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Nachhaltiges Bauen: Visionen für die Zukunft

Nachhaltiges Bauen bedeutet einen bewussten Umgang und Einsatz vorhandener Ressourcen, die Minimierung von Energieverbrauch und ein Bewahren der Umwelt. Holzbau wird zur Königsklasse.

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von Regiomanager 06.09.2022
Four Frankfurt ist ein europaweit einzigartiges Hochhausquartier inmitten der Frankfurter Innenstadt (Mitte, vorn). In den vier Hochhäusern mit bis zu 233 Metern Höhe entstehen über 600 Wohnungen und die höchsten Büroetagen des Landes. (© Groß & Partner)

Nachhaltiger geht kaum: Die Niederländer sind für gute Ideen, überschaubare Bauvorschriften und kleine Häuser bekannt. Nun erweitert ein holländisches Unternehmen diese Sichtweise und offeriert ein stabiles, preiswertes sowie modular erweiterbares Haus. Dieses besteht aus Pappe und Holz. Die mobile Immobilie kann innerhalb eines Tages errichtet werden und soll mindestens 50 Jahre halten. Das Musterbeispiel für nachhaltiges Bauen und Wohnen besteht aus einer Hülle aus Holz, 24 Lagen Karton und einer atmungsaktiven Membranfolie. Das „Wikkelhouse“ reiht sich aus einzelnen gleichförmigen Segmenten aneinander, die beliebig oft hintereinander gebaut werden können. Küche, Bad und ein Kamin komplettieren die Gestaltungsmöglichkeiten. Fehlt ein Kinderzimmer, wird die Wohnröhre erweitert. Sollte ein Umzug erforderlich werden: auseinandernehmen, transportieren, zusammenbauen.


Mobile Immobilie


Pappe ist eher ein bislang seltener Baustoff, Holz dagegen mehr als traditionell. Zurück zu den Wurzeln also? Einst war nachhaltiges Bauen aufgrund der verfügbaren Baustoffe selbstverständlich. Holz, Lehm, eine Dacheindeckung aus Stroh oder Reet, und wer es sich leisten konnte, war „steinreich“ und mauerte ein solides Quartier. Dann kamen neue Materialien und Verfahren, „modern“ war angesagt. Vieles davon stellte sich jedoch schnell auch als belastend für Mensch und Umwelt heraus. Der Ölkrise folgte der Naturschutzgedanke, alternative Energien rückten in den Fokus. Mit den Jahren wurde das Ideal geboren, (wieder) ökologisch nachhaltig zu bauen.


Lebenswerte Quartiere


„Nachhaltiges Bauen bedeutet einen bewussten Umgang und Einsatz vorhandener Ressourcen, die Minimierung von Energieverbrauch und ein Bewahren der Umwelt. Dabei basiert das gängige Nachhaltigkeitskonzept auf einem Dreisäulenmodell bestehend aus: Ökonomie, Ökologie und Sozialem“, erläutert Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). Dabei beziehe sich die Ökonomie darauf, Gebäude wirtschaftlich sinnvoll und über deren gesamten Lebenszyklus zu betrachten. Die Ökologie stehe für den ressourcen- und umweltschonenden Bau von Gebäuden. Im Fokus des Sozialen stehe der Nutzer des Gebäudes. „Von nachhaltigem Handeln kann also dann gesprochen werden, wenn diese drei Dimensionen in Einklang gebracht sind“, formuliert die DGNB, die sich als Non-Profit-Organisation mit ihren 1.600 Mitgliedsorganisationen für „nachweislich gute Gebäude, lebenswerte Quartiere, für eine zukunftsfähig gebaute Umwelt“ einsetzt. „Bis zu 90 Prozent unserer Zeit verbringen wir in Gebäuden. Wir leben, lernen und arbeiten in ihnen, wir haben Kontakt zu unseren Mitmenschen, suchen Schutz vor äußeren Einflüssen, und im besten Fall bieten sie uns Raum zur Erholung. Doch nimmt der Mensch heute diese zentrale Rolle auch bei der Gestaltung der Gebäude oder deren Umbau ein?“, stellt die in Hamburg ansässige Gesellschaft grundsätzliche Fragen.


Lebensstil etablieren


„Vom Einsatz bestimmter Materialien bis hin zur Berücksichtigung von Wohlfühlfaktoren: All diese Kriterien spielen bei der Bewertung von Gebäuden eine Rolle und bestimmen letztlich auch, wie nachhaltig ein Bauwerk ist“, heißt es beim Netzwerk: „Ob in Wohn- oder Bürogebäuden: Wir wollen uns in diesen wohlfühlen, denn letztlich spielen die Gebäude, in denen wir uns aufhalten, eine maßgebliche Rolle, wenn es um unser Gefühl von Lebensqualität geht. Das beginnt beim Design und geht über wohltemperierte Räumen, die bestmögliche Raumluft bis hin zur idealen Beleuchtung und Schalldämmung. Auch eine barrierefreie Planung ist ein wichtiger Punkt mit Blick auf die Nachhaltigkeit“, will die Nachhaltigkeitsgesellschaft mit der Leitidee „Gut für die Umwelt = gut für uns“ einen Anstoß geben, nachhaltiges Bauen und Handeln langfristig als Lebensstil zu etablieren.


Wiederverwertung


Natürlich wissen die Akteure, dass die Baubranche einer der größten Klimasünder ist. Das gilt nicht nur für den Neu- und Umbau, sondern auch für den Abriss: Rund 220 Millionen Tonnen Bauschutt fallen in Deutschland jährlich an, das sind mehr als die Hälfte des gesamten Abfallaufkommens. Materialien im Sinne echter Kreislaufwirtschaft sortenrein trennen und wiederverwenden oder modulare Bauteile neu nutzen sind Beispiele dafür, wie ein Abriss nachhaltig gestaltet werden kann. Als Beispiel taucht das Frankfurter Quartier Four, das ehemalige Areal der Deutschen Bank, immer wieder auf. Dort fallen beim Rückbau 37. 000 Tonnen Beton, 3.400 Tonnen Metalle sowie 3.000 Tonnen Styropor an. Angestrebt wird der „verwertungsorientierte Rückbau“, in der Fachsprache „Social Urban Mining“ genannt. Zunächst werden alle Wertstoffe wie Strom- und EDV-Kabel, Alureflektoren und Rasterleuchten oder Metall- und Holzteile sortenrein getrennt und der Wiederverwertung zugeführt. Im zweiten Schritt werden Re-Use-Bauteile wie Parkettböden, Beleuchtungskörper, Glaselemente und Einrichtungsgegenstände vermittelt und demontiert. Schließlich werden sämtliche Schad- und Störstoffe wie etwa Leuchtstoffröhren und Kondensatoren aus dem Gebäude entfernt. Erst dann folgt der maschinelle Abbruch. Noch spektakulärer als der Rückbau wird die Zukunft: Four ist quasi die Vision einer neuen Stadt. Vier einzigartige Hochhäuser repräsentieren eine Urbanität ohne Kompromisse. Sie prägen und verändern das Gesicht der Metropole Frankfurt – mit einer zukunftsweisenden Architektur und einem nachhaltigen städtebaulichen Konzept, mit dem Leben, Wohnen und Arbeiten zusammenfinden sollen.


Höchstes Holzhaus


Neue Wege werden auch mit dem Elbbrückenquartier in der Hamburger HafenCity beschritten. Dort wächst das höchste Holzhaus Deutschlands. Das 18-stöckige Gebäude mit einer Höhe von 65 Metern nimmt 181 Wohnungen auf und bietet der Wildtierstiftung 4.000 Quadratmeter Ausstellungs-, Büro- sowie Gastronomiefläche. Insgesamt werden für das „Roots“ 5.500 Kubikmeter Nadelholz verbaut – so viel wurde weltweit noch nie eingesetzt.
Die Bauweise reduziere den CO2-Fußabdruck, begrenze Lärmemissionen und sei ein Beitrag zur klimaeffizienteren, ressourcenschonenden Projektentwicklung. „Technisch betrachtet gehört der Holzbau in diesen Dimensionen zur Königsklasse“, sind die Macher überzeugt.


Es geht noch höher


Wenn der Turm im kommenden Jahr fertiggestellt ist, wird er seinen Höhenrekord jedoch schon wieder verlieren. Denn 98 Meter hoch mit 29 Geschossen wird dann das WoHo in Berlin zu Deutschlands höchstem aus Holz erbautem Gebäude. Lediglich Kerne und das Untergeschoss sollen aus Stahlbeton errichtet werden, die Einhaltung des KfW-40-Standard ist anvisiert. „Durch Auskragungen und Vorsprünge im Turm entsteht Lebendigkeit, die von der begrünten und gegliederten Raster-Holzstruktur der Fassade akzentuiert wird“, heißt es. Von den 18.000 Quadratmetern Nutzfläche sind 15 Prozent für die soziale Infrastruktur geplant, 25 Prozent für gewerbliche Einrichtungen und 60 Prozent für das Wohnen.


Wohnhaus gedruckt


Großzügige Landesförderung ermöglichte das erste Wohnhaus Deutschlands, das mittels eines 3D-Betondruckers erstellt wurde. Entstanden ist in Beckum ein zweigeschossiges Einfamilienhaus mit 160 Quadratmetern Wohnfläche. „Mit dem bundesweit ersten 3-D-Druck-Wohnhaus wird positiver Druck in der Baubranche erzeugt: für innovatives Bauen mit neuen Techniken, für eine größere Attraktivität in Bauberufen und für moderne Architektur mit neuen Stilformen“, ist Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung, überzeugt. Der Druck dürfe nicht nachlassen, mit neuen Projekten allen in der Baubranche Tätigen ständig neue Impulse zu geben. Zielsetzung des Landes sei es, Grundsteine für innovative Zukunftstechnologien zu legen und technologische wie wirtschaftliche Chancen weiterzuentwickeln.

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