Nachhaltigkeit

Label-Dschungel: Im Label-Dschungel

Welche Zertifikate bringen KMU wirklich weiter?

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von Dr. Ines Eckermann 24.07.2025
(© ­­­deagreez − stock.adobe.com)

Eine Illustration mit grünen Blättern, ein gezeichnetes Häschen oder schlichte Typografie, die Wörter wie „Bio“ oder „nachhaltig“ auf die Packung zaubert: Labels und Siegel gibt es fast so viele wie Unternehmen. Doch welche Siegel und Zertifikate machen auch jenseits des Marketings Sinn? Für wen lohnt sich der Aufwand – und woher wissen Unternehmen, welches Zertifikat für sie das richtige ist?

„Viele Unternehmen stehen vor der Frage: Welche Zertifizierung passt zu uns?“, sagt Charlotte Horder, Nachhaltigkeitsberaterin. „Es gibt Zertifikate auf Produktebene wie den Blauen Engel oder Fair Trade, prozessorientierte wie ISO 14001 und ganzheitliche wie B Corp. Wichtig ist, sich zu überlegen, warum man zertifiziert werden möchte. Marketingzwecke allein sollten auf keinen Fall Grund für eine Zertifizierung sein.“

Während Labels wie der Blaue Engel einzelne Produkte betreffen, greifen B Corp & Co. tiefer ins Unternehmen ein. „B-Corp etwa verpflichtet Unternehmen dazu, Nachhaltigkeit fest in ihrer Satzung zu verankern“, erklärt Horder. „Das ist ein großer Schritt – und macht für Unternehmen Sinn, die wirklich langfristig, holistisch, nachhaltig wirtschaften wollen.“

 

Gemeinsam besser werden

Zertifizierungen sind nicht nur ein Stempel – sie können der Einstieg in eine tiefgreifende Strategie sein. Vor allem in kleinen Unternehmen, wo es oft keine Nachhaltigkeitsabteilung gibt, wirkt ein partizipativer Ansatz besonders stark. „Nachhaltigkeit betrifft nicht nur eine einzelne Person im Unternehmen. Es ist wichtig, so viele Leute wie möglich ins Boot zu holen“, so Horder.

Ein Tool wie das kostenlose „B Impact Assessment“ von B-Lab hilft beim Einstieg: Über 200 Fragen beleuchten fünf Unternehmensbereiche – von Mitarbeitenden über Governance bis zur Umwelt und Kund:innen. Horder begleitet solche Prozesse mit mehreren Workshops. „Ich habe Unternehmen begleitet, die am Ende gar nicht zertifiziert wurden, aber durch den Prozess konkrete Maßnahmen entwickelt haben“, erzählt sie. „Zum Beispiel zur Energieeffizienz oder einem Lieferantenkodex. Gerade für Firmen mit wenig Vorerfahrung sind solche Schritte Gold wert.“

 

Und wie anfangen?

Wer den Einstieg sucht, sollte zunächst intern fragen: Wo stehen wir eigentlich? Eine Mitarbeitendenumfrage kann helfen, ebenso wie Gespräche mit Kund:innen oder Lieferanten. Der erste Schritt muss nicht perfekt sein – Hauptsache, man macht ihn.

„Es ist okay zu sagen: ‚Wir haben keine Ahnung, wo wir anfangen sollen‘“, sagt Horder. „Der wichtigste Schritt ist, in den Dialog zu gehen und sich inspirieren zu lassen.“

Tatsächlich gibt es nicht die eine richtige Zertifizierung. Während Produktlabels Vertrauen bei Kund:innen schaffen, helfen Unternehmenszertifikate, Nachhaltigkeit strukturell zu verankern. „Am besten spricht man mit Unternehmen, die bereits zertifiziert sind“, rät Horder. „Die meisten teilen gerne ihre Erfahrungen. Also: Lasst uns einen Kaffee trinken und darüber reden!“

 

Eine Auswahl an Zertifikaten – von simpel bis komplex

ISO 14001 ist ein Standard für Umweltmanagementsysteme und besonders für Unternehmen sinnvoll, die systematisch ihre Umweltleistung verbessern wollen. EcoVadis bietet ESG-Ratings, die für internationale Lieferketten relevant sind. Beide sind eher aufwendiger – ebenso wie EMAS, das zusätzlich externe Prüfungen und strenge Berichtsstandards erfordert. B Corp geht noch weiter: Es bewertet das gesamte Unternehmen in Bezug auf soziale und ökologische Verantwortung, Mitarbeitende, Umwelt und Governance. Ein kostenloses Online-Assessment gibt’s vorab.

Wer eine niedrigschwellige Möglichkeit sucht, startet mit dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex oder dem KMU Kompass. Beide helfen beim Einstieg in die Berichterstattung bzw. das Risikomanagement entlang der Lieferkette – kostenlos und praxisnah.

Zertifikate für Produkte und Dienstleistungen

Für einzelne Produkte sind Labels wie der Blaue Engel (Umweltfreundlichkeit), Fair Trade (soziale Standards) oder das EU-Bio-Siegel (Lebensmittel) relevant. In der Textilbranche spielt der OEKO-TEX Standard 100 eine große Rolle, in der Kosmetik das NATRUE-Siegel.

Auch hier gilt: Wer mit einem Produkt ein starkes Nachhaltigkeitsversprechen abgeben will, kann mit vergleichsweise geringem Aufwand viel Vertrauen schaffen.

 

Und woran erkenne ich Greenwashing?

Nicht jedes Label hält, was es verspricht. Wichtige Warnsignale:

• Keine unabhängige Prüfung

durch Dritte

• Unklare oder nicht öffentlich

einsehbare Kriterien

• Selbst erfundene Labels ohne

institutionelle Anerkennung

• Vage Begriffe wie „natürlich“ oder

„grün“ ohne Standards

Kurz gesagt

Im Siegel-Dschungel den Überblick zu behalten, ist nicht leicht. Deshalb hier ein Kompass:

Preiswerte Einstiege:

ISO 9001, ISO 14001, Blauer Engel,

Fair Trade, Deutscher Nachhaltigkeits-

kodex, KMU Kompass, Nachhaltigkeitsbenchmarking

Aufwändig, aber umfassend:

B Corp, EMAS, EcoVadis

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Fotostrecke

(© ­­­master1305 − stock.adobe.com)

Charlotte Horder

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