Management

„Es gibt keinen Königsweg“

Prof. Dr. Andrea Calabrò vom Wittener Institut für Familienunternehmen (WIFU) erklärt, wie sich Familienunternehmen auf internationalem Parkett bewegen.

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von Regiomanager 01.01.2017
Foto: © denisismagilov – stock.adobe.com

Eine internationale Ausrichtung ist seit vielen Jahrzehnten eine besondere Stärke von deutschen Familienunternehmen. Grundlage dieses Erfolgs sind etwa der positive Ruf der deutschen Unternehmen im Ausland (Stichwort „made in Germany“) und die generell positiven Assoziationen mit dem Konzept „Familienunternehmen“ in internationalen Märkten. Prof. Dr. Andrea Calabrò vom Wittener Institut für Familienunternehmen erklärt, wie deutsche Familienunternehmen auf internationalem Parkett agieren und wovon ihr Erfolg dabei abhängt.

NRM: Worin unterscheiden sich Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen hinsichtlich ihrer internationalen Ausrichtung?

Prof. Dr. Andrea Calabrò:
Im Vergleich zu Nicht-Familienunternehmen verläuft die Internationalisierung von Familienunternehmen zumeist etwas langsamer, dafür aber deutlich risikoärmer. Dies liegt insbesondere daran, dass Internationalisierungsstrategien in der Regel mit einem hohen Kapitaleinsatz und erheblichen Risiken für die identitätsstiftende Wirkung des Unternehmens oder die Anerkennung im familienfremden Umfeld verbunden sind. Trotz dieser unterschiedlichen Voraussetzungen sind die Unterschiede zwischen den beiden Unternehmenstypen in Bezug auf die Internationalisierung im Endeffekt überraschend gering (siehe INFO-Kasten).

NRM: Wie sehen Internationalisierungsstrategien bei Familienunternehmen aus?

Prof. Dr. Andrea Calabrò: Es gibt keinen „Königsweg“ in der Festlegung einer Internationalisierungsstrategie für Familienunternehmen. Die überwältigende Mehrzahl – in unserer Studie etwa drei Viertel der Befragten – setzt weiterhin auf relativ risikoarme Strategien wie Direktexporte oder die Gründung einer eigenen Vertriebsgesellschaft im Ausland. Dies bietet den Vorteil, dass alle größeren unternehmerischen Entscheidungen weiterhin in den Händen der Eigentümerfamilie verbleiben und zudem in der Regel die Höhe der Investitionskosten überschaubar bleibt. Rund ein Drittel der Familienunternehmen gehen allerdings auch das Risiko der Akquisition von ausländischen Firmen ein. Die Stärke des Wirtschaftsstandorts Deutschlands, niedrige Leitzinsen oder auch günstige Kaufziele haben nicht nur die Finanzierungsprobleme in den letzten Jahren entschärft; Familienunternehmen haben sich auch auf diese Form der Internationalisierungsstrategie eingestellt, etwa durch den Aufbau eigener M&A-Abteilungen bzw. -Stellen, ihre gewachsene Erfahrung mit Akquisitionen im Ausland oder auch dem gezielten Einsatz externer Berater.

NRM: Welche Rolle spielt das jeweilige Produkt- oder Dienstleistungsangebot dabei?

Prof. Dr. Andrea Calabrò: Wir beobachten, dass die Internationalisierung durchaus von der jeweiligen Branche eines Familienunternehmens beeinflusst wird. Der Exportanteil ist unter industriellen Familienunternehmen z.B. deutlich stärker ausgeprägt als bei den Handels- und Dienstleistungsunternehmen. Allerdings legen auch stark international ausgerichtete, industrielle Familienunternehmen den Fokus ihrer Investitionen weiterhin auf den heimischen Standort. Diese Unternehmen bauen damit zwar auch ihre ausländischen Standorte aus, allerdings nicht auf Kosten des heimischen Standorts. Dies geschieht nicht zuletzt infolge des Wunschs der Eigentümerfamilie, die regionale Verbundenheit ihres Unternehmens zu wahren sowie weiterhin eine identitätsstiftende Wirkung auf Familienmitglieder und Mitarbeiter auszustrahlen.

NRM: Welche Rolle spielen Netzwerke dabei?

Prof. Dr. Andrea Calabrò: Familienunternehmen verfügen im Vergleich zu anderen Unternehmensformen über eine Reihe spezieller Netzwerke, wie etwa mit familienfremden Geschäftsführern, Kunden, Geschäftspartnern, Regulierungsbehörden und Familien im Ausland. Durch solche Netzwerkverbindungen gestaltet es sich für Familienunternehmen in der Regel einfacher, ihre Nachteile hinsichtlich geringer finanzieller Ressourcen und Kompetenzen aufzuwiegen. Wir beobachten allerdings auch, dass Familienunternehmen nicht immer sehr strategisch bei der Knüpfung neuer Netzwerke vorgehen, sondern eher auf bestehende Informationskanäle mit anderen Familienunternehmen zurückgreifen, um an geeignete Informationen über internationale Märkte zu gelangen. Gerade in Nischenmärkten sind verlässliche Marktdaten aber häufig nur schwierig zugänglich. Aus diesem Grund bietet es sich in der Regel an, für die Internationalisierung in geografisch und kulturell ferne Länder auch auf andere Netzwerke zurückzugreifen, in China z.B. auf die Deutsch-Chinesische Handelskammer.  

NRM: Die Praxis zeigt, dass viele Familienunternehmen, die den Schritt auf den internationalen Markt wagen, sehr erfolgreich sind. Warum trauen sie sich dennoch seltener als Nicht-Familienunternehmen?

Prof. Dr. Andrea Calabrò:
Dies ist größtenteils von den individuellen Beweggründen der Eigentümerfamilien abhängig. Familienunternehmen scheuen oftmals die mit der Internationalisierung einhergehende Ungewissheit, da keinesfalls der Verlust des Familieneinflusses – etwa bei einem Joint Venture – riskiert werden soll. Dies kann sich etwa in der Verringerung der identitätsschaffenden Wirkung des Unternehmens, dem Ansehen im familienfremden Umfeld oder der begrenzten Möglichkeit der Einflussnahme auf unternehmerische Entscheidungen äußern.

NRM: Was muss passieren, damit sich das ändert?

Prof. Dr. Andrea Calabrò: Für Familienunternehmen besteht durchaus eine Reihe von Möglichkeiten, wie sie den Einfluss der Eigentümerfamilie langfristig erhalten können, ohne aber Wachstumspotenziale im Ausland aufzugeben. Entscheidend ist dabei der Rückgriff auf geeignete externe Hilfen, wie z.B. durch weitere Kapitalgeber, familienfremde Geschäftsführer im In- und Ausland oder aber auch die Einrichtung eines Beirats. Wichtig ist dabei, dass Familienunternehmen dazu bereit sein müssen, fremde Hilfe und externe Ressourcen auch anzunehmen. Dabei müssen nicht alle externen Ressourcen gleichzeitig in Anspruch genommen werden. Der Einsatz eines familienfremden Geschäftsführers und eines professionellen Beirats empfiehlt sich z.B. weniger, wenn das Familienunternehmen bereits über einen weiteren Eigentümer verfügt, der das entsprechende Know-how in eine Internationalisierungsstrategie einbringt.

NRM: Inwiefern haben aktuelle politische Ereignisse wie der Brexit Auswirkungen auf das Internationalisierungsverhalten von Familienunternehmen?

Prof. Dr. Andrea Calabrò: Wenngleich die mittel- und unmittelbaren Folgen des Brexits noch nicht vollständig absehbar sind, werden Familienunternehmen ihre Auslandsinvestitionen in Großbritannien sicherlich überdenken. Unklare rechtliche und politische Rahmenbedingungen im Ausland bilden in der Regel ein Haupthemmnis für ein Auslandsengagement; dazu kommt auch möglicherweise eine erschwerte Rekrutierung von geeigneten Mitarbeitern, welche die Geschäfte vor Ort führen können. Thomas Corrinth I redaktion@niederrhein-manager.de

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