Management

Eine irgendwie andere Nachfolge

Dr. Dominique Otten-Pappas vom Wittener Institut für Familienunternehmen (WIFU) über Töchter, die einen Familienbetrieb übernehmen – und warum das selbstverständlich sein sollte.

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von Regiomanager 01.06.2016
Sohn oder Tochter, wer ist geeigneter für die Nachfolge? (Foto: contrastwerkstatt - stock.adobe.com)

RM: Frau Dr. Otten-Pappas, scheinbar immer mehr Frauen treten die Nachfolge in Familienunternehmen an. Haben Sie dazu belastbare Zahlen? 

Dr. Dominique Otten-Pappas: Studien, die rund fünf Jahre zurückliegen, kommen zu dem Ergebnis, dass zwischen 20 und 25 Prozent der Familienbetriebe von Frauen übernommen werden. Wir hier vom Wittener Institut für Familienunternehmen WIFU arbeiten gerade an einem Projekt, das bald auch noch aktuellere Zahlen liefern wird, um gegebenenfalls einen Trend identifizieren zu können. Mein persönliches Gefühl ist bereits, dass es mittlerweile noch mehr Frauen sind also vor einigen Jahren. Gleichzeitig scheint es leider immer noch etwas Besonderes zu sein, als Tochter das Familiengeschäft fortzuführen, wenn man sich anschaut, wie z.B. Medien darüber berichten oder Menschen darüber sprechen. Oft fallen Sätze wie „Das ist ja toll, dass Sie das als Tochter übernommen haben“. Es ist anscheinend noch nicht selbstverständlich.

RM: Wann spielt es denn überhaupt eine Rolle, ob ich Tochter oder Sohn bin, wenn es um die Unternehmensnachfolge geht?

Dr. Dominique Otten-Pappas: Zunächst einmal spielt die Sozialisation bzw. die Familienkonstellation eine Rolle. Wie traditionell oder konservativ sind die Familie und das betroffene Unternehmen? In sehr traditionell orientierten Unternehmen wird dann eher noch der jüngere Sohn als die Tochter mit der Nachfolge betraut. In moderner ausgerichteten Betrieben spielt das weniger eine Rolle. Wir dürfen einfach nicht vergessen, dass kultureller Wandel recht langsam sein kann. Die Mütter vieler Nachfolgerinnen sind noch in einer Zeit aufgewachsen, in der eine Frau ihren Mann noch um Erlaubnis bitten musste, wenn sie einem eigenen Beruf nachgehen wollte!

RM: Das heißt aber auch, dass auf Söhnen immer noch ein anderer Druck liegt als auf Töchtern.

Dr. Dominique Otten-Pappas: Richtig, in der Regel ist das so. Und damit sprechen Sie einen weiteren Punkt an, bei dem das Geschlecht eine Rolle spielt: dem Freiheitsgrad der Entscheidung. Töchter sind grundsätzlich freier in ihrer Entscheidung, das Familienunternehmen zu übernehmen. Sie kommen oft aus eigenem Antrieb auf diese Idee. Söhne stehen unter einem höheren Entscheidungsdruck und haben eher das Gefühl, einer Verpflichtung nachkommen zu müssen. Allerdings findet auch bei den Männern der Nachfolge-Generation Y ein Wandel statt, denn sie denken zunehmend familienorientierter.

RM: Womit wir zu einem weiteren Punkt kommen: der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Man bekommt den Eindruck, dass hier besonders die Frauen unter Druck stehen, alles unter einen Hut bekommen zu müssen.

Dr. Dominique Otten-Pappas: Ja, das ist nach wie vor eine große Herausforderung. Wenn es dann auch noch Frauen sind, die eine Unternehmensnachfolge antreten, ist die Belastung besonders groß. Die haben z.B. nicht die Möglichkeit wie eine Führungskraft in einem externen Unternehmen, mal eben zwei Jahre in Mutterschutz zu gehen. Sie brauchen einen größeren Vorlauf, um ihre Abwesenheit zu planen. Auf der einen Seite haben sie mehr Möglichkeiten, auf der anderen Seite aber auch noch mehr Verantwortung.

RM: Wir sprechen nun über Druck und über Erwartungen. Sie haben in Ihrer Forschung auch untersucht, dass es vielmehr um die „Erwartungserwartungen“ geht. Was genau meinen Sie damit?

Dr. Dominique Otten-Pappas: Damit ist gemeint: Ich erwarte, dass etwas Bestimmtes von mir erwartet wird, ohne jedoch genau zu wissen, was wirklich von mir erwartet wird – und richte danach mein Verhalten aus. Konkret bezogen auf die Nachfolgesituation heißt das z.B.: Der Nachfolger äußert in einem vertraulichen Gespräch, dass er glaubt, dass seine Eltern insgeheim erwarten, dass er die Unternehmensnachfolge antritt, obwohl diese zuvor offen kommuniziert haben, dass er vollkommen frei in dieser Entscheidung ist. Es ist quasi eine interne und projizierte Erwartung, die aber dennoch Einfluss auf die Person hat.

RM: Wie ausschlaggebend ist das Geschlecht denn heute überhaupt noch bei der Nachfolgeregelung?

Dr. Dominique Otten-Pappas: Wir glauben, dass das Geschlecht gar keine so große Rolle mehr spielt bei der Nachfolgeregelung wie allgemein angenommen. Vielmehr wollen wir durch unsere Forschungsarbeit aufdecken, wie hier Gesellschafts-, Generationen- und Geschlechter-Themen ineinanderspielen und oft auch vermischt werden. Wichtiger sind Fragen wie: Wie arbeiten wir heute und zukünftig? Wie strukturieren wir unser Arbeits- und Privatleben? Welche Eigenschaften brauchen wir dafür? Um letztendlich das wichtigste betriebswirtschaftliche Ziel zu erreichen: die Zukunft des Familienunternehmens zu sichern.

RM: Apropos Zukunft: Wie sehen Sie hier die Rolle der Frau in Familienunternehmen?

Dr. Dominique Otten-Pappas: Meine persönliche Hoffnung ist, dass es noch selbstverständlicher wird, dass Frauen die Nachfolge in einem Unternehmen antreten, wenn sie die Fähigkeiten dafür haben. Ich hoffe auch, dass das Thema noch mehr gesehen wird, denn es gibt noch viel familieninternes Potenzial bei der Nachfolge-Frage. Und dieses Potenzial müssen die Betriebe nutzen.

RM: Frau Dr. Otten-Pappas, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.
Thomas Corrinth I redaktion@regiomanager.de

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Fotostrecke

Dr. Dominique Otten-Pappas forscht am Wittener Institut für Familienunternehmen (WIFU) an der Privatuniversität Witten/Herdecke zum Thema Frauen in Familienunternehmen.

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