studiert und Erfahrungen bei einem Start-up, am Lehrstuhl für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik und bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände gesammelt.

ANWENDUNGSSZENARIEN DER INDUSTRIE 4.0

Einsatzmöglichkeiten finden bei Unternehmen Resonanz.
Für den Einsatz von „Industrie 4.0“ gibt es verschiedene
Anwendungsszenarien. Eine Studie des Bitkom erläutert
verschiedene Nutzungsmöglichkeiten.

1. Social Machines
Diese „sozialen Maschinen“ sind vergleichbar mit sozialen Netzwerken im Internet. Die Maschine meldet sich, wenn sie eine Wartung benötigt. Wer den Auftrag übernehmen kann, teilt das mit einem Klick der Maschine und den Kollegen mit. Gleichzeitig weiß die Maschine, ob und wann Mitarbeiter für eine Wartung verfügbar sind. Solche Maschinen sind bisher bei 28 Prozent der Unternehmen im Einsatz; in der Automobilbranche sind es sogar 38 Prozent. Weitere 20 Prozent aller befragten Unternehmen planen die Nutzung oder diskutieren darüber.

2. Global Facilities
Darunter versteht man die Vernetzung von Produktionssystemen über Unternehmensgrenzen hinweg. Wenn etwa ein Kunde kurzfristig eine Produktänderung in Auftrag gibt, erkennt das System, welche neuen Teile für die Umsetzung benötigt werden. Es kann nun selbstständig auf dem Markt nach dem optimalen Lieferanten suchen und Vorschläge für die Bestellung machen. Vier Prozent der Betriebe geben an, Global Facilities zu nutzen; 17 Prozent planen dies und 30 Prozent diskutieren darüber.

3. Augmented Operators
Augmented Operators sind Mitarbeiter, die IT-basierte Assistenzsysteme nutzen, um ihre Sicht auf die Fabrik zu erweitern und so die Produktion besser zu steuern. Sie verwenden zum Beispiel Datenbrillen: Die Brille erkennt, welche Maschine der Mitarbeiter anschaut, und liefert ihm in Echtzeit Informationen zum aktuellen Produktionsschritt. Solche Anwendungen sind in jedem neunten Betrieb im Einsatz, wobei hier die Elektrotechnik einen Vorsprung gegenüber den anderen Branchen hat. Geplant ist die Nutzung von Augmented Operators in jedem fünften Betrieb. Darüber diskutiert wird in 17 Prozent der Betriebe.

4. Smart Products
Smart Products sind intelligente, programmierbare Gegenstände, die zum Beispiel mit den Anlagen kommunizieren und diesen mitteilen, wie sie bearbeitet werden müssen. Smart Products können auch nach der Auslieferung durch Softwareupdates unbegrenzt weiterentwickelt werden. Solche Produkte sind in rund 20 Prozent aller Betriebe Realität, wobei hier der Maschinen -und Anlagenbau mit 23 Prozent einen kleinen Vorsprung vor den anderen Branchen hat. Geplant ist die Nutzung von Smart Products in 13 Prozent der Betriebe. Darüber diskutiert wird in 27 Prozent der Unternehmen.

5. Predictive Maintenance
Für die vorausschauende Wartung sammelt ein System verschiedene Daten, unter anderem Prozessdaten und Maschinendaten, aber auch externe Daten, etwa zum Wetter oder Verkehr. Diese Echtzeitinformationen werden mithilfe von Big-Data-Technologien ausgewertet und zu Erfahrungswerten früherer Funktionsausfälle in Beziehung gesetzt. So identifiziert das System Muster, wann es zu Ausfällen kommt. Es lernt ständig dazu, kann Funktionsausfälle immer besser vorhersagen und somit verhindern. Dieses Anwendungsszenario ist bereits in 27 Prozent aller Unternehmen Realität. Die Mehrzahl der Befragten plant oder diskutiert den Einsatz.

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