Auch in Nordrhein-Westfalen leben immer mehr ältere Menschen. Doch sie benötigen anderen Wohnraum als etwa junge Familien oder Studierende in den Innenstädten der Metropolen. Wie sieht der Plan für die nächsten Jahre aus – und worauf kommt es bei der Barrierefreiheit in den eigenen vier Wänden besonders an?
Mit dem Teilhabebericht NRW fühlt die Landesregierung regelmäßig den Puls in Sachen Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen am sozialen und gesellschaftlichen Leben. Vor allem Wohnungen spielen dabei eine wichtige Rolle. Wer soll schon gleich- und teilhabeberechtigt sein, wenn er oder sie schon in den eigenen vier Wänden benachteiligt wird? Ausgerechnet bei der Barrierefreiheit von Wohnungen hapert es zwischen Münsterland und Rheinland, zwischen Niederrhein und Siegerland noch deutlich.
2008 gab es laut Teilhabebericht NRW Schätzungen zufolge rund acht Millionen Wohnungen in NRW, davon waren jedoch nur zwei Prozent „barrierefrei“ beziehungsweise „barrierearm“. Bei der letzten großen Erhebung 2017 war der Bestand auf knapp neun Millionen Wohnungen gestiegen – wie viele davon barrierefrei sind, ist laut Teilhabebericht aber unbekannt. Vier von fünf vor allem ältere Menschen mit mehr oder minder starken Beeinträchtigungen und Behinderungen im Alltag gaben bereits 2017 an, dass sie nicht in barrierefreien Wohnungen wohnen. Anders ausgedrückt, so das Fazit im NRW-Teilhabebericht 2020: „Ungefähr 2,6 Millionen Menschen leben in einem Umfeld, das sie vor große Herausforderungen stellt.“
Nach Angaben des Sozialverbands VdK NRW fehlen derzeit mehr als 438.000 barrierefreie Wohnungen in Nordrhein-Westfalen. Und der Bedarf wird immer größer: Bis zum Jahr 2040 müssen mehr als 670.000 neue barrierefreie und altersgerechte Wohnungen entstehen, um der Nachfrage gerecht zu werden, warnt der VdK eindringlich.
Jede und jeder Fünfte in NRW hat eine starke gesundheitliche Beeinträchtigung
Laut Landesregierung leben derzeit 3,67 Millionen Menschen mit Beeinträchtigung in NRW, davon zwei Millionen Menschen mit einer Schwerbehinderung. Dies entspricht einem Anteil von 20 Prozent an der Gesamtbevölkerung. Nur wenige Menschen sind bereits seit ihrer Geburt, Kindheit oder Jugend beeinträchtigt. Mit zunehmendem Alter steigt also der Bevölkerungsanteil der Menschen mit Beeinträchtigungen.
Da wirkt es zumindest tröstlich, wenn Claudia Middendorf, die Beauftragte der Landesregierung für Menschen mit Behinderungen sowie für Patientinnen und Patienten in Nordrhein-Westfalen, sagt: „Wer barrierefrei umbaut, wird unterstützt.“ Sie setzt sich in ihrer Funktion dafür ein, dass Barrierefreiheit im Wohnungsbau, in öffentlichen Gebäuden und bei der Stadtentwicklung nicht nur mitgedacht, sondern konsequent umgesetzt wird.
Middendorf: „Barrierefreiheit darf keine Kostenfrage sein. Es gibt verschiedene Förderprogramme von Bund, Land und Kommunen, die bauliche Anpassungen unterstützen. Wichtig: Fördermittel müssen in der Regel vor Beginn der Baumaßnahmen beantragt werden.“
Um die bauliche Barrierefreiheit zu verbessern, hat die NRW-Landesregierung mit der novellierten „LBO NRW“ und den begleitenden Vorschriften detaillierte Anforderungen erlassen. (Fast) alle Wohnungen müssen barrierefrei sein. Und auch für Nicht-Wohngebäude und öffentlich zugängliche Gebäude gibt es weitreichende, konkrete Vorgaben. Hinzu kommen Fördergelder zur Schaffung von barrierefreiem Wohnraum sowie zum Abbau von Barrieren im Bestand.
Eine Alternative zum Neubau ist der barrierefreie Umbau im Bestand – mit vielen Förderprogrammen
Denn für Barrierefreiheit in den eigenen vier Wänden braucht es nicht zwingend immer den Neubau oder Komplettumbau der eigenen Wohnung. Wichtigste Stellschraube für barrierefreies Leben ist vor allem das Badezimmer – in dem wir heute viel mehr Lebenszeit verbringen als noch unsere Eltern oder Großeltern. Ein barrierefreies Bad ist nicht nur ein Komfortgewinn, sondern vor allem eine Investition in die Zukunft, die (älteren) Menschen mit Mobilitätseinschränkungen ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht.
„Ein barrierefreies Bad ermöglicht es Menschen mit Behinderungen oder im Alter, ihren Alltag selbstständig und sicher zu gestalten. Ein sicherer und barrierefreier Zugang zu Dusche, Toilette und Waschbecken trägt dazu bei, gefährliche Stürze zu vermeiden, und erleichtert die tägliche Hygiene“, sagt Michael Gorski, Geschäftsführer von Badsanieren24 und Experte für den barrierefreien Neu- und vor allem Umbau von Bädern.
Eine der zentralen Anforderungen an ein barrierefreies Bad ist großzügige Bewegungsflächen, insbesondere für Menschen im Rollstuhl, bereitzustellen. Es sollten mindestens 1,20 x 1,20 Meter vor den sanitären Einrichtungen vorhanden sein. Für rollstuhlgerechte Bäder gelten sogar Mindestmaße von 1,50 x 1,50 Meter. Zudem ist der Einbau einer Schiebetür oder einer nach außen öffnenden Tür sinnvoll, um mehr Platz zu schaffen.
„Eine bodengleiche Dusche bietet nicht nur einen eleganten Look, sondern ist auch essenziell für die Barrierefreiheit. Sie muss stufenlos erreichbar und mit einem rutschfesten Bodenbelag ausgestattet sein. Optional können Duschsitze und Haltegriffe montiert werden, um die Sicherheit und den Komfort weiter zu erhöhen“, berichtet Experte Gorski aus der Praxis.
Diese Fördermöglichkeiten für barrierefreie Bäder gibt es
Günstig ist der Badumbau jedoch nicht. Zu den deutlich gestiegenen Materialkosten kamen in den vergangenen Jahren kräftige Erhöhungen für die Dienste der Fachfirmen hinzu. Glücklicherweise bezuschusst der Staat, vor allem über die bundeseigene Förderbank KfW, den barrierefreien Umbau. Das ist für den Staat, am Rande gesagt, auch allemal günstiger und damit lohnender als den Neubau barrierefreier Wohnungen in großer Zahl außerhalb bestehender Siedlungsstrukturen.
Die KfW unterstützt mit ihrem Programm „Altersgerecht Umbauen“ (Zuschuss 455-B) Maßnahmen zur Barriere-Reduzierung. Dies umfasst unter anderem die Anpassung des Badezimmergrundrisses, den Einbau bodengleicher Duschen und die Modernisierung von sanitären Anlagen. Bei Einzelmaßnahmen können bis zu zehn Prozent der förderfähigen Kosten erstattet werden. Wenn der KfW-Standard „Altersgerechtes Haus“ erreicht wird, sind es sogar 12,5 Prozent beziehungsweise maximal 6.250 Euro pro Wohneinheit. Wichtig: Der Antrag auf Förderung muss vor Beginn der Bauarbeiten gestellt werden.
Für umfangreichere Maßnahmen kann der KfW-Kredit 159 in Anspruch genommen werden, der günstige Finanzierungsmöglichkeiten für notwendige Umbauten bietet. Hier sind bis zu 50.000 Euro pro Wohneinheit als Finanzierung drin. Personen mit einem anerkannten Pflegegrad können zudem bei ihrer Pflegekasse einen Zuschuss beantragen – in Höhe von bis zu 4.000 Euro, etwa für den Einbau von Haltegriffen, rutschfesten Böden oder den Umbau der Dusche. Auch viele Krankenkassen unterstützen.
Teilen: