Das allseits bekannte und Lenin zugeschriebene Zitat „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ hat eine hohe Brisanz. Denn schließlich ist Vertrauen eine der wichtigsten Grundlagen für menschliche Beziehungen. Indem es formale Regelungen ersetzt, ist Vertrauen ist eine unausgesprochene gegenseitige Vereinbarung. Je größer das Vertrauen, desto größer die Handlungsfreiheit des Einzelnen. Eine Freiheit, die auch für Innovationen unverzichtbar ist. Denn ohne Vertrauen muss jedes Detail geregelt und kontrolliert werden, was nicht nur überflüssig, sondern auch extrem kostenintensiv ist.
Ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen der Chefetage und dem Team ist das Kennzeichen erfolgreicher Betriebe. Arbeitnehmer sollten darauf vertrauen können, dass ihre Vorgesetzen neben ihren eigenen Interessen auch das Wohl des Unternehmens im Auge haben. Und der Arbeitgeber sollte das Vertrauen haben, dass die Mitarbeiter auch ohne Kontrolle im Sinne des Betriebes handeln. Vertrauen entsteht nicht über Nacht, sondern durch gemeinsame Erfahrungen. Wenn Beziehungen beliebig und unverbindlich werden, verschwindet das gegenseitige Vertrauen schnell.
Das gesunde Maß finden
Zuverlässige und motivierte Mitarbeiter sind eine Grundvoraussetzung für den Erfolg eines Unternehmens. Mit Angst und Druck erreicht man meistens das Gegenteil. Kontrolle kostet außerdem Zeit und birgt das Risiko, dass man das Falsche kontrolliert. Hundertprozentige Sicherheit kann es auch bei hundertprozentiger Kontrolle nicht geben. Wer effizient sein will, sollte also nur so wenig wie möglich aber so viel wie nötig kontrollieren. Je mehr Vertrauen man also in eine Person und deren Fähigkeiten hat, desto weniger muss man kontrollieren und desto mehr Zeit hat man für andere wichtige Dinge.
Ein Problem für viele Führungskräfte ist: Wenn ich einem Mitarbeiter vertraue, dann mache ich mich selbst verwundbar, wenn das Vertrauen von der Person enttäuscht wird. Oder ich habe die Fähigkeiten eines anderen einfach falsch eingeschätzt und so zu viel Vertrauen in seine Fähigkeiten gesetzt. Das kann zu Fehlern führen, zu Termin- und Budgetüberschreitungen – kurzum zu Ärger und zu Problemen. Wie das Wort schon sagt: Vertrauen kommt von „sich trauen“. Oft braucht es ein wenig Mut und Selbstbewusstsein, um zu vertrauen. Was, wenn durch das eigene Vertrauen Fehler entstehen? Damit muss ich als Führungskraft leben können.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass zu viel Kontrolle demotivierend wirkt. Misstrauen schafft unmündige, unfähige und frustrierte Mitarbeiter, die sich die Frage stellen: Warum soll ich mitdenken, wenn sowieso alles kontrolliert und vorgegeben wird? Das birgt die Gefahr einer Spirale: Der Vorgesetzte glaubt nach einer Weile, dass seine Mitarbeiter nicht in der Lage seien, selbstständig zu arbeiten und eigene Ideen zu entwickeln.
Vertrauen im Arbeitsalltag
Die Wirklichkeit könnte folgendermaßen aussehen: Der Vorgesetzte bittet einen Mitarbeiter, einen Bericht bis zum nächsten Morgen um 10 Uhr fertigzustellen. Erster Vorsatz in Sachen Vertrauen: Zunächst abwarten, bis die Deadline verstrichen ist, erst dann sollte nachgehakt werden. Und nicht zwischendurch nachfragen. Liefert der Mitarbeiter pünktlich ab, ist alles okay. Hält er aber den Termin nicht ein, muss er natürlich darauf angesprochen werden und erfahren, dass er das Vertrauen bei diesem Projekt enttäuscht hat. Und beim nächsten Mal? Dann sollte man als Vorgesetzter für sich selbst und andere eine Art doppelten Boden einbauen. Besser ist eine Deadline einen halben Tag vorher. Dann kann gemeinsam entschieden werden, was getan werden muss, damit die Aufgabe pünktlich fertig ist. Doch auch hier gilt wieder: Zwischendurch nicht kontrollieren. Der Mitarbeiter sollte immer wissen, dass man als Vorgesetzter ein offenes Ohr für Probleme und Zeitverzögerungen hat – aber der Chef sollte das Ergebnis nur zu den vereinbarten Zeiten kontrollieren. Und weil diese Zwischenstufe zwar mehr Sicherheit bringt, aber auch Zeit kostet, sollte der Mitarbeiter möglichst schnell dazu gecoacht werden, dass solche Zwischenschritte überflüssig werden.
Bliebe die Frage, wo denn generell die Grenze zwischen der notwendigen Präsenz und einer übertriebenen Kontrolle verläuft. Einfach gesagt: Vereinbarte Ergebnisse zum fälligen Termin zu kontrollieren, ist okay. Den Weg dahin zu kontrollieren, dagegen nicht. Wie viel Kontrolle und wie viel Freiraum der Mitarbeiter erhält, ist von ihm selbst abhängig: von seinem Wissen und von seinen Fähigkeiten.
Stichprobenartig kontrollieren
Selbst wenn man volles Vertrauen in einen Mitarbeiter hat, sollte man dessen Ergebnisse zumindest hin und wieder kontrollieren. Schließlich trägt die Führungskraft die Gesamtverantwortung und eine stichprobenartige Kontrolle schadet nichts. Und wenn bei einer solchen Stichprobe Unstimmigkeiten auffallen, sollte niemand unbesehen beschuldigt, sondern die Verantwortlichen mit dem Sachverhalt konfrontiert werden. Wahrscheinlich gibt es eine schlüssige Erklärung. Wenn nicht, muss der Betreffende zur Verantwortung gezogen werden. Das sollte jedoch der grundsätzlichen Vertrauenshaltung keinen Abbruch tun. Auch Verstöße oder Fehler sind kein Grund für die Einführung von Mikromanagement. Und: Wenn einzelne Mitarbeiter beweisen, dass sie das langjährige Vertrauen verdienen, darf die Häufigkeit von Stichproben gerne abnehmen.
Vier zentrale Schritte
Richtig delegieren
Wichtig ist eine gute Basis, um überhaupt vertrauen zu können. Am besten delegiert man Aufgaben und Projekte so, dass der Mitarbeiter sein volles Commitment gibt. Erst wenn er seine Zusage zur Aufgabe und zur Einhaltung des Termins gibt, hat man richtig delegiert.
Das Ergebnis zählt
Wichtig ist: immer die Ergebnisse kontrollieren, nicht aber den Weg dorthin. Alles andere bleibt dem Mitarbeiter oder dem Team überlassen. Nach den Ergebnissen erkundigen, wenn die Deadline verstrichen ist.
Stichproben setzen
Grundsätzliches Vertrauen in Mitarbeiter ist unerlässlich. Trotzdem sollte man durch stichprobenartige Kontrollen überprüfen, ob sie dieses Vertrauen auch verdienen.
Fehlerkultur einführen
Wenn es wirklich einmal brennen sollte, hilft nur Gelassenheit. Die beste Prophylaxe ist eine Fehlerkultur im Unternehmen anstelle von kontraproduktivem Mikromanagement.
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