Management

Persönlichkeitstests fürs Recruiting: Eigenschaften vor Noten

Um zu beurteilen, ob jemand für einen Job geeignet ist, geben Persönlichkeitstests oft bessere Hinweise als Schulzeugnisse. Doch die Testauswahl ist groß. Wie findet man das passende Tool?

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von Regiomanager 12.07.2023
(© ­­­master1305 − stock.adobe.com)

Der Werkzeugmaschinenhersteller Trumpf in Ditzingen gilt in Sachen Ausbildung als Vorreiter. Auch beim Recruiting von Azubis hat das Unternehmen früh neue Wege eingeschlagen. Neben Schulnoten stehen bei dem Unternehmen für die Auswahl von Azubis weitere Dinge im Vordergrund: Motivation, Neugierde, Engagement, Gewissenhaftigkeit und Integrität u.a. So hat es bereits vor einigen Jahren vom klassischen Bewerbungsverfahren, bei dem der Notendurchschnitt in der Vorselektion eine entscheidende Rolle spielt, Abstand genommen. Stattdessen setzt man u.a. auf Persönlichkeitstests, um festzustellen, ob Bewerbende für eine Ausbildung bei Trumpf infrage kommen. Der Gedanke dahinter: Der Bewerber bzw. die Bewerberin muss von der Persönlichkeit zum Unternehmen passen. Das ist mindestens genauso wichtig wie ein gutes Zeugnis.


Schulnoten nicht
mehr entscheidend


So wie bei Trumpf sind in immer mehr Unternehmen Schulnoten längst nicht mehr das einzig entscheidende Kriterium, wenn sie Auszubildende einstellen. Nicht selten haben sie gar die Erfahrung gemacht, dass Kandidaten bzw. Kandidatinnen trotz guter Schulnoten nur unzureichende Leistungen in der Ausbildung gezeigt haben. Auch sagen Noten z.B. nichts darüber aus, ob sich jemand in ein Team einfügen kann. Umgekehrt sind inzwischen zahlreiche Betriebe davon überzeugt, dass geeignete Kandidaten fälschlicherweise nicht als geeignet erkannt werden, wenn man Schulnoten als Maßstab nimmt. Laut dem Azubi-Diagnosezentrum Südbaden, das Handwerksbetriebe und kleinere Unternehmen im Raum Freiburg bei der Gewinnung von Auszubildenden unterstützt, lassen sich Fehleinstellungen um 30 Prozent reduzieren, wenn Betriebe mit einem berufsbezogenen Eignungstest über das Internet Persönlichkeitseigenschaften wie Leistungsmotivation oder kognitive Fähigkeiten wie technisch-mechanisches Verständnis messen. Diese könnten die berufliche Leistung und den Ausbildungserfolg besser als Schulnoten prognostizieren.


Große Auswahl an
Persönlichkeitstests


Doch welche Tests sind geeignet? Die Auswahl der diagnostischen Verfahren zur Erfassung der Persönlichkeit von Menschen ist groß. Grundsätzlich lassen sie sich die – in der Regel IT-gestützten – Tests klassifizieren in typenbasierte Verfahren und in Strukturtests. In die Kategorie Strukturtest gehören die Tests zum Big-Five-Modell. Den meisten Unternehmensvertretern bekannt ist hier u.a. das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung, BIP, welches 17 berufsbezogene Aspekte der Persönlichkeit mit mehr als 200 Fragen zur Selbsteinschätzung misst, und das NEO-FFI (NEO-Fünf-Faktoren-Inventar). Beide Tests messen jeweils die Ausprägung von fünf Faktoren einer Persönlichkeit. Dabei handelt es sich um Extraversion, Offenheit für neue Erfahrungen, Verträglichkeit im Sinne von Rücksichtnahme auf andere und das Erhalten positiver Beziehungen, Gewissenhaftigkeit und Neurotizismus, das heißt die Empfindlichkeit gegenüber negativen Einflüssen, Emotionen und Gedanken.


Typenorientierte
Tools in der Kritik


Die Big Five, oft auch Fünf-Faktoren-Modell (FFM) genannt, gelten in der Wissenschaft als geeignetes Modell, um die Persönlichkeit von Menschen zu erfassen. „Tests zum FFM messen die einzelnen Dimensionen unabhängig voneinander und sind damit wesentlich differenzierter als die Typentests, bei denen die Testpersonen einem bestimmten Typen zugeordnet werden“, erklärt Dr. Martin Kersting, Professor für Psychologische Diagnostik an der Justus-Liebig-Universität Gießen. In der Praxis sind Typentests – der bekannteste ist wohl der Myers-Briggs-Typenindikator – jedoch recht beliebt. Eben, weil sie so reduzierend sind, wie Kersting kommentiert. Aus dem gleichen Grund erfahren sie von wissenschaftlicher Seite – teilweise vehement – Kritik.


Qualitätskriterien
zur Testauswahl


Welche wissenschaftlichen Qualitätskriterien für einen Persönlichkeitstest gelten, hat das Diagnostik- und Testkuratorium festgelegt, dessen Vorsitzender Professor Martin Kersting ist. Liefert der Testanbieter alle Informationen, die für die Qualitätsbeurteilung notwendig sind, weist dies schon mal auf dessen Seriosität und Wissenschaftlichkeit hin.

Nachfolgend finden Sie eine Übersicht der wichtigsten Kriterien bei der Auswahl von Persönlichkeitsfragebögen:

Theoretische Fundierung
Auf welcher wissenschaftlichen Theorie bzw. auf welchen psychologisch-wissenschaftlich Erkenntnissen basiert der Test? Ist die Theorie ausreichend belegt?

Transparenz bzw. Angaben zum Test
Wie schon erwähnt sollte der Testanbieter Informationen über die Testentwicklung samt wissenschaftlicher Studien zum Test geben können. Dabei sind u.a. Vergleichswerte sowie Aussagen über die Zuverlässigkeit des Fragebogens relevant.

Objektivität
Das Ergebnis des Tests muss unabhängig vom Testleiter sein. Zudem sollte gewiss sein, dass die Testbedingungen stets für alle Probanden die gleichen sind.

Reliabilität
Damit ist die Zuverlässigkeit der Messmethode gemeint. Eine Untersuchung wird dann als reliabel bezeichnet, wenn es bei einer Wiederholung der Messung unter denselben Bedingungen zu demselben Ergebnis kommt.

Validität
Betrifft die Gültigkeit der Messung und somit die treffsichere Aussage über die betreffende Person. Ein Test ist dann valide, wenn er genau die Eigenschaften misst, die er messen soll.

Unverfälschbarkeit
Inwiefern können die Ergebnisse des Tests durch Angaben der Teilnehmer, die durch deren Annahmen von der sozialen Erwünschtheit beeinflusst werden, manipuliert werden? Sind Kontrollfragen eingebaut?

Normen/Vergleichsgruppen
Es ist darauf zu achten, dass Vergleichsgruppen für die Zielgruppe des Tests vorliegen.


Persönlichkeitsmerkmale
festlegen


Apropos Zielgruppe: Wichtig für die Auswahl eines Persönlichkeitstests ist, das Anforderungsprofil genau zu kennen. „Welche Persönlichkeitseigenschaften sind im betrieblichen Kontext relevant? Und für was genau sind sie relevant? Erst wenn ich mir darüber im Klaren bin, kann ich die Testauswahl vornehmen und schauen, welcher Fragbogen diese Merkmale erfasst“, sagt Professor Kersting. Je nach Bedarf des Unternehmens müssen laut Jennifer Frotscher, Beraterin für Persönlichkeitsentwicklung und Potenzialanalysen und Geschäftsführerin der Peats GmbH, zudem diverse Kleinigkeiten bekannt sein – etwa, ob der Test auch auf dem Handy funktioniert, ob er in verschiedenen Sprachen durchgeführt werden kann und ob die Verknüpfung mit einem Bewerbermanagementsystem möglich ist. Anhand solcher Kriterien könne generell das passende Tool ausgewählt werden. Für die Auswahl von Azubis verweist Frotscher auf Tests für Berufseinsteiger, die eher kognitive Fähigkeiten sowie Motivation und Lernbereitschaft als Charaktereigenschaften messen. Zudem sollten die Tests nur von Betrieben durchgeführt werden, die die Ergebnisse mit geschulten Fachkräften auswerten können.

Petra Walther | redaktion@regiomanager.de

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Fotostrecke

Prof. Dr. Martin Kersting (© Katrin Binner)

Jennifer Frotscher, Beraterin für Persönlichkeitsentwicklung

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