Recht & Finanzen

Experten-Interview: Wie befähige ich meine Führungskräfte?

Im Interview mit dem MÜNSTERLAND MANAGER erläutert Business Coach und Trainer Tobias Gyger, wie Führungskräfte im Mittelstand am besten auf ihre neue Rolle vorbereitet werden und was sie selbst tun können.

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von REGIO MANAGER 28.07.2025
(© ­­­Lustre Art Group − stock.adobe.com)

MÜNSTERLAND MANAGER: Herr Gyger, wie bilde ich Führungskräfte so aus, dass mein Unternehmen unabhängiger von meiner Person wird?

Tobias Gyger: Dafür braucht es zunächst klare Entscheidungsstrukturen – und den Mut, Verantwortung wirklich abzugeben. Genau das fällt vielen Unternehmern schwer. Doch wer jede Abweichung korrigiert, erreicht nicht bessere Entscheidungen, sondern verhindert, dass überhaupt entschieden wird. Der Unternehmer bleibt dann letztlich die zentrale Instanz.

Führungskräfteentwicklung darf sich zudem nicht auf eine einmalige Schulung beschränken, sondern sollte auf dem Dreiklang aus Training, Praxis und Reflexion beruhen. Das Training sollte dabei möglichst modular aufgebaut und praxisnah sein. Entscheidend ist der Praxistransfer: Führung entsteht nicht im Seminarraum, sondern im Alltag – durch Entscheidungen, Konflikte und Erfahrungen, die reflektiert werden. Dabei ist Feedback zentral: Studien zeigen, dass ein Verhältnis von 3:1 zwischen Lob und Kritik die Lernbereitschaft deutlich steigert. Ergänzend bietet Coaching einen geschützten Raum für persönliche Entwicklung außerhalb des Arbeitsalltags.

MLM: Welche Methoden helfen, auf neue Rahmenbedingungen wie New Work, Remote Work und den Generationenwechsel zu reagieren?

TG: Durch die verstärkte virtuelle Zusammenarbeit entfallen kurze, spontane Gespräche. Das führt zum Verlust informeller Nähe und erschwert den Beziehungsaufbau. Umso wichtiger sind klare Vereinbarungen zu Erreichbarkeit, Verantwortlichkeiten und Entscheidungswegen, damit die neue Freiheit nicht zu Unsicherheit oder Chaos führt. Digitale Tools wie Kanban-Boards und regelmäßige Status-Updates schaffen hier Transparenz und Verlässlichkeit.

Gleichzeitig zeigen Praxis und Forschung: Kontrolle und klassische Aufgabenverteilung reichen nicht mehr aus, stattdessen sind Vertrauen und eine zielorientierte Führung wirkungsvoller. Methoden wie OKR – also die gemeinsame Arbeit an klaren Zielen und messbaren Ergebnissen – helfen, Fokus und Verbindlichkeit zu schaffen. Zudem muss aktiv an den Beziehungen im Team gearbeitet werden: Virtuelle Kaffeepausen, 1:1-Gespräche oder ein kurzer „Win der Woche“ wirken hier stärker als viele glauben.

MLM: Wie können Unternehmen eine Arbeitskultur schaffen, die sowohl die Bedürfnisse jüngerer Generationen als auch die Erfahrung langjähriger Mitarbeitender integriert?

TG: Die Generationen bringen unterschiedliche Erwartungen mit – etwa in Bezug auf Flexibilität und Stabilität –, weshalb ein offener Dialog notwendig ist. Führungskräfte sollten die Vielfalt im Team gestalten, anstatt alles zu vereinheitlichen. Bewährte Formate, um Austausch und Verständnis zu stärken sind z.B. Reverse Mentoring und moderierte Teamdialoge. Auch Job Crafting – Mitarbeitende gestalten ihre Aufgaben aktiv mit – kann dabei helfen, Stärken und Interessen gezielter zu nutzen.

MLM: Wie schaffe ich es, mich als Führungskraft „freizuschwimmen“, wenn ich ins kalte Wasser geworfen werde?

TG: Der Einstieg in die Führungsrolle sorgt auf allen Seiten für Unsicherheit. Deshalb ist es essenziell, früh persönliche Rollenklarheit zu schaffen: Was wird von mir erwartet? Wie will ich führen? Führung bedeutet nicht, die beste Fachkraft zu sein, sondern Menschen zu entwickeln, Orientierung zu geben und Verantwortung klug zu teilen. Viele unterschätzen, wie sehr sich die eigene Aufgabe und die nötigen Kompetenzen verändern; Führung erfordert bewusste persönliche Entwicklung.

Was hilft, sind Vorbilder, z.B. eine frühere Vorgesetzte, ein Lehrer oder Jugendtrainer. Zudem helfen Strukturen und Routinen beim Einstieg: feste Zeiten für Planung, Gespräche und Reflexion bringen Sicherheit im Alltag. Und wer regelmäßig Feedback einholt, z.B. von einem Mentor oder Coach, wächst schneller in die Rolle hinein. Führung ist ein Lernweg – und den sollte niemand allein gehen. Aus eigener Erfahrung weiß ich: Selbstreflexion, die Verbindung von Theorie und Praxis sowie der Umgang mit eigenen Fehlern formen langfristig den eigenen Führungsstil. Fehler werden passieren, aus ihnen sollte man lernen, sich aber keinesfalls dafür verurteilen.

Miriam Leschke | redaktion@regiomanager.de

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