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„Wir backen in Krefeld keine großen Brötchen, aber dafür die richtigen.“

Im Interview erläutert Oberbürgermeister Frank Meyer die wirtschaftlichen Vorzüge der Stadt Krefeld und warum diese einen neuen Blick auf Samt und Seide wagt.

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von Regiomanager 01.05.2016
Frank Meyer, Oberbürgermeister der Stadt Krefeld

Krefeld
ist eine Stadt mit wirtschaftlicher Tradition, Global Playern und
Hidden Champions, die trotz ihrer wirtschaftlichen Bedeutung im Schatten
nordrhein-westfälischer Großstädte wie Düsseldorf, Essen oder Dortmund
wirtschaftlich relativ unbekannt ist.

NRM:  Herr Meyer, welche Vorzüge hat die Stadt, die sie so interessant für Unternehmen macht?

Frank Meyer:
Die Vorzüge unserer Stadt lassen sich einfach erklären. Zum einen sind
wir eine Stadt mit gelebter Kultur und hoher Lebensqualität, und zum
anderen sind wir ein exzellenter Wirtschaftsstandort mit guter
Infrastruktur und mit starken Unternehmen sowie ein zuverlässiger
Partner für Unternehmen. Das bedeutet unter anderem, dass wir das
persönliche Gespräch mit den Unternehmen suchen, um aus erster Hand zu
erfahren, welche Anforderungen und Wünsche seitens des Unternehmens
bestehen und wie wir die Zusammenarbeit gemeinsam gestalten können.
Dabei kommt es den Unternehmen zugute, dass in Krefeld ein direkter
Dialog der Entscheidungsträger untereinander möglich ist.  Krefeld ist
in dieser Hinsicht eine im positiven Sinne überschaubare Stadt mit einem
jetzt wieder wachsenden Netzwerk zwischen Wirtschaft, Politik und
Verwaltung.

NRM: Und welche Bedeutung hat dabei die Lebensqualität?

Betrachtet
man den heutigen Arbeitsmarkt und die Fachkräfteengpässe, dann spielt
es eine entscheidende Rolle, wie zufrieden Mitarbeiter mit ihrer
Wohnsituation vor Ort sind. Krefeld ist für alle unterschiedlichen
Wohnvorlieben geeignet und dabei deutlich günstiger als zum Beispiel
Düsseldorf. Zudem hat die Stadt eine sehr ausgeprägte Kulturlandschaft.
Bei rund 235.000 Einwohnern bieten wir ein Dreispartentheater mit
Schauspiel, Musiktheater und Ballett, den bekannten Krefelder Zoo mit
einer halben Million Besucher im Jahr sowie das deutschlandweit
renommierte Kaiser-Wilhelm-Museum. Zusammen mit unserem
Eishockey-Erstligisten, den Krefeld Pinguinen, sind das natürlich nur
die offensichtlichen Vorzeigeobjekte der Stadt. Doch rechnet man noch
die vielen kleineren Kultur-, Freizeit- und Sportangebote und auch die
Parks und Naherholungsgebiete hinzu, dann offenbart sich eine tolle
Stadt zum Leben, Wohnen und Arbeiten.

NRM: Und welche weiteren Vorteile bietet die Stadt für das verarbeitende Gewerbe und den Mittelstand?

Frank Meyer:

Krefeld ist von seiner geografischen Lage und von der
infrastrukturellen Anbindung her ein sehr starker Standort. Von hier
sind Sie innerhalb von 30 Minuten am Düsseldorfer Flughafen, haben
Anbindung an den Weltmarkt über die Seehäfen mittels eines trimodalen
Hafens und mit der A57, der A44 und der Schiene eine exzellente
Anbindung an den europäischen Güterverkehr. Außerdem, und das kommt auch
dem Mittelstand und den industrienahen Dienstleistern zugute, ist die
Stadt überdurchschnittlich industriell geprägt. Das hat uns in der
Finanzkrise geholfen und ist weiterhin das Rückgrat unserer Wirtschaft.
Die Industrie prägt den Standort und ist ein entscheidender Grund, warum
ich die Schirmherrschaft der Initiative „Zukunft durch Industrie“
übernommen habe.

NRM: Was ist „Zukunft durch Industrie – Initiative Krefeld“?

Frank Meyer:
Die Initiative Zukunft durch Industrie möchte dazu beitragen, dass die
Bürger besser verstehen, was die Unternehmen in Krefeld leisten. Derzeit
gibt es bei uns rund 400 Industrieunternehmen. Ihre Produkte
erleichtern den Alltag, und sie sorgen hier vor Ort für Arbeits- und
Ausbildungsplätze. Sie sind die Basis dafür, dass Krefeld ein
überdurchschnittlich guter Exportstandort ist. Dennoch stoßen
Unternehmen häufig auf Skepsis und Vorurteile gegenüber industriellen
Groß- und Infrastrukturprojekten. Diesen Bedenken und Ängsten begegnen
wir mit Offenheit und Dialog, denn Verständnis setzt zunächst Kenntnis
voraus. Wir fördern mit Zukunft durch Industrie den Meinungsaustausch
zwischen Unternehmen, Politik und Bürgerschaft. Das ist eine wichtige
Basis für die Zukunft des Wirtschaftsstandortes.

NRM: Muss
sich eine Stadt wie Krefeld nicht auch weiteren aktuellen Problemen wie
modernen Stadtquartieren oder Änderungskonzepten von Gewerbeflächen
anpassen?

Frank Meyer: Das sehen wir in Krefeld ganz
genauso. Aus diesem Grund blicken wir auch mit einem gewissen Stolz auf
das Stadtentwicklungsprojekt der „Carl Richard Montag Förderstiftung“
auf dem Grundstück der Alten Samtweberei. Dort entstehen Orte modernen
Arbeitens und Lebens. So wurde hier ein Stadtquartier entwickelt, das,
zwischen den zwei Campi der Hochschule Niederrhein gelegen, insbesondere
Start-ups und jungen kreativen Unternehmen Raum gegen geringe Mieten
bietet. Im Gegenzug dafür verpflichten sich die Mieter, eine Stundenzahl
X in das Projekt dieses Stadtquartiers zu investieren und übernehmen so
auch Verantwortung für die Stadt. Ein weiteres Projekt ist der „K2
Tower und Industriepark“. Auf dem ehemaligen Voith-Firmengelände hat die
Kleinewefers-Gruppe ihr Stammhaus zurückgekauft und in einen modernen
Standort für Büros und Hallenkomplexe umgewandelt. Wirtschaftsförderung
im Rahmen von Strukturwandel und Stadtentwicklung hat bei mir einen sehr
hohen Stellenwert. Wir backen in Krefeld keine großen Brötchen, aber
dafür die richtigen. Die Stadt ist im Wandel, und die Wirtschaft
verändert sich. Wir gestalten die Zukunft Krefelds gemeinsam.

NRM: Ob
der gravierenden Veränderungen in der Textilbranche schmückt sich die
Stadt noch mit Samt und Seide. Ist das denn noch zeitgemäß?

Frank Meyer:
Sicherlich gibt es Leute, die der Meinung sind, dass Samt und Seide mit
der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation unserer Stadt nichts zu
tun haben. Doch man darf an dieser Stelle nicht vergessen, dass die
Textilbranche für Krefeld ein wichtiger Teil unserer Geschichte,
Entwicklung und Identität darstellt. Dabei ist die Frage nicht, wie
viele Webereien heute noch stehen, sondern vielmehr, was durch diese
geschaffen wurde. Es gibt auch heute noch sehr viele Bezüge in Krefeld,
die man auf Samt und Seide zurückführen kann. Seien es Museen,
Schulgebäude oder Parkanlagen – sie alle waren Spenden der Seidenbarone
unserer Stadt. Und historisch gesehen lagen die Wurzeln von
Industriezweigen, die uns heute prägen, vielfach in Produkten für die
Textilbranche. Zudem ist die Textilbranche auch heute noch vertreten. So
stellt das Krefelder Unternehmen Verseidag textile
Fassadenkonstruktionen her und hat zudem anlässlich der Fußball-WM 2010
in Südafrika beim Bau des Cape Town Stadium dieses mit Membranen Made in
Krefeld ausgerüstet. „Samt und Seide“ ist nicht nur ein Slogan, sondern
wird in unserer Stadt seit Jahrhunderten gelebt. So ein
Alleinstellungsmerkmal aus der Geschichte haben nur wir. Wir sollten
daran festhalten und eher intelligent darüber nachdenken, wie man das
Gestern ins Heute und Morgen wenden kann. Wir tun dies gerade mit
unserer Kampagne „Krefelder Perspektivwechsel“.

NRM: Ein neuer Blick auf Samt und Seide in Zukunft und Vergangenheit?

Frank Meyer:
Richtig. So steht bei dieser Kampagne im Zeitraum von 2015 bis 2023
jedes zweite Jahr unter einem eigenen Perspektivwechsel-Motto. Unter der
Überschrift „Made in Krefeld“ werden wir 2017 die Aspekte von
Produktinnovationen und Design aufgreifen, das Jahr 2019 steht dann
unter dem Titel „100 Jahre Bauhaus“, 2021 knüpfen wir an die von der
Kultur ausgehenden Impulse für eine mutige, moderne und weltoffene
Stadtentwicklung an, um schließlich im Jahr 2023, zum großen 650.
Stadtjubiläum, die Summe der positiven Effekte aus diesen Leitthemen zu
feiern. Eine neue Sicht auf Samt und Seide im 21. Jahrhundert.
André Sarin | redaktion@niederrhein-manager.de

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