Büro & Arbeitswelt

Großraumbüros: „Man muss an die Arbeitsleistung denken“

Der Trend zum Großraumbüro ist ungebremst. Doch insbesondere die hohe Lautstärke stellt hohe Anforderungen an die Büroeinrichtung.

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von Dirk Heuer 01.02.2017
Das Großraumbüro: Arbeiten wie die Hühner auf der Stange (© zhu difeng – stock.adobe.com)

Der Trend zu Großraumbüros ist ungebremst. Doch die Meinungen über Vor- und Nachteile gehen weit auseinander. Welche Auswirkungen und Folgen haben Großraumbüros auf die Menschen, die dort arbeiten? Die Kritiker der großen Büros verweisen vor allem auf den Lärm, der die Gesundheit beeinträchtigen und Stress auslösen kann. „Wirklich verlässliche umfangreiche Gesamtstudien stehen uns nicht zur Verfügung“, erklärt Dr. med. Wolfgang Panter. Der Präsident des Verbandes Deutscher Betriebs- und Werksärzte (VDBW) kennt die wirtschaftlichen Zwänge von Unternehmen: „Büroraum ist teuer.“ Doch der Mediziner verteufelt Großraumbüros nicht. Er weist aber auf die Zusammenhänge von Lärm auf Arbeitsleistung und Konzentration hin. „Hohe intellektuelle Leistungen und ein hoher Lärmpegel schließen sich aus“, warnt der Verbandspräsident. „Arbeitgeber, die in gute schalldämmende Maßnahmen investieren, erhalten oder erhöhen die Konzentration und damit die Arbeitsleistung ihrer Mitarbeiter.“ Dr. med. Panter rät, den Lärmpegel auf 55 dbA zu begrenzen. Das gelte auch für Callcenter, deren Mitarbeiter hoch konzentriert mit Kunden telefonieren. Steigt der Lärmpegel in Großraumbüros an, sprächen die Mitarbeiter automatisch lauter. „Das ist für das Gegenüber nicht angenehm“, so der Verbandspräsident und verweist auch auf das Telekommunikationsgesetz. „Wird zu laut telefoniert, könnte der Gesprächspartner des Kollegen mithören.“ Allerdings gebe es noch weitere Dinge zu beachten. Die normale Bürotemperatur liegt zwischen 21 und 22 Grad. „Dem Konflikt zwischen kalt und warm kann man zumindest im Sommer durch Kühldecken begegnen. Die eingebauten Wasserohre in der Decke führen die Wärme über den Hitzequellen wie Computer und andere elektronische Geräte gezielt ab. Das funktioniert aber nur, wenn die Deckenhöhe ausreicht.“ Diese moderne Lüftungsart nennt der Verbandspräsident ökonomisch wie ökologisch sinnvoll. Im Wegfall von Zugluft sieht er einen weiteren Vorteil. Einen Extraraum empfiehlt der Mediziner für Drucker. Damit falle nicht nur die Dauerbelastung durch Tonerausdünstungen weg. „Wer etwas ausdruckt, bewegt sich oder überlegt, ob es wirklich nötig ist, Papier zu nutzen.“

Lärm mindert Arbeitsleistung

Nicht nur für den Präsidenten des Verbandes Deutscher Betriebs- und Werksärzte (VDBW) ist der Zusammenhang zwischen Lärm in Großraumbüros und Arbeitsleistung unstrittig. Überall dort, wo hohe Konzentration, Aufmerksamkeit und Gedächtnisleistungen gefordert sind, schadet Lärm. Die Auswirkungen zeigen sich unterschiedlich. In Callcentern, bei Lehrtätigkeiten oder Gruppenarbeiten kann es zur Störung der sprachlichen Kommunikation führen. Kommen Hitze im Sommer, Kälte im Winter, Zugluft sowie Zeitdruck hinzu, steigen die Stresshormone im Blutkreislauf an, und die Blutgefäße verengen sich. Die Folge können vermehrte Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems sowie des Verdauungssystems sein. „Für Büroarbeitsplätze gilt, dass der Zusammenhang zwischen Sprachverständlichkeit und Leistung sowie psychischem Befinden als belastbar angesehen werden kann“, heißt es auch abschließend in der Publikation „Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – Lärm“ (1. Auflage. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2016, S 77). Die Autoren, Dr. Andreas Liebl und Maria Kittel vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP, erforschten die Literatur über Lärm und seine Auswirkungen in den verschiedensten Arbeitsbereichen. Sie werteten dafür die relevantesten Publikationen der vergangenen Jahre aus. Einige Trends kristallisierten sich dabei heraus: Wer heute Großraumbüros plant, muss neue Konzepte entwickeln, um Lärm nicht nur unter Echtzeitbedingungen zu messen, sondern ihn auch wirksam zu vermindern. Die Autoren stoßen dabei auf ein generelles Dilemma: Es fehlen entsprechende Schutzvorschriften, die alle Lärmquellen gleichermaßen berücksichtigen. Die gibt es nicht, weil relevante Messgrößen fehlen, die auf die jeweilige Branche zugeschnitten sind. Es fehlen „Konzepte zur Beurteilung von Lärm sowie Maßnahmen zur akustischen Gestaltung von Arbeitssystemen, die die Arbeitstätigkeit und die jeweiligen Arbeitsumgebungen berücksichtigen“, so die Autoren. Heute „werden zur Beschreibung der Qualität eines Arbeitsplatzes technische Beurteilungsgrößen herangezogen. Im Fall von Büroumgebungen sind dies bspw. die räumliche Abklingrate von Sprache (D2,S), der A-bewertete Schalldruckpegel von Sprache in einem Abstand von 4 Metern (Lp,A,S,4m), die Nachhallzeit (T) und das bauseitige Grundgeräusch (LNA,Bau)“.

Spezielle Einrichtung erforderlich

Die durchaus messbare Sprachverständlichkeit, die bei hoher Lärmbelastung abnimmt, spielt als Planungsgröße in aktuellen Richtlinien keine Rolle. Die konkrete Belastung durch sprachlichen Hintergrundschall wird außerdem bei der Beurteilung der Qualität von Arbeitsplätzen bisher gar nicht erfasst, „da Messungen häufig im unbesetzten Zustand stattfinden“. Mit anderen Worten: Die unterschiedlich lauten Bürogespräche fließen heute in die Bewertung und Berechnung von Lärm nicht ein. Die Autoren weisen aber auch darauf hin, dass die daraus resultierenden Störungen und Folgen individuell unterschiedlich empfunden werden. Und genau da liegt ein weiteres Problem: „Aus der subjektiv empfundenen Lärmbelastung lässt sich aber keine Planungsgröße ableiten, sodass es notwendig ist, den Zusammenhang zwischen der subjektiv empfundenen Lärmbelastung und physikalischen Messgrößen herzustellen.“ Ein weiteres Dilemma selbst für willige Planer: Die Sichtung der zahlreichen Publikationen zeigt ferner, dass auch in der Wissenschaft bei der Erforschung von Lärm und psychischen Belastungen noch ein „erheblicher Nachholbedarf“ besteht. Die Anzahl dieser Arbeiten sei eher gering, stellen die Forscher des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP fest. Ein zusätzliches Problem sehen die Forscher in nahezu allen Arbeiten darin, dass bei den Lärmuntersuchungen studentische Probanden eingesetzt wurden. Doch die stellen hinsichtlich Alter und kognitiver Fähigkeiten nicht den Durchschnitt der Bevölkerung dar. Wer als Unternehmer derzeit ein Großraumbüro plant, sollte zumindest den Planer bitten, die Geräuschentwicklung zusätzlich auch unter den benannten Kriterien zu betrachten und bei der Lärmdämmung eine Schippe draufzulegen. Denn Arbeitsmediziner Dr. Panter rät nicht umsonst: „Arbeitgeber, die in gute schalldämmende Maßnahmen investieren, erhalten oder erhöhen die Konzentration und damit die Arbeitsleistung ihrer Mitarbeiter.“

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