Kolumne

Parallelwelten: Kontrolle ist gut?

Wer alles und jeden kontrollieren will, tut das oft aus Angst. Dabei ist vollständige Kontrolle eine Illusion, meint Simone Harland.

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von Simone Harland 18.03.2024
(© ­­­Lustre − stock.adobe.com)

Sind wir nicht alle mittlerweile in gewisser Weise kleine Kontrollfreaks? Das fängt bei unseren Kindern an. Wenn wir nicht wissen, wo sie sich aufhalten, stellt sich oft ein komisches Gefühl im Bauch ein. Gut, dass es Smartphones gibt. Da kann man jederzeit Kontakt halten – zumindest, wenn das Gegenüber auf Nachrichten reagiert. Tut es das nicht, grummelt der Magen erneut. 

Doch vielleicht ist es auch nur eine Scheinsicherheit, dass wir durch die Technik jederzeit alles unter Kontrolle haben? Vielleicht ist die ständige Möglichkeit der Kontrolle auch gar nicht gut? Vielleicht schadet sie zum Beispiel dabei, Eigenverantwortung zu entwickeln?

Blicken wir mal einige Jahre zurück: Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, in denen Smartphones noch eine Utopie waren. Immerhin: Telefone und öffentliche Münzfernsprecher gab es schon. Meine Eltern und die meiner Freunde sagten immer: „Wenn wir nichts von euch hören, wissen wir, dass es euch gut geht.“ Wie die Eltern heute um ihre Kinder müssen auch sie Angst um uns gehabt haben, wenn wir abends mit dem Rad unterwegs waren oder bereits im Teenager-Alter mit gleichaltrigen Freunden auf Reisen gingen. Doch sie hatten nicht die Möglichkeit, uns jederzeit zu erreichen. Entweder wir meldeten uns oder sie hörten stunden- und manchmal sogar tagelang nichts. Dadurch lernten wir das Prinzip der Eigenverantwortung. Wenn wir Mist bauten, mussten wir den auch selbst wieder wegräumen. Es gab niemanden, der sofort zur Stelle war. Das wollten wir auch nicht. Denn es musste ja nicht jeder alles wissen. Für den Fall, dass doch einmal etwas passierte, was wir nicht selbst regeln konnten, konnten wir uns jedoch auf unsere Eltern verlassen. Sie waren zwar unser Backup, standen uns aber auch nicht im Weg dabei, Dinge selbst in die Hand zu nehmen – eben, weil sie nicht ständig verfügbar waren. 

Meiner Meinung nach geht diese Eigenverantwortung durch zu viel Kontrolle verloren – auch im Job. Auf eine Person, die ständig prüft, ob alles seine Richtigkeit hat, lässt sich leicht mit dem Finger zeigen und die Verantwortung abschieben, wenn nicht alles so läuft, wie geplant. Der Verursacher hingegen kann das Unschuldslamm spielen und vielleicht sogar von der „Kontrollperson“ verlangen, die eigenen Fehler auszubügeln. Nicht falsch verstehen: Ich plädiere nicht für eine Laissez-faire-Haltung. Natürlich ist ein gewisses Maß an Kontrolle notwendig, befindet sich jemand in einer Position, in der er die Verantwortung für andere trägt – sei es als Vorgesetzter oder Elternteil. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass übermäßige Kontrolle die Eigenverantwortung lähmt und zugleich die Bequemlichkeit fördern kann im Sinne von: „Ein anderer wird’s schon richten.“ Im schlimmsten Fall kann sich sogar eine Art „Opfermentalität“ einstellen: Alle anderen sind verantwortlich für das, was einer Person widerfährt, jedoch niemals sie selbst.

Andersherum ist der Wunsch, ständig alles unter Kontrolle haben zu wollen, auch ein Zeichen von Angst. Angefangen von der verständlichen Angst, den eigenen Kindern könne etwas passieren, bis hin zu der Furcht, den Vorgesetztenjob zu verlieren, weil die eigene Abteilung im Unternehmen ohne dauerhafte Kontrolle vielleicht nur unterdurchschnittliche Leistungen erbringen könnte. Werden aus dieser Angst heraus andere (Kinder, Mitarbeiter usw.) kontrolliert, stellt sich ein Gefühl der Sicherheit ein, das jedoch trügerisch ist. Denn natürlich lässt sich nicht alles kontrollieren. Tatsächlich kontrollieren kann jeder nur sich und das eigene Verhalten. Selbst das ist schon schwierig genug und gelingt nicht immer.

Ich plädiere daher für ein gesundes Mittelmaß: Das zu kontrollieren, was nötig ist, dabei anderen jedoch den Freiraum zu geben, Eigenverantwortung zu entwickeln. Bei Kindern heißt das zum Beispiel, ihnen altersgerechte Aufgaben zu übertragen und ihnen diese Arbeiten auch bei noch so großem Murren nicht abzunehmen. Im Job sollten Mitarbeiter für ihren Aufgabenbereich spätestens nach einer Einarbeitungszeit selbst verantwortlich sein. Ein Auge sollten Eltern oder Vorgesetzte natürlich trotzdem auf Kinder bzw. Mitarbeiter haben. Denn natürlich kommt es vor, dass man die Fähigkeiten des anderen überschätzt. Dann lässt sich immer noch eingreifen. 

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