Kolumne

Kolumne Parallelwelten: Schaffe, schaffe, Häusle baue

Steigende Kosten könnten die Wertschätzung für das Handwerk steigern und Nachhaltigkeit begünstigen, meint Simone Harland.

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von Simone Harland 11.07.2022
(© ­­­WITTAYA − stock.adobe.com)

Alles wird teurer – Lebensmittel, Energie, Mieten, Rohstoffe. Ursachen dafür gibt es einige, zum Beispiel den Ukrainekrieg, die damit verbundenen Sanktionen, aber auch die Unterbrechung von Lieferketten als Folge der Corona-Pandemie, nicht zuletzt auch die weltweit erhöhte Nachfrage nach Rohstoffen. Im Handwerk machen sich die steigenden Preise besonders bemerkbar. Niemand weiß, welche Preise für Rohstoffe in den nächsten Wochen und Monaten aufgerufen werden oder ob Materialien überhaupt zu bekommen sind. Im Hochbau etwa meldeten fast 57 % der Unternehmen im Mai 2022 Materialmangel. Es fehlte unter anderem an Baustahl, der bislang häufig aus der Ukraine oder aus Russland importiert wurde, aber auch – wie schon vor dem Krieg – an Dämmstoffen. Die steigenden Energiepreise erschweren zusätzlich die Kalkulation für handwerkliche Dienstleistungen.
Hinzu kommt: Die Handwerksbetriebe sind im Großen und Ganzen ausgelastet. Schon seit Jahren suchen manche Branchen händeringend nach Fachkräften. Eine Studie des zum Institut der deutschen Wirtschaft gehörenden Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA) ermittelte, dass im Handwerk rund 65.000 Fachkräfte fehlen, vor allem Gesellen. Besonders betroffen davon ist das Baugewerbe. Kein Wunder, dass bei fehlendem Angebot und steigender Nachfrage die Preise in die Höhe schießen und all diejenigen, die auf diese Dienstleistungen angewiesen sind, ächzen und stöhnen. Und jetzt steigen auch noch die Bauzinsen …
Hier nun mein Vorschlag für alle, die bauen wollen: Vielleicht ist es Zeit, selbst tätig zu werden und alten Baustoffen wie Lehm eine zweite Chance zu geben? Lehm ist doch nahezu überall vorhanden. Man braucht ihn nur aus dem Boden zu fördern. Was? Das geht nicht so einfach? Und ist auch nicht erlaubt? Macht doch nichts! Merkt doch keiner. Ein paar Schippen hier, ein paar dort – und schon hat man sein Baumaterial zusammen. Ach, das Know-how fehlt? Na ja, da wird es doch wohl ein paar Bastelanleitungen im Internet geben. Schließlich haben unsere Vorfahren schon vor Jahrhunderten ganze Häuser aus Lehm gebaut. Das wird doch heute auch zu schaffen sein. Schnell lassen sich aus Lehm etwa luftgetrocknete Steine herstellen, Lehm dient als Mörtel oder Putz und kann zum Beispiel mit Stroh oder den Haaren von Tieren (haben Sie einen Hund? Gut!) gefestigt werden. Er hat auch den Vorteil, dass nur wenig Energie für seine Verarbeitung nötig ist. Und erst das Raumklima! Im Sommer ist es in Lehmbauten schön kühl und im Winter hält sich die Wärme.
Was? Sie sagen, das ist doch nichts für Sie? Das dauert Ihnen alles zu lange? Und Sie haben auch keine Ahnung von der Verlegung von Elektro- und Wasserleitungen, von der Installation sanitärer Einrichtungen, vom Heizungsbau? Und die Statik sowie die Dachkonstruktion sind auch nicht zu verachten? Dann müssen Sie wohl doch in den sauren Apfel beißen und die Dienstleistungen des Handwerks in Anspruch nehmen. Und vielleicht lernen Sie die Tätigkeiten wertzuschätzen, die mit dem Bauen oder auch „nur“ einer Renovierung verbunden sind. Es ist eben nicht einfach alles mal schnell und easy erledigt. Und Dienstleistungen, die Fachkräfte erfordern, kosten Geld. Denn Fachkenntnis ist nun einmal nicht für ein paar Cents zu haben.
Von der Erwartungshaltung, dass schon gestern alles fertig sein muss und alle Materialien just in time vorhanden sind, müssen wir wohl angesichts der weltweiten Probleme langsam ebenfalls abrücken. Vielleicht ist das auch gut so. Denn vielleicht lernen wir auf diese Weise, Dinge stärker wertzuschätzen und nachhaltiger mit ihnen umzugehen. Schließlich sind die Ressourcen nicht unendlich und angesichts der Klimakrise ist ein Umdenken oder zumindest das Nachdenken über Alternativen sinnvoll. Vielleicht erleben in diesem Rahmen tatsächlich alte Kulturtechniken – wie etwa das bereits angesprochene Bauen mit Lehm – eine Renaissance, auch angesichts einer Loslösung von weltweiten Abhängigkeiten. Das ist zwar sicher nicht in allen Bereichen praktikabel, doch in denen es möglich ist, könnte es, auch für Unternehmen, eine Überlegung wert sein.

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