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Intralogistik und KI: „KI wird die Welt verändern“

KI-basierte Systeme ermöglichen bereits heute revolutionäre Verbesserungen in der Intralogistik. Moderne Monitoring-Plattformen können Bestandsdaten in Echtzeit erfassen, beschädigte Artikel automatisch identifizieren und Fehlbestände frühzeitig erkennen.

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von Reinhold Häken 21.07.2025
(© ­­­svetazi − stock.adobe.com)

Die Bordelektronik teilt dem Zugführer mit, dass ein Verschleißteil ausgetauscht werden muss. Es wird geprüft, ob das entsprechende Ersatzteil auf dem nächsten Bahn-Knoten der Strecke via 3D-Druck erzeugt werden kann. Das Teil soll bereitstehen, wenn der Zug seinen planmäßigen Halt hat. Wie bei einem Boxenstopp kümmern sich perfekt aufeinander abgestimmte Techniker nach dem Halt um die schnelle und reibungslose Montage. Und nach dem kurzen Stop geht es pünktlich weiter. Was nach ferner Zukunftsmusik klingt, wird bereits heute entwickelt und getestet. Logistiker suchen permanent nach Möglichkeiten, um Abläufe digitaler und damit effizienter zu gestalten.
„Vom 3D-Druck von Ersatzteilen über den Einsatz von Drohnen in Lägern bis hin zur Auswertung von Big Data, um bestimmte Peaks in der zukünftigen Nachfrage antizipieren zu können: Die Logistik ist deutlich digitaler, als man denkt und vielfach Vorreiter, wenn es um nützliche technologische Entwicklungen geht“, ist die Initiative „Die Wirtschaftsmacher“ überzeugt. Mehr als 100 Unternehmen und logistiknahe Verbände gehören dazu.

Ohne wird es nicht mehr gehen

„Wirtschaftsexperten erwarten auch für 2025 anspruchsvolle Marktbedingungen. Gleichzeitig vollzieht sich eine technologische Revolution: Künstliche Intelligenz (KI) entwickelt sich vom Hype-Thema zu einem unverzichtbaren Werkzeug für die Optimierung innerbetrieblicher Materialflüsse. Während nur 22 Prozent der deutschen Logistikunternehmen derzeit bereits KI einsetzen, planen oder diskutieren weitere 26 Prozent den Einsatz dieser Technologie. Die Botschaft ist eindeutig: Ohne KI wird es in der Intralogistik der Zukunft nicht mehr gehen“, ist der Branchenverband überzeugt. Man weiß: Unternehmen kämpfen mit ungenauen Daten und intransparenten Lagerbeständen. Oft fehlt der präzise Überblick darüber, wie viele Artikel sich in welchem Zustand im Lager befinden. Zeitaufwändige manuellen Kontrollen, fehlerhaften Inventuren und ein erhöhtes Fehlerrisiko sind die Folgen.

Revolutionäre Verbesserungen

KI-basierte Systeme ermöglichen bereits heute revolutionäre Verbesserungen in der Intralogistik. Moderne Monitoring-Plattformen können Bestandsdaten in Echtzeit erfassen, beschädigte Artikel automatisch identifizieren und Fehlbestände frühzeitig erkennen. Die kontinuierliche Bestandsüberwachung sowie die Analyse der Lagerplätze erfolgen dabei automatisiert im laufenden Betrieb – ganz ohne zusätzlichen manuellen Aufwand. Autonome Mobile Roboter (AMR) revolutionieren den Materialtransport. Mit Sensoren und 3D-Kameras navigieren sie selbständig durch dynamische Umgebungen. Stapler erhalten ihre Fahrbefehle mit den exakten Lagerkoordinaten direkt aus dem Web. Ob in Zukunft tatsächlich Roboter Pakete zustellen oder Drohnen von gewaltigen Luftschiff-Lager-hallen aus Sendungen zu ihrem Bestimmungsort fliegen, lässt sich schwer voraussagen. Was allerdings als sicher gilt: Die Digitalisierung wird die Logistik grundlegend verändern. Ein hoher Grad an Vernetzung und Automatisierung wird zu effizienteren Prozessen und weniger Fehlern führen.

„Unerschöpfliches Potential“

„Algorithmen optimieren Routenplanung und Kapazitätsauslastung, Simulationen werden zur Lernumgebung für Fahrzeugschwärme, Predictive Maintenance minimiert Maschinenausfälle und Smart Finance ermöglicht neue Geschäftsmodelle: Künstliche Intelligenz (KI) hat in der Logistik einen technologischen Paradigmenwechsel eingeleitet – das Potenzial für KI-Verfahren und -Methoden ist in der Branche nahezu unerschöpflich“, schwärmt Anike Murrenhoff, KI-Koordinatorin am Fraunhofer IML über die intelligente Unterstützung. Das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) in Dortmund gilt weltweit als das größte und renommierteste Forschungsinstitut für logistische Fragestellungen. „Für Unternehmen erschließen sich völlig neue Möglichkeiten der Prozessoptimierung, Automatisierung und Autonomisierung. Neue Verfahren sind in der Lage, die komplexen Zusammenhänge im Logistikumfeld schneller zu analysieren und auch zu steuern als der Mensch heute. KI wird so zum Treiber für die Logistiksysteme von morgen und hat das Potenzial, die Logistikbranche grundlegend zu verändern“, ergänzt Institutsleiterin Dr. Alice Kirchheim. Für Fraunhofer ist KI eines der signifikantesten digitalen Zukunftsthemen und für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit und der technologischen Souveränität von Unternehmen.

Unterstützung durch KI

Aufgrund ihrer Anpassungsfähigkeit auf komplexe, dynamische Umgebungen und der umfangreichen Datenlage sei KI gerade in der Logistik von entscheidender Relevanz. „In der Intralogistik gibt es für die KI viele solcher Potenziale, die aktuell meist durch Methoden der Optimierung realisiert werden können und bei denen klassischerweise Verfahren des Operations Research (OR), wie lineare Programmierung, oder Simulation zum Einsatz kommen. Entscheidungen, bei denen diese Methoden unterstützen können, sind beispielsweise Batching von Aufträgen, Zuteilung von Aufträgen zu Ressourcen, Wegeoptimierung und vieles mehr. Im Vergleich zu den klassischen Optimierungsmethoden bieten KI-Algorithmen für diese Fragestellungen neue Möglichkeiten, um komplexere Zusammenhänge und vielfältige Einflussfaktoren einzubeziehen und so neue Potenziale zu erschließen“.
Für Marina Mardanova, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am IML, ist das Ziel ganz klar: „Wir möchten KI-Lösungen in der Logistik etablieren. Unser Fokus liegt dabei auf mehr Transparenz, einer zunehmenden Automatisierung und intelligenten Entscheidungsunterstützung in der Fabrik der Zukunft. Wir möchten den gesamten Wertschöpfungsprozess optimieren. Angefangen bei den Informationen, die den Lieferanten betreffen über die Anlieferung am Werk und die Produktion bis hin zur Lagerung. Wir arbeiten zum Beispiel mit bildverarbeitender KI, KI-gestützten Prognoseverfahren oder Unterstützungssystemen für Montagearbeiten, die auf Künstlicher Intelligenz basieren.
Risiken eher abstrakt

Auch die Prognose des Transportbedarfs sei wichtig. „Für ein Werk und seine Prozesse ist es ja wichtig zu wissen, welche Ware in welcher Menge an welchen Tagen ankommt. Daran orientiert sich – unter anderem – die Personaleinsatzplanung. Auf der anderen Seite ist die Fahrzeugauslastung aus Sicht der Produzenten ein wichtiges Thema: Ziel sollte sein, Bestellungen so durchzuführen, dass Fahrzeuge möglichst ausgelastet fahren – gerade in Zeiten von Fahrermangel, steigenden Energiekosten und der Notwendigkeit Emissionen einzusparen“.
Bliebe noch der Blick auf die Risiken. Die bleiben eher abstrakt und reichen von ethischen Bedenken bis hin zu existenzbedrohende Szenarien. Zu den wichtigsten Risiken gehören Datenschutzprobleme, Jobverluste durch Automatisierung, ethische Fragen (z.B. Diskriminierung durch Algorithmen), mögliche Fehler und mangelnde Transparenz von KI-Systemen sowie die Gefahr, dass KI zur Manipulation und Desinformation eingesetzt wird. Zudem wird über ein existenzielles Risiko durch KI diskutiert, das von einer unkontrollierbaren Superintelligenz ausgehen könnte. „Auf der ganzen Welt wird an KI und humanoider Robotik geforscht. Die Digitalisierung von allem und die Künstliche Intelligenz in allem wird alles für uns alle ändern. Es wird ein digitales Kontinuum mit genereller Künstlicher Intelligenz entstehen, und das schneller, als die meisten denken“, ist Professor Michael ten Hompel, Direktor am Lamarr-Institut für Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz der TU Dortmund überzeugt. Er appelliert, keine Angst vor KI zu haben und unbedingt darin zu investieren. „Es wird sich zigmal auszahlen“, blickte er trotz aller in Deutschland noch vorhandener Skepsis voraus: „KI wird nicht nur die Technik verändern, sondern die Welt“

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Fotostrecke

Anike Murrenhoff, KI-Koordinatorin des IML

IML-Institutsleiterin Dr. Alice Kirchheim

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